Marcel Koller: 'Das Lockere kann ich nicht brauchen'
In einem lesenswerten Interview mit der Tageszeitung „Die Presse" spricht Teamchef Marcel Koller über österreichische Eigenheiten, den Wert von Disziplin, warum 80 Prozent Leistung nicht reichen und er das lockere „passt scho" nicht brauchen kann.
Selten hat sich Marcel Koller über den Zustand des Nationalteams vor seiner Ära so direkt geäußert wie in einem aktuellen Interview mit der Presse. Auf die Frage, ob ihm in Österreich generell die Zielstrebigkeit fehle, antwortete Koller: „Wenn ich mir die erfolgreichen Skifahrer ansehe, dann stimmt das so pauschal natürlich nicht. Mir ist aber zu Beginn der Zusammenarbeit mit dem Team aufgefallen, dass den Spielern 80 Prozent gereicht haben. Aber wenn du nur 80 Prozent gibst, kann es sein, dass du in der 90. oder 92. Minute ein Tor bekommst." Und Koller ergänzt: „Bei meinem ersten Spiel als Trainer der Nationalmannschaft in der Ukraine 2011 hat das Team gut gespielt, es war besser als das gegnerische. Sie waren 1:0 im Rückstand, schossen dann das 1:1, und in der 92. Minute bekamen sie dann doch noch ein Tor. Da habe ich gesagt: „Daran müssen wir arbeiten." Das Lockere kann ich nicht brauchen. „Passt scho" kannst du sagen, wenn du das Ziel erreicht hast."
„Konkurrenzkampf einfach härter"
Kein Geheimnis ist mittlerweile der Umstand, dass Koller auf Spieler aus dem Ausland setzt. Nur wenige Spieler aus der österreichischen Liga schaffen es in den Kader bzw. die Startelf. Koller über die wertvolle Erfahrung, die man im Ausland sammelt: „Du merkst jede Erfahrung. Wenn du in eine Topliga ins Ausland wechselst, musst du dich jedenfalls durchsetzen können, denn in Deutschland nimmst du als Österreicher einem Deutschen den Platz weg. Der Konkurrenzkampf in einer Topliga ist einfach härter. Nehmen wir das Beispiel David Alaba und Bayern München: Da warten auf der Bank immer fünf, sechs andere auf ihren Einsatz. Alaba war zuletzt drei Monate verletzt. Er musste hart arbeiten, um wieder zurückzukommen. Da kann man sich keinen großen Lebenswandel leisten: keine Partys, kein Weggehen."
„Die nächsten fünf Minuten nach dem Tor sind die schwierigsten"
Koller spricht auch über die schwierigsten fünf Minuten in einem Spiel. Und zwar jene fünf Minuten nach einem Tor der eigenen Mannschaft: „Bei Montenegro haben wir ungefähr 15 Minuten vor Schluss das Tor gemacht, und die Gegner hatten noch Möglichkeiten. Das Stadion hat da gebebt. Für mich als Trainer ist es ein Problem, wenn die Nervosität sich auf die Spieler überträgt. Die Mannschaft darf nicht plötzlich etwas anderes machen, als vorher ausgemacht war. (...) Einen entscheidenden Fehler kannst du immer wieder sehen: Ein Spieler schießt ein Tor vielleicht in den letzten fünfzehn Minuten, endlich ist es passiert, die Mannschaft ist zufrieden und lässt nach. Und der Gegner macht dann womöglich in den nächsten fünf Minuten ein Tor. Die nächsten fünf Minuten nach dem Tor sind also die schwierigsten."
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