Foto: © GEPA Reportage / 2017 / Juli

Quo Vadis, Frauenfußball? Die Probleme hinter der EM-Euphorie

Während die Frauen-Nationalmannschaft in den letzten Monaten mit ihren Erfolgen für Begeisterung sorgte, zeigt sich in der Breite ein anderes Bild. Hier kämpfen Jahr für Jahr Frauenteams um die Existenz. Von Stefan Berndl

Reportage Frauenfußball in Niederösterreich: Seite 1 - Seite 2Seite 3

 

Niederösterreichs Verband pocht auf Mädchenmannschaften

Polsterer weiß um die Probleme, und pocht vor allem darauf, dass die Vereine ein eigenes Mädchen-Nachwuchsteam installieren. „Wir sind jetzt daran, dass wir den Vereinen klarmachen müssen, dass es ohne eigenen Nachwuchs nicht geht. Das ist ein Ziel bis 2020, dass jeder Verein mit einer Frauenmannschaft eine eigene Mädchenmannschaft hat. Ob das Ziel durchführbar ist, wird man sehen, aber man muss irgendwo einmal anfangen. Aktuell sind es 504 aktive Spielerinnen zwischen 15 und 18 Jahren, die in Niederösterreich regelmäßig Fußball spielen (Siehe Grafik). Knapp doppelt so viele sind es bei den über 19-Jährigen. Diese Zahl stieg in den letzten Jahren stets an, Polsterer sieht nun aber – auch aufgrund der vielen Mannschaftsauflösungen – „einen Punkt, wo wir einen wenig stehen bleiben.“

Eines der Hauptanliegen, das sowohl Neulengbach als auch St. Pölten vereint, ist die Forderung nach einem zentralen Ligasponsor. Der Sinn und Zweck? Eine gerechte Geldverteilung. Polsterer unterstützt dieses Anliegen: „Wenn der ÖFB nicht in das Dilemma kommen will, dass man in der Bundesliga plötzlich keine Teams mehr hat, muss er sich etwas einfallen lassen. Ich glaube, dass es ohne einen Generalsponsor nicht mehr gehen wird.“ Zu groß sei teilweise der finanzielle Aufwand, zu gering die vorhandenen Mittel.

Wirnsberger nennt ein Beispiel, rechnet vor: „Etwa mit dem Bus nach Vorarlberg, das kostet 1.800 Euro. Dann muss man dort übernachten, essen. Und man ist insgesamt zwei Tage unterwegs. Mit 4.000 Euro kommt man da wohl nicht durch. Das sind Kosten, die man erst aufstellen muss. Und da hat man aber gerade erst den Spielbetrieb beisammen.“ Worüber man sich in Neulengbach vor einigen Jahren noch keine großen Gedanken machen musste, ist jetzt umso problematischer. Für viele andere Teams waren und sind diese Probleme Alltag. Dass man trotz allem gute Arbeit leisten kann, zeigt etwa der dritte niederösterreichische Verein in der Frauenliga: Der SKV Altenmarkt. Der Sechstplatzierte der abgelaufenen Saison ist weiterhin mit zwei Frauenteams am Start. Und das durchaus erfolgreich. Dies ist aber meist leichter gesagt, als getan. Schmaus hofft daher auch, dass die vielen Versprechen nach einer Förderung des Frauenfußballs „nicht nur Lippenbekenntnisse sind.“

Der Erfolg des Nationalteams müsse, so die Verantwortlichen in Niederösterreich, nun genutzt werden.

Die Frauen-Europameisterschaft als große Chance

Denn die Probleme im Hintergrund werden nicht verschwinden. Die mangelnden Geldmittel, die dadurch bedingten infrastrukturellen Schwierigkeiten, das noch immer teils belächelte Image des Frauenfußballs in der Öffentlichkeit. Polsterer hat dafür eine Lösung parat, die aktuell eher wie eine Träumerei wirkt: „Jeder Bundesligaverein braucht eine Frauenmannschaft. Wenn wir das schaffen, dann wird auch die Qualität im österreichischen Frauenfußball deutlich höher sein.“

Gerade im Windschatten der Fußball-EM sei die Chance so groß wie nie, Veränderungen und Förderungen anzustoßen um langfristig etwas zu bewirken. „Diese Europameisterschaft ist ja ein Riesenfortschritt, aber warten wir, was danach passiert. Ob der Frauenfußball dann wieder in der Versenkung verschwindet wie zuvor“, hofft Polsterer, dass der Schwung mitgenommen wird: „Jetzt müssen wir das schnappen und diesen Hype, den das Nationalteam auslöst, positiv für den Frauenfußball nutzen.“ Daher wird dem österreichischen Frauenteam in den Niederlanden natürlich die Daumen gedrückt. Denn im Erfolgsfall könne das, so Polsterer, „ein enormer Boom werden.“

 

Anmerkung: Die ausführlichen Interviews mit Wilfried Schmaus (SKN St. Pölten Frauen), Thomas Wirnsberger (SV Neulengbach) und Gerhard Polsterer (NOEFV) werden im Laufe der kommenden Tage auf 90minuten.at veröffentlicht.

Schon gelesen?