208 Seiten Alte Dame
In „La Fidanzata – Juventus, Turin und Italien“ blickt die deutsche Sportreporterin Birgit Schönau hinter die Kulissen des italienischen Rekordmeisters.
Von Jürgen Zacharias
Es gibt Mannschaften, die sind weder Schwarz noch Weiß. Die werden als Gegner wahrgenommen, wenn sie sportlich reüssieren. Und als Punktelieferant abgetan, wenn sie das nicht tun. Die rufen bei lokalen Rivalen keine besonderen Emotionen hervor und haben auch sonst nichts an sich, was sie für Fans anderer Vereine irgendwie interessant und greifbar macht.
Und dann gibt es Teams, deren bloße Namensnennung schon polarisiert. Die geliebt oder gehasst werden, Länder und Regionen spalten und die damit so etwas wie das Salz in der Suppe des globalen Kicks sind. Bayern München gehört zu dieser Kategorie, aber auch Manchester United, Real Madrid, der FC Barcelona, Paris St. Germain und natürlich Italiens Rekordmeister Juventus Turin.
Das besondere an der „Alten Dame“: Während andernorts Investoren aus aller Herren Länder den Fußball in eine gigantische Unterhaltungsindustrie verwandeln, ist die Juve seit mittlerweile fast 100 Jahren in erster Linie Familienbetrieb. Natürlich können sich auch die schwarz-weißen Turiner dem modernen Fußball nicht verschließen (mit dem neuen marketingoptimierten Wappen/Logo beschreiten sie die Entwicklung sogar federführend), in ihren Grundfesten blieben sie trotzdem traditionell. Seit dem Jahr 1923 hält die Industriellenfamilie Agnelli das Juve-Steuer fest in Händen und das ungeachtet von sportlichen Höhenflügen (unter anderem 34 Scudetti und zwei Landesmeister-/Champions League-Titel) und brutalen Abstürzen wie dem Abstieg nach dem Manipulationsskandal 2006.
In „La Fidanzata – Juventus Turin und Italien“ holt Birgit Schönau die Aufs und Abs des Turiner Spitzenklubs von den Anfängen 1897 bis zum kometenhaften Wiederaufstieg mit zwei Champions League-Finalteilnahmen 2015 und 2017 ins Hier und Jetzt. Die Italien-Korrespondentin der Zeit und Sportreporterin der Süddeutschen Zeitung geht dabei durchaus ins Detail, ohne sich allerdings darin zu verlieren. Auf den insgesamt 208 Seiten werden die wichtigsten Stationen der Vereinsgeschichte ausgeleuchtet, verdiente Spieler und Trainer wie Giovanni Trapattoni, Paolo Rossi, Michel Platini, Boniperti, Zinedine Zidane, Andrea Pirlo und Alessandro Del Piero bekommen Kurzporträts. Und bei ihrem Blick hinter die Kulisse des italienischen Rekordmeisters entdeckt Birgit Schönau auch durchaus Überraschendes: Kardinäle beispielsweise, Revolutionsführer, Königssöhne und Kommunisten. Und so manch Familientragödie, die Juves Geschichte massiv mitbeeinflusste. Lesenswert!