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Thomas Letsch: "In drei Jahren werden wir uns über mindestens einen Austria-Titel unterhalten" (3)

17 Punkte, ein Tor pro Runde - nach dem großen Umbruch im Sommer ist Austria Wien noch nicht dort, wo Trainer Thomas Letsch sein möchte. Im Interview mit 90minuten.at spricht er über die Gründe und verspricht einen Titel in den nächsten drei Jahren.

90minuten.at: Braucht das einfach Zeit? Worauf haben Sie sich im Training konzentriert?

Letsch: Automatismen kommen vor allem, wenn ich in gleichen Konstellationen zusammen spiele. Links hinten haben wir mal mit Cuevas, mal mit Salomon gespielt. Cuevas kam erst später, in der Innneverteidigung mussten wir auch immer wechseln, im vorderen Bereich lag es an den Verletzungen, dass wir durchwechseln mussten. Ich kann es nur immer mit der Meistersaison der Austria vergleichen. Da hat fast immer die gleiche Mannschaft gespielt. Das hilft schon sehr, wenn man immer zusammen spielt. Im Training hatten wir einen Schwerpunkt auf Laufwege offensiv wie defensiv. Aber ich würde lügen, würde ich sagen, dass ich zufrieden bin. Es ist noch nicht so, wie wir uns das vorstellen.

 

90minuten.at: Die Austria hat eine gewisse Erwartungshaltung an sich und von außen. Die tiefstehenden Gegner – was macht man mit denen? Anrennen, bis sie einen Fehler machen oder sich selbst einmal zurück ziehen?

Letsch: Nach dem Altachspiel haben wir drüber diskutiert, dass es interessant wäre, wenn wir uns einfach bis zur Mittelllinie zurückziehen würden und dem Gegner den Ball überlassen. Das ist aber nicht die Austria, das ist nicht das, was sich irgendjemand erwartet. Diese Option ist für uns keine. Wir müssen diese Rolle annehmen. Wir beschäftigen uns viel damit, Lösungen zu finden. Was uns helfen würde, wäre einmal ein frühes Tor. Wir rennen eigentlich immer dem Tor hinterher, bekommen dann durch einen Konter oder eine Unachtsamkeit ein Tor. Damit müssen wir uns auseinander setzen. Es geht immer darum, weiter nach vorne Lösungen zu finden und den Riegel aufzureißen. Aber alle haben auch richtig gute Konterstürmer, wir müssen auch gut absichern.

 

90minuten.at: Wenn es aber irgendwann so nicht mehr funktioniert, gibt es original einen der gehen muss – Sie, der Trainer. Braucht es nicht diesen Pragmatismus?

Letsch: Es kann sein, dass der Punkt kommt, noch ist er nicht da. Wir haben das eben diskutiert, aber im Moment wollen wir unser Ding durchziehen. Das Ziel ist es, dass wir agieren.

Letsch weiß, was Daxbacher vor hat.

90minuten.at: Wir werden sehen, ob der Punkt kommt.

Letsch: Nehmen wir Innsbruck her: Die haben gegen den LASK als tief stehende Mannschaft gewonnen. Gegen Salzburg haben sie die gleiche Taktik gewählt, haben 1:1 gespielt. Da ist die Wahrscheinlichkeit relativ groß, dass sie es am Wochenende genau so angehen. Jetzt können wir hinfahren und es genau so machen. Oder wir sind so selbstbewusst und wollen Lösungen finden, zu Torchancen kommen.

 

90minuten.at: Inwiefern spielt die Austria heute anders als bei Ihrem Antritt?

Letsch: Als ich im März kam, war es für mich relativ einfach. Die Situation war so, dass wir die ersten zwei Spiele gegen Teams hatten, die relativ weit unten stehen. Ich will gar nicht werten, was mein Vorgänger gemacht hat, für mich ging es um Intensität, sprinten und gegen den Ball. Ein Highlight war das Spiel gegen Sturm Graz. Es war aber auch klar, dass es noch mehr Facetten braucht. Wir spielen anders als unter Thorsten Fink, wir haben eben andere Ansichten. Aber wir spielen noch lange nicht den Fußball, den ich mir vorstelle. Im Derby haben wir das größtenteils gezeigt, auch in Hartberg. Da haben wir konstant dominiert. Beim WAC war es auch ganz gut, aber immer nur in Ansätzen. Wir müssen dahin kommen, dass man zu 80 Prozent sieht, wie wir spielen wollen.

 

90minuten.at: Es wird gerne über die Handschrift des Trainers diskutiert. Ein Klub mit vielen Mitteln tut sich leichter, das zu machen. Guardiola kann sich die Spieler aussuchen. Gilt das auch bei der Austria, dass die Handschrift des Trainers im Vordergrund steht?

Letsch: Ich war fünf Jahre in Salzburg. Mein Job war es, die Spielphilosophie von Ralf Rangnick von unten bis zum FC Liefering zu implementieren. Wie das Pressing und das Fokussieren auf das Spiel gegen den Ball aussieht, ist bekannt. Das kann ich hier nicht eins zu eins machen, will ich auch nicht. Ein Spieler wie Alex Grünwald hat ganz andere Stärken. Aus ihm werde ich keine Pressingmaschine machen. Aber ich habe Vorstellungen, wie ich spielen lassen will und einen Kader – ich versuche das so zu vereinen, dass das Maximale dabei rauskommt. Am Schluss geht es aber um Punkte. Aber einfach ein System überzustülpen und es durch zu ziehen wäre völlig falsch. Bei der Kaderzusammenstellung gab es auch die Überlegung, weil wir zu viele Tore bekommen hatten, auf eine Dreierkette umzustellen. Wir haben uns mit Innenverteidigern schwer getan. Dann hatten wir die Möglichkeit, drei aus meiner Sicht sehr gute zentrale Mittelfeldspieler zu bekommen. So hat sich dann auch die Systematik mit drei Sechsern ergeben. Das brachte Stabilität. Es ergeben sich immer Dinge aus dem Kader. Wenn Max Sax als Flügelspieler weg fällt, ist es schwierig, über die Flügel zu kommen. Es ist dann immer ein Kompromiss, aber nicht so, dass es mit dem, was ich machen will, gar nichts zu tun hat. Ich adaptiere meine Ideen mit dem Spielermaterial.

 

90minuten.at: Die Austria verfolgt ja auch im Nachwuchs einen anderen Ansatz als Salzburg, es geht mehr um das Spiel mit dem Ball. Geschichte verpflichtet. Denken Sie das auch mit?

Letsch: Ich habe dem Verein schon gesagt, wofür ich stehe. Es ist kein Geheimnis, dass mir das Spiel gegen den Ball, Umschalten und Gegenpressing recht wichtig sind. Mir ist es lieber, auch einmal riskanter vertikal zu spielen und nicht 70 Prozent Ballbesitz zu haben, um nur den Ball zu haben. Der schöne, stilvolle Fußball ist heute auch anders als früher. Mir liegt der Stil von Liverpool näher als Barcelona, wie sie jetzt spielen.

 

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