Taktik / Q4

Spiel-Analyse Austria Wien gegen AC Milan: Gute Idee, schlampige Ausführung (2)

Die Austria verliert gegen AC Milan wie im Hinspiel mit 1:5. Dabei waren die Ideen von Thorsten Fink eigentlich brauchbar. Die stärkere individuelle Klasse und die schlampige Ausführung ermöglichten aber einen weiteren deutlichen Sieg der Italiener.

Die Passivität trug Früchte, bis...

Austria bekam Probleme mit ihrer Passivität als Milan begann mit ein, zwei Kontakten zu spielen und schneller vom Flügel wegzukommen. Calhanoglu, Biglia und Kessie unterstützten ab der zehnten Minute die Flügelspieler, sie kombinierten sich öfter frei und hatten Passstaffetten in höheren Zonen. Dies zwang die Austria zum Zusammenziehen der Mannschaftsteile, was Rodriguez ballfern befreite. Durch Verlagerungen in den ballfernen äußeren Halbraum zu ihm und einem Dynamikvorteil ergaben sich dann aussichtsreiche Angriffe für die Mailänder. Zudem wandte man das beste Gegenmittel gegen Mannorientierungen an: Bewegung. Cutrone und Kessie wechselten dynamisch die Position, was Räume öffnete, die Milan recht direkt bespielte und von dort auch hohes Tempo aufnahm.

 

Abbildung 3: Alle haben den Ball im Blick, niemand sieht Rodriguez an der zweiten Stange. Bessere Körperposition hätte das Sichtfeld erweitert und das Tor womöglich verhindern können.

Abbildung 4: Auch bem 3:1 haben alle Spieler ihre Blicke auf den Ball gerichtet, Cutrone (#63) kann das Tor erzielen. Einzig de Paula hätte hier wohl dazurücken können, doch Kadiris "Ballwatching" war auch nicht vonnöten.

Die flügelzentrierten Angriffe Milans trugen nach erhöhter Dynamik und Überladung auf rechts nach 28 Minuten Früchte: Der 1:1 Ausgleich fiel nach längerer Ballzirkulation Milans, wo nach Ballverlust der Ball im Gegenpressing zurückgewonnen wird. Borini schlägt eine Flanke auf die zweite Stange, wo Rodriguez völlig frei zum Schuss kommt. Alle verteidigenden Spieler hatten ein schlechtes, ausschließlich auf den Ball gerichtetes Sichtfeld, weshalb Rodriguez unbemerkt in den ballfern in die Box laufen konnte. Auch beim 3:1, das in der 42. Minute fiel, zeigte die Austria eine schlechte Strafraumverteidigung. Innerhalb von 15 Sekunden wechselte Milan drei Mal die Seiten, was zu Orientierungs- und Zuordnungschwierigkeiten bei den Veilchen führte, die die Mailänder geschickt nutzen konnten. Das 2:1 fiel in der 36. Minute, als André Silva einen flachen, abgefälschten Freistoß vor die Füße bekommt und ins Tor schoss.

 

Austrias Konterfokus

Die Austria versuchte nach Ballgewinn schnell umzuschalten, hatte hierbei Monschein als Zielspieler, Prokop sollte unterstützend höher agieren, während Pires weiträumig nachrückte. Problematisch war, dass Monschein dennoch gegen die gesamte, physisch starke Dreierkette der Mailänder oft auf sich allein gestellt war. Er hatte Schwierigkeiten diese hohen Bälle festzumachen oder weiterzuleiten, er ist auch schlicht und einfach nicht der Spielertyp dafür. Selbst, wenn man Holzhauser als guten Passgeber hatte, war es dennoch schwierig, Konter zu realisieren. In Halbzeit eins schaffte man es dennoch über die Flügel, den Raum hinter den hoch agierenden Milan-Wingbacks zu bespielen. In der 20. Minute ging die Austria in Führung, nachdem Holzhauser, auf den Flügel herausgekippt, nicht unter Druck gesetzt wurde und den in die Tiefe startenden Monschein anspielen kann. Das 1:0 für die Austria war die Folge.

Dennoch muss gesagt werden, dass die Austria den Großteil ihrer Konterchancen gegen Milan sehr schwach ausspielte und eigentlich harmlos für das Gehäuse von Donnaruma waren. Dies zeigt auch die Statistik der "Expected Goals" (siehe Tweet unterhalb). Milan hatte hier einen deutlich höheren Wert als die Austria, die nur zwei Abschlüsse innerhalb des Strafraums vorfinden konnte. Die Größe der Punkte, die die Schüsse darstellen, zeigen auch die Tor-Wahrscheinlichkeit an. Je größer der Punkt, desto höher der "Expected Goals"-Wert und desto höher die Qualität der Chance. Prinzipiell hat die Austria geeignete Spielertypen dafür und Holzhauser kann hervorragende Pässe in die Tiefe spielen. Jedoch ist die Unterstützung zahlenmäßig oft nicht ausreichend, zudem kommen unpassende Entscheidungen dazu, die Dynamik aus den Angriffen nahmen und den fleißig zurückkommenden Mailändern das Verteidigen vereinfachte. So verflachten die Konterversuche der Austria und man konnte kaum Abschlüsse generieren.

 

Von Rotationen, Abkippen und sonstigen Unbalanciertheiten

Im Ballbesitz agierte Prokop eingerückt, de Paula gab die Breite. Auf links schob Salamon bisweilen in den Achterraum und band Borini, dessen Mannorientierung zu einer 4-4-2 Staffelung der Mailänder führte. Das Hineinkippen Salamons balancierte Holzhausers Abkippen, weshalb man so weiterhin das Mailänder Mittelfeld binden und Seitenverlagerungen, für die meist Holzhauser zuständig war, auf den befreiten Pires spielen konnte. Salamons Durchlaufen im Halbraum wurde jedoch nur suboptimal eingebunden. Folgebewegungen gab es dann in weiterer Folge nicht zu sehen. Zwar funktionierte der Mechanismus per se, jedoch hätten auf das Freispielen von Pires Bewegungen in den von Salamon frei gezogenen Raum folgen müssen. Hier mussten jedoch dann meist individuelle Aktionen gestartet werden, die Milan ohne große Probleme verteidigen konnte.

 

Abbildung 5: Auf Serbests Abkippen wird nicht richtig reagiert, das Zentrum bleibt unbesetzt. Dies ist auch nicht Absicht, um das Milan-Mittelfeld auseinanderzuziehen um einen Passweg zu Monschein zu schaffen. Denn dieser bewegte sich nie in diese Lücke.

Die Positionswechsel von Salamon und Pires in Kombination mit dem Abkippen Holzhausers hatten eine löchrige Staffelung zu Folge. Holzhauser war dann teilweise hinter Pires fast auf der Seitenlinie, während Salamon höher als Pires im Halbraum positioniert war. Hinter Holzhauser war der Raum offen, die Restverteidigung der Austrianer war hier schwach organisiert und man schob nicht zu, weshalb Milan einige Male diese Löcher bespielen konnte. Die Positionstäusche und das Abkippen der zentralen Mittelfeldspieler sind zwar durchaus interessante Mittel, die Violetten schaffen es jedoch seit über einem Jahr nicht, diese balanciert einzubringen und die Restverteidigung darauf abzustimmen. Instabile Staffelungen sind die Folge, wie sie auch beim 4:1 in der 69. Minute ausgenutzt wurde.

 

Abbildung 6: Gluhakovic und Pires rotieren Positionen, Alhassan kommt dazu um zu unterstützen. Holzhauser steht vor Serbest und fordert den Ball. De Paula gibt zu viel Breite, es bleiben zwei Austrianer in der letzten Linie übrig. Von "Positionsspiel" keine Spur.

>>> Weiterlesen - Seite 3: Das Tempo und die individuelle Klasse Milans waren zu hoch

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