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Läuft’s für die Frauen-Bundesliga so gut wie noch nie? [Faktencheck]

Die Saison 2021/22 im österreichischen Frauenfußball ist (bis auf die Relegationsrückspiele zwischen den Landesligen und 2. Liga) in den Büchern und es war in vielerlei Hinsicht eine Besondere.

+ + 90minuten.at Exklusiv - Von Richard Turkowitsch + +

 

Auf den ersten Blick ist eventuell nicht völlig ersichtlich wieso, immerhin wurden die SKN St. Pölten Frauen zum siebten Mal in Folge Meister und zum achten Mal in Folge Cupsieger. Davon abgesehen hat sich jedoch jede Menge getan. Wir fassen das hier in drei Beobachtungen zusammen, aus denen sich drei Fragen für die Zukunft ergeben.

 

Die Zuschauer:innen sind da!

91.648 Zuschauer:innen sahen das Halbfinale der Champions League zwischen Barcelona und Wolfsburg. Der Ansturm der Interessierten am österreichischen Ligafußball spielt sich natürlich in gänzlich anderen Dimensionen ab, trotzdem wurde der Rekord für ein Meisterschaftsspiel diese Saison bereits mehrfach angehoben. Die erste vierstellige Zahl legten die LASK-Frauen in der OÖ-Liga vor, wo sie im Oktober im Anschluss an das Spiel der Herren gegen den WAC 1.130 Leute gegen Nebelberg nach Pasching empfangen konnten. Im November konnte dann Altach/Vorderland gegen Wacker Innsbruck auch ohne Männerspiel 1.100 Zuschauer:innen ins Schnabelholz locken. Zur richtigen Jagd auf den Ligarekord wurde am 7. Mai aufgerufen. Um 15:30 trafen SKN und Sturm im vorentscheidenden Spitzenspiel aufeinander, die durchgegebene Zuschauer:innenzahl war 1.111! Knapp, aber neuer Rekord. Doch bereits ein paar Stunden später, beim um 20:15 angepfiffenen Duell zwischen Altach/Vorderland und der Vienna blieben 1.648 Leute nach dem ausverkauften Männerduell von Altach und Ried im Schnabelholz. Am 20.5. durften dann noch endlich die Sturm-Frauen ihre Premiere im Stadion Liebenau austragen. Die Chance um den Titel war zwar dahin, doch die steirischen Fans feierten ihre Frauen nochmal und konnten mit 1.704 Besucher:innen den neuen Ligarekord stellen.

Die besten Durchschnittszahlen hat trotzdem Altach/Vorderland mit 673 und es ist nicht mal sonderlich eng. Auf den Rängen zwei bis vier drängen sich dann SKN (340), Vienna (315) und Sturm (303), dahinter folgen die restlichen Teams mit Durchschnitten rund von 130 (Altenmarkt) bis 97 (Bergheim). Das Konzept die Frauenteams im großen Stadion der Männer teils kombiniert mit einem Männerspiel stattfinden zu lassen ging vollinhaltlich auf. Dazu passend erklärte die Austria ihren Plan das Frauenteam nächste Saison in der Generali Arena spielen zu lassen.

 

(Text wird unterhalb fortgesetzt)

Vorarlberg mag Frauenfußball, Verlierer Cup

Der These, dass Vorarlberg das meiste Zuschauer:inneninteresse im Frauenfußball zeigt, kann durch die Zahlen aus der 2. Liga noch weitere Munition gegeben werden: Spitzenreiter ist hier der LFC Dornbirn (204) vor dem Wiener Sport-Club (171), Krottendorf (129), Rankweil (123) und den Carinthians (117). Eventuell ist das auch als Indiz zu lesen, dass das eine oder andere Spiel des Frauen-Nationalteams im Ländle zu spielen durchaus Sinn ergäbe. Potentielle Vorbereitungsspiele gegen die Schweizer Nati würden sich hierfür zum Beispiel anbieten.

Der große Verlierer war das Cupfinale - über viele Saisonen der absolute Aufmerksamkeits-Höhepunkt, war's doch oftmals der einzige Bewerb in dem der jeweilige Spitzenreiter wirklich herausgefordert werden konnte. Das Cupfinale 2012, bei welchem SKN-Vorgänger ASV Spratzern erstmals die damaligen Serienmeisterinnen Neulengbach besiegen konnte, war hier wohl der Wendepunkt. Und während 2021/22 in der Liga zeitweise im Wochentakt neue Rekorde aufgestellt wurden, sahen das Finale zwischen Sturm und SKN gerade mal 350 Leute. Mitgespielt haben dürfte dabei sicher auch die von Sponsoreninteresse geprägte Entscheidung gewesen sein, dass Finale im vom Frauenfußball eher unbeleckten Amstetten auszutragen, vor allen Dingen aber die bereits erwartbare Dominanz der St. Pöltnerinnen. Doch auch in den Runden davor war der Cup teilweise eine Nischenangelegenheit. Zu den Viertelfinalspielen am 2. April kamen insgesamt 204 Zuschauer:innen. Klassische David gegen Goliath-Spiele wie Weikersdorf gegen Sturm (400) oder Tennengau gegen Wacker Innsbruck (350) zogen etwas mehr Leute an und das Duell Wiener Sport-Club gegen Vienna (450) wird vermutlich in jedem Bewerb immer irgendwie funktionieren, aber ansonsten wird der Cup bei den Frauen immer mehr zu dem, was er bei den Männern wird: ein Afterthought.

 

(Text wird unterhalb fortgesetzt)

Der SKN ist einholbar...

Es war die in der Spitze vielleicht ausgeglichenste Saison seit 2013/14, dem Jahr des letzten Meistertitels Neulengbachs, wo sich ein gewisser FSK St. Pölten-Spratzern (später SKN) zum ersten Mal wirklich anschickte das Bollwerk aus dem Wienerwald zu entthronen, was ihnen das Jahr drauf dann auch erstmals gelang. Was die Sturm-Frauen jedoch 2018/19 bereits sanft andeuten konnten, machten sie diese Saison endlich wahr. In der Hinrunde konnten die Steirerinnen den Niederösterreicherinnen ein 1:1-Remis abringen, den Rest der Saison siegten beide Teams fast durchgehend im Gleichschritt. Erst ein Remis der Sturmfrauen auswärts bei der Vienna gab den SKN-Frauen den ersten Vorsprung.

Aber auch jener war nur zwei Punkte. Wenn die Sturmfrauen sonst weiter siegen könnten, wäre das alles im Rückspiel immer noch einholbar! Und sie siegten tatsächlich weiter, auch gegen die traditionellen Konkurrentinnen im Rennen um Platz 2, Austria und Neulengbach. Sie siegten nicht ganz so souverän wie die Niederösterreicherinnen, deren einziges erhaltenenes Tor weiterhin jenes aus dem Duell mit Sturm blieb, aber es konnte trotzdem keinen Zweifel daran geben, wer die großen Verfolgerinnen sind. Alles lief zu auf das direkte Duell, das Rückspiel im Frühling, am 7.5. Auswärts in St. Pölten zwar, ja, aber jedes Spiel beginnt bekanntlich mit 0:0!

 

...aber ist er es wirklich?

In jenem Spiel machten die SKN Frauen dann kurzen Prozess. Ein eindeutiges 4:0 stand am Ende zu Buche. In Wahrheit war ihre Hypo Niederösterreich-artige Dominanz weiterhin unbestreitbar, selbst die beste Saison des vermutlich stärksten SK Sturm Frauenteams aller Zeiten war gegen den Giganten von der Traisen letztlich zu wenig. Auch im bereits erwähnten Cupfinale sollten die Blackettes nur zweiter Sieger bleiben. Spannend wird jedoch sein, ob die immer stärker werdende Konkurrenz nachziehen kann.

Die Vienna wird dank potentem Hauptsponsor und immer professioneller Nachwuchsarbeit in den nächsten Jahren sicher ein ähnlicher Herausforderer für den SKN wie Sturm es jetzt schon ist. Altach/Vorderland hingegen macht durch starke Transfers wie den Zugang der PSG-Ersatzkepperin Charlotte Voll immer mehr von sich reden. Auch für die dominierenden St. Pöltnerinnen kann eine immer härtere Konkurrenz in der Liga letztlich nur gut sein, immerhin bedeutet eine stärkere Liga zumindest auch bessere Vorbereitung auf europäische Aufgaben. Ob all dies jedoch zu einem spannenderen Titelkampf führen kann, wird sich erst zeigen müssen. Aber die Chance, sie ist da.

 

Die Männerteams nehmen den Frauenfußball langsam ernst!

Spielgemeinschaften zwischen etablierten Frauenvereinen und größeren Männervereinen sind kein neues Phänomen, bereits von 1997 bis 1999 hatte sich der FC Tirol der traditionsreichen Frauenabteilung des Innsbrucker ACs angenommen (mittlerweile Wacker Innsbruck), auch der SK Austria Kärnten trug von 2009 bis 2011 die Frauensektion des FC St. Veit (mittlerweile Carinthians) und die Frauensektion von Sturm Graz hat ihre Wurzeln in einer SPG mit dem FC Stattegg. Doch die Anzahl dieser SPGs nahm diese Saison massiv zu, in der Bundesliga mit dem SCR Altach und dem FFC Vorderland, in der 2. Liga mit Blau-Weiß Linz und dem achtfachen Meister Union Kleinmünchen, in der OÖ-Liga mit Vorwärts Steyr und der traditionreichen SPG Wolfern/Garsten. Großes Vorbild waren in allen Fällen sicherlich die bisher öffentlichkeiswirksamte SPG, jene zwischen Frauen-Rekordmeister USC Landhaus und Männerbundesliga-Rekordmeister FK Austria Wien, welche zu Beginn der Saison gelöst wurde und der Austria alleine einen Bundesligaplatz sicherte, während Landhaus sich in die zweite Liga einreihte. Für nächste Saison sind bereits zwei neue prominente SPGs angekündigt: in der OÖ-Liga zwischen der SV Ried und der SPG Weilbach/Antiesenhofen und in der 2. Bundesliga zwischen dem Floridsdorfer AC und (erneut) dem USC Landhaus.

Zu Alledem kommen natürlich auch die neugegründeten Frauensektionen der Männerteams wie dem LASK, dem GAK oder Austria Klagenfurt. Auch der SK Rapid wird vor dem Thema nicht mehr lange weglaufen können. Spätestens nach der nächsten Hauptversammlung, wo aus dem Fanclub Vorwärts Rapid heraus ein Antrag auf Weichenstellung in Richtung eines Frauenteams gestellt werden wird, wird bei den Hütteldorfern eine Entscheidung getroffen werden müssen (Hinweis: Mittlerweile hat Rapid bei der Hauptversammlung beschlossen, dass ein Konzept für eine Frauensektion mit Spielbetrieb bis 2024 umgesetzt wird). Allerspätestens dann stehen auch die bisherigen Frauenfußball-Verweigerer aus der Bundesliga wie Red Bull Salzburg, Wolfsberg, Hartberg oder WSG Tirol (die ihre SPG mit Rinn/Tulfes erst in der letzten Sommerpause aufgelöst haben) in Zugzwang

 

Ist das der Anfang vom Ende der reinen Frauenvereine?

Ein absolutes Inventar der jüngeren Geschichte des Frauenfußballs musste den Gang ins Unterhaus antreten: der unabsteigbare FC Südburgenland spielt zum ersten Mal seit 2003 nicht mehr erstklassig. Völlig überraschend kam die Entwicklung nach drei neunten Plätzen in Folge selbstverständlich nicht, aber es fällt trotzdem schwer hier nicht ein wenig einen Wechsel der Zeiten wahrzunehmen. Alleine wird es für die traditionellen Namen im österreichischen Frauenfußball immer schwerer. Altera Porta musste nach zwei sehr harten Saisonen als Schießbude der zweiten Liga den Gang ins Unterhaus antreten und mit dem 1. DFC Leoben konnte heuer ein weiterer großer traditioneller Name nicht mal mehr ein Bewerbsteam stellen. Mit Union Kleinmünchen und USC Landhaus wählten die zwei Vereine, welche in der Ewigen Tabelle immer noch weit voran stehen den Weg in die Spielgemeinschaften (Landhaus ja bereits zum zweiten Mal) und auch LUV Graz kooperiert bereits lose mit der immer stärker werdenden Frauensektion des GAK.

Sind die reinen Frauenvereine (und Vereine mit großer Frauen- und kleiner Männersektion) damit verpflichtet sich einem größeren Männerverein anzuhängen? Naja, nein. Serienmeister USV Neulengbach steht weiterhin wie ein Fels in der Brandung in der erweiterten sportlichen Spitze neben Sturm, Austria, Vienna und Altach/Vorderland. Auch der SKV Altenmarkt/Triesting konnte sich im Kampf gegen den Abstieg erneut behaupten. In der 2. Bundesliga waren die Wildcats Krottendorf bis zur letzten Runde Teil des Rennens um den Meistertitel gegen Kleinmünchen/Blau-Weiß und LFC Dornbirn und auch die Carinthians spielten ihre mittlerweile fast schon traditionelle Rolle als Teil des erweiterten Titelkampfes in derselben Liga. Leichter wird die Situation für die alten Namen und die reinen Frauenvereine jedoch sicherlich nicht.

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