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Paul Scharner über "menschliche Erniedrigung" bei der Austria

Im Interview mit dem Standard erzählt Paul Scharner über das Ritual des "Pasterns", das er bei der Austria 2001 als junger Profi über sich ergehen lassen musste.

Bereits 2015 gab es rund um die Veröffentlichung des Scharner-Buchs "Position Querdenker: Wie viel Charakter verträgt eine Fußballkarriere?§ gab es ein wenig Aufsehen um die Passage, in der Scharner beschreibt, wie er das Ritual des "Pasterns" im Jahr 2001 als junger Profi der Austria über sich ergehen lassen musste.

Im Interview mit dem Standard, der die aktuelle Debatte - Stichwort Nicola Werdenigg (Lesetipp) - losgetreten hat, spricht Scharner über die Reaktionen auf das Buch zum Thema Pastern im Jahr 2015: "Ich wurde sogar als Nestbeschmutzer beschimpft, weil ich ein System kritisierte, in dem junge Persönlichkeiten gebrochen werden sollen. In meinem Umfeld wurde das verharmlost. Es hieß, das muss man aushalten. Manche meinten sogar, das ist eh superlustig."

 

"Ich war gegen zehn Mann chancenlos"

In dem Buch beschreibt Scharner das Ritual wie folgt: "Ich war gegen zehn Mann chancenlos. Sie nahmen nicht einmal Rücksicht auf meine Brille. Ein randloses Modell, das im Kampf splitterte. Ich versuchte, mich zu wehren, aber es waren zu viele Hände. Sie banden mich an Füßen und Händen mit Tape fest. Auf dem Bauch liegend wurde ich in die Matratze gedrückt, sie saßen auf mir, und ich bekam kaum Luft. Wenn man sich wehrt, wird es schlimmer ... Es war sinnlos dagegenzuhalten. Vielleicht hätte ich mir vorher ein Pfefferspray besorgen sollen. Dieser Demütigung würde ich mich heute widersetzen. Sie schmierten mir reichlich schwarze Schuhcreme auf den entblößten Hintern und schlugen mit Badeschlapfen auf mich ein. Das Lachen meiner Kollegen war noch einmal eine Demütigung. Nach dem Pastern wurden mir auch noch die Haare abrasiert." 

 

"Menschliche Erniedrigung"

Den Abend hat Scharner danach verdrängt, erzählt er dem Standard: "Ich habe den Abend abgehakt und daraufhin eine gesunde und ungesunde Aggressivität gegen das System entwickelt. Ich hätte mit den Leuten, die mich damals quasi gefoltert haben, nachher noch auf ein paar Bier gehen sollen, um das bestandene Aufnahmeritual zu feiern. Gefordert vom damaligen Trainer. Das war der absolute Wahnsinn, ich habe das natürlich verweigert", so Scharner, der ergänzt: "Pastern" bedeutet menschliche Erniedrigung, mit gravierenden Folgen. Bei mir ist der Vorfall insofern glimpflich ausgegangen, weil ich keine Tube anal eingeführt bekommen habe. Dafür haben sie mir die Haare an manchen Stellen komplett abrasiert. Das Schlimmste war das Duschen nachher. Ich musste mir Schuhcreme abwaschen, und es blieb mir nichts anderes übrig, als eine Stoppelglatze zu schneiden."

 

"Hoffentlich ist der richtige Zeitpunkt"

Scharner glaubt zwar, dass diese Rituale mittlerweile weniger oft vorkommen, aber noch immer nicht ganz verschwunden sind. "Hoffentlich ist jetzt der richtige Zeitpunkt. Die Frage ist nur: Was prangern wir an? Nur einzelne Personen? Dann ändert sich nichts. Das System dahinter muss sich wandeln und von oben verordnet werden", schließt der ehemalige HSV- und England-Legionär das lesenswerte Interview ab. 

 

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