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Rapid als "heimlicher Meister"? Nein, Herr Kühbauer

Vielleicht war es der Überschwang nach dem Sieg gegen den LASK und die daraus resultierende Fixierung von Platz 2: Rapid-Coach Didi Kühbauer ließ sich zu Aussagen verleiten, die der Realität schlichtweg nicht Stand halten. Vielmehr ist vermutlich die Sehnsucht nach einem Titel dafür verantwortlich.

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„Mit diesen Problemen, die wir über die ganze Saison hatten, dann auf Platz 2 zu landen und eigentlich der heimliche Meister zu sein, weil Salzburg einfach eine andere Liga ist“, sprach Dietmar Kühbauer nach dem Sieg gegen den LASK ins Sky-Mikrofon.

Mit dem ersten Teil des Satzes hat der Rapid-Trainer recht – die Hütteldorfer hatten über die gesamte Saison viele schmerzhafte Ausfälle zu verkaften, umgekehrt konnten junge Eigengewächse aufzeigen. Nur: Die Ausreden, Red Bull Salzburg wäre halt einfach eine andere Liga, dürfen eigentlich nicht gelten, sind ein alter Hut und schon die lediglich zwei Zähler, die die Austria 2012/13 in der letzten Saison, in der Salzburg nicht Meister wurde, holte, sind ein starkes Indiz dafür, dass der Meister auch schlagbar ist, wenn er – wie für Rapid diese Saison – unschlagbar ist. Doch es gibt noch mehr:

 

Rapid hat das zweitmeiste Geld. Punkt.

"Dass der in finanzieller Hinsicht Zweitbeste auch aller oben erwähnten Widrigkeiten zum Trotz in der Lage ist, das zweitbeste Team zusammen zu stellen, sollte kaum überraschen."

Der SK Rapid Wien ist, man kann es drehen und wenden, wie man will, der zweitreichste Klub der Liga. Mit Abstand nach hinten. Zwar muss auch immer die Relation zwischen Budget und Kaderausgaben bedacht werden, aber die letztverfügbaren Daten zeigen: Rapid gab 2018/19 (inkl. Europa League) 22,3 Millionen Euro für das Personal aus, der LASK (ohne Gruppenphase) 7,7 Millionen Euro. Das wird sich im umgekehrten Fall – Rapid ohne Europacup, LASK mit – nicht gänzlich umgedreht haben. Sprich: Dass der zweitreichste Verein auch Zweiter wird, ist alles andere als eine große Überraschung.Und natürlich hatte Rapid weniger als die Hälfte an Umsatz von Red Bull Salzburg vermeldet, aber in der letztverfügbaren Saison hatten die Hütteldorfer noch immer mehr Umsatz, als die aktuellen vier anderen Meistergruppenteilnehmer zusammen (!). Sprich: Dass der in finanzieller Hinsicht Zweitbeste auch aller oben erwähnten Widrigkeiten zum Trotz in der Lage ist, das zweitbeste Team zusammen zu stellen, sollte kaum überraschen, sondern eigentlich fast schon selbstverständlich sein.

(Artikel wird unterhalb fortgesetzt)

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Die Punkteteilung war ein Turbo für Rapid

Natürlich ist das Wettbewerbsformat nun einmal so, wie es ist - alle Klubs haben sich dazu bekannt. Aber nach dem Grunddurchgang hatte der LASK als Tabellenführer 14 (!) Zähler Vorsprung auf den SK Rapid Wien. Rapid holte in den neun Runden der Meistergruppe 18 Zähler, der LASK zwar nur zehn und verlor auch noch vier – rein sportlich hätte der LASK somit 60 Punkte, Rapid 58 (Der Vollständigkeit halber: Salzburg hätte bislang 71 Zähler erspielt und wäre immer noch klarer Meister).

Es braucht kein Wissen in höherer Mathematik, dass über die Saison gesehen die Athletiker mehr Punkte gehamstert haben als Rapid. Nicht dass die Fußballwelt die Unleistungen der Oberösterreicher in der Meistergruppe nicht mit einer gewissen Häme entgegen treten würde, noch eine Runde aussteht und nach dieser Rechnung Rapid auch rechnerisch noch insgesamt „Zweiter“ werden kann, aber sagen wir so: Das neue Format trägt nicht wenig schuld am zweiten Platz für Rapid.

"Einen Großteil der Punkte, der den Hütteldorfern nun Platz zwei bescherte, holte man gegen die Teams aus der Qualifikationsgruppe."

Leistungsvermögen

Somit kommt das Sportliche. Spielerisch ist klar, dass Rapid hierbei im Hintertreffen ist gegenüber Salzburg, aber auch dem LASK und dem WAC. Das war auf dem Feld ersichtlich, aber auch anhand der Spiele des Grunddurchgangs. Rapid holte in den zehn Duellen mit den Vertretern der Meistergruppe nur elf Punkte. Der WAC 14, der LASK 20, Salzburg 21. Einen Großteil der Punkte, der den Hütteldorfern nun Platz zwei bescherte, holte man gegen die Teams aus der Qualifikationsgruppe. Klar, diese Siege bzw. Punkte sind natürlich notwendig, aber es illustriert das Leistungsvermögen. Rapid konnte im Grunddurchgang nur zwei Siege (Sturm, LASK) holen und fünf Unentschieden. Das heißt zwar, dass man die Hausaufgaben gemacht hat und quasi endlich auf den Dorfplätzen punktet, aber umgekehrt gegen die spielerisch überzeugenderen Teams weniger punktete. Und zwar überwiegt die normative Kraft des Faktischen, aber der LASK hätte in der Meistergruppe gemessen an den Chancen durchaus mehr Punkte holen können, Rapid hat eher das Maximum herausgeholt.

 

Desktruktive Spielweise

Wie das funktionierte? Rapid hat auf eine destruktive Spielweise umgestellt und den spielerisch stärkeren Teams mit einer Taktik, die eher an den SKN St. Pölten erinnerte, Punkte abgeknöpft. Wie nachhaltig diese Spielweise ist und ob sie auch vor Fans funktioniert, ist offen und kann tendenziell eher verneint werden.

 

Strategie: Sehnsucht statt Fakten

Vermutlich wird man bei Rapid diese Dinge intern auch wissen, aber öffentlich anders auftreten. Wer sich die Spiele der Grün-Weißen angesehen hat, wird schon wissen, mit welcher Art Fußball man Zweiter wurde. Bei der Aussage von Kühbauer schwingt halt auch die Sehnsucht mit, dass man endlich doch so gerne wieder Meister wäre, also blendet man Salzburg einfach aus. Und hier gilt: Der erste Teil des Satzes ist verständlich, die pure Existenz der Bullen zu negieren, nicht. Aber derzeit dominiert bei Rapid die Sehnsucht als Strategie, da die Fakten eher gegen einen sprechen.

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