Marcel Koller: 'Bei den Bayern spielt Alaba eine Rolle, die bei uns nicht so funktioniert'
Teamchef Marcel Koller spricht im Interview mit Sky Sport News HD über die Rolle der Legionäre, die Spielphilosophie im Nationalteam und warum es gut wäre, wenn Alaba bei den Bayern im zentralen Mittelfeld spielen würde.
Marcel Koller über...
...Marc Janko und seinen Wechsel zu Basel: „Marc Janko ist damals zurückgeflogen nach Sydney und hat gemerkt, dass er nicht mehr erwünscht ist. Das ist eine schwierige Situation, er hat das schon mal erlebt bei der WM-Qualifikation gegen Schweden. Damals hat er sich schwer verletzt und danach lange keinen Verein gefunden. Auch gegen Russland hatte Janko ähnliche Gedanken, er wusste, dass er sich nicht verletzten durfte. Mit dem Tor hat er seine Leistung aber gekrönt. Für uns ist es natürlich gut, dass er einen Verein gefunden hat wo er gerne unterschrieben hat. Die kürzeren Wege bei der Anreise bedeuten mehr Erholung. Wir hoffen natürlich, dass er das bei uns am Platz umsetzen kann."
...David Alaba und seine Rolle bei den Bayern: „David Alaba braucht bei uns immer eine gewisse Zeit bis er im Zentrum wieder zurechtkommt. Zwei, drei Tage sind bei uns eine lange Zeit, wir haben nicht so viel Zeit mit der Mannschaft. Wenn du immer auf deiner Position spielst und dich dort wohl fühlst, dann wäre er gleich drinnen. Bei den Bayern spielt er eine defensivere Position. Bei den Bayern haben sie für David eine Rolle kreiert, die bei uns nicht so funktioniert. Für uns wäre es natürlich gut, wenn er bei den Bayern eine zentralere Position spielen würde."
...Christian Fuchs Rolle bei Leicester und seinen Wechsel nach England: „Ich denke Christian Fuchs ist nicht wegen dem Trainer gewechselt, das ist die Entscheidung vom Spieler. Man muss die Leistung auf den Platz bringen, wenn die passt, dann spielt man bei jedem Trainer. Ich glaube nicht, dass ein Trainer jemanden bevorzugt, weil er Engländer ist. Wenn beide genau gleich gut sind, dann muss man eine Entscheidung treffen. Wenn der Trainer glaubt er kann mit Fuchs gewinnen, dann wird er mit ihm planen."
...Martin Hinteregger: „Martin Hinteregger hat bisher unsere Vorgaben perfekt umgesetzt. Er ist noch ein sehr junger Spieler auf seiner Position, trotzdem spielt er bereits ruhig und abgeklärt. Er wird noch mehr Erfahrung sammeln und noch besser werden. Wir wissen nicht, ob er in einer europäische Liga wechseln wird. Wenn es ihm bei Salzburg gefällt, dann ist das ein wichtiger Faktor. Wenn er sich wohlfühlt und sich einen Wechsel nicht zutraut, dann ist es so vielleicht aktuell besser. Das hat aber nichts mit seiner fußballerischen Qualität zu tun, aber es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein anderer Spieler im Ausland einen Riesenschritt macht und die Konkurrenz noch größer wird. Das sind aber kurzfristige Entscheidungen, die werden direkt im Teamcamp gefällt."
...Marcel Sabitzer und Stefan Ilsanker: „Grundsätzlich sind in den Topligen die zweiten Ligen nochmal stärker als woanders. Die Spieler, die bei uns jetzt immer dabei waren, sind dabei, weil sie gute Fußballer sind und wir von ihnen überzeugt sind. Schlussendlich müssen die Spieler trotzdem mit guten Leistungen auf sich aufmerksam machen."
...die Spielzeit der ÖFB-Legionäre: „Es ist wichtig, dass man andere Erfahrungen sammelt. Im Ausland muss man sich mehr durchbeißen und durchkämpfen, man braucht ein anderes Auftreten. Wenn man sich zurück erinnert, es gab auch in meiner Amtsperiode Phasen wo die Spieler in ihren Vereinen nicht gespielt haben. Das nützt den Spielern dann auch nicht viel, das Selbstvertrauen ist weg, du hast keine Möglichkeit dich zu beweisen und bist natürlich enttäuscht. Beim Nationalteam geben wir den Spielern das Selbstvertrauen, dass es nicht immer notwendig ist, dass sie bei ihren Vereinen spielen. Natürlich wäre es gut, aber wir haben ihnen die Gewissheit gegeben, dass sie wichtig sind für uns und das Nationalteam. Natürlich haben wir im Training schauen müssen, ob die Spieler fit sind und ob es funktioniert. Es wäre natürlich trotzdem wichtig, dass sie regelmäßig spielen und im Rhythmus sind, bei der WM-Qualifikation war das leider nicht immer so. Da hat man dann schon manchmal nach 60 bis 70 Minuten gemerkt, dass die Luft weg war. Bei vier, fünf Spielern sieht man das dann natürlich auch und es wird zum Problem."
...die Spielphilosophie im Team: „Ich habe mich früher auch über Tiki-Taka aufgeregt, wenn man schnell nach vorne spielen kann und trotzdem lieber Tiki-Taka spielen möchte, dann hab ich mich vor dem Fernseher aufgeregt. Wenn ich mit drei Ballkontakten ein Tor erzielen kann, dann brauche ich nicht 50 oder 100 Ballkontakte. Für mich ist beides wichtig, ich möchte schon Fußball spielen lassen, aber die Wahrnehmung ist mir bei den Spielern wichtig. Wenn die Möglichkeit gegeben ist, einen Konter schnell zu spielen und den Gegner früh zu attackieren, dann will ich lieber schnell in den Strafraum spielen. Da brauch ich kein Tiki-Taka. Blind nach vorne spielen wenn alles zugestellt ist, das ist aus meiner Sicht auch falsch. Der richtige Pegel ist wichtig, um erfolgreich zu spielen."
...die Kaderbenennung im Nationalteam: „Es gibt da keine spezielle Technik oder Methode, das ist von Spieler zu Spieler individuell. Im Verein hat man eine Philosophie, die vom Sportdirektor oder Trainer ausgegeben wird und nach der man die Spieler auswählt. Mit der Technik und den neuen Möglichkeiten ist es einfacher geworden, es braucht trotzdem Fußballverständnis. Wir müssen sehen, ob uns der Spieler weiterbringt. Da müssen gewisse Dinge abgeklärt werden, zum Beispiel ob der Spieler menschlich zu uns passt, ob er die gewünschte Position spielen kann, hat er die Wahrnehmung, kann er das schnelle Umschaltspiel umsetzen. Das ist schwierig zu analysieren. Da braucht es das richtige Auge, um am Ende die richtigen Spieler dabeizuhaben."
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...die finanzielle Situation und Infrastruktur im österreichischen Profifußball: „Ich denke, dass es schwierig ist von heute auf morgen oder innerhalb von einem halben Jahr oder Jahr große Sprünge zu machen. Aber es ist natürlich wichtig in Sachen Infrastruktur einen weiteren Schritt nach vorne zu machen. Damit sind aber auch finanzielle Kosten verbunden. Nicht jeder Verein kann gleich alles auf den Kopf stellen und neu machen. Das ist klar, aber ich denke, man ist auf dem richtigen Weg."
...die Bedeutsamkeit der Fans im Stadion: „Es ist auch wichtig, dass man versucht die Zuschauer mit ins Boot zu holen und dass sie ins Stadion kommen, weil dann natürlich eine ganz andere Atmosphäre herrscht. Das sieht man beim Nationalteam. Es ist einfach viel geiler, wenn du rausgehst und das Stadion voll ist, als wenn überall Löcher sind und vielleicht nur 2.000 bis 3.000 Zuschauer da sind. Dafür sind aber die Klubs in der Region zuständig, die sich mehr Überlegungen in dieser Hinsicht machen müssen, wie sie die Fans ins Boot holen können."
...die Wichtigkeit der internationalen Teilnahme: „Es ist wichtig, dass du europäisch mit dabei bist. Damit meine ich das Erreichen der Gruppenphase der Europa League oder Champions League. Wenn man in der zweiten oder dritten Qualifikationsrunde ausscheidet und nicht in die Endphase kommt, ist es wieder vorbei mit der Euphorie. Der internationale Markt orientiert sich natürlich an der Gruppenphase der Europa und Champions League. Da können dann auch die Fans anderer Vereine stolz sein, dass Österreich international vertreten ist. Es geht einfach darum international zu wachsen und dabei zu sein. Das ist wichtig für Österreich, fürs Land, für die Bundesliga und das Nationalteam. Und das sind alles Erfahrungswerte, die nicht nur für die Spieler gut sind, sondern auch für die Vereinsführung wichtig sind. Das bringt den österreichischen Fußball nach vorne. Deshalb hoffe ich, dass sich unsere Vereine qualifizieren, weiter kommen und dass wir dann auch interessante Spiele sehen können."
...die Entwicklung österreichischer Talente: „Das ist nicht nur rein von der Bundesliga abhängig, sondern auch von den Spielern, wie sie sich selbst entwickeln. Da sehen wir dann auch, ob sie bereit sind mehr zu tun. Ich habe das schon öfters gesagt: Wenn man in Österreich ein Talent ist und gut ist, dann ist der Weg einfacher nach oben zu kommen, als in einer internationalen Liga oder im Ausland. Aber da steht natürlich der Mensch im Mittelpunkt. Der Mensch ist bequem, ist zufrieden mit dem was er hat. Da gibt es auf der einen Seite natürlich das Finanzielle, aber das nützt dir nichts, wenn du es auf dem Platz dann nicht hinbekommst. Da gibt es viele Spieler, die an sich weiterarbeiten sollten/müssten und Eigeninitiative zeigen sollten und sagen: ‚Ok, was kann ich noch tun? Wo kann ich noch besser werden? Was kann ich noch umsetzen?' Und dann vielleicht auch zum Trainer gehen und sich abzustimmen, um sich zu verbessern. Ich denke das wäre wichtig, um nicht stehen zu bleiben. Um dann eben auch international bestehen zu können."
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...die Top-Platzierung des ÖFB-Teams in der Weltrangliste: "Limit soll es keines geben, wenn wir weiter gut spielen, die Spieler bereit sind, den Weg mitzugehen und auch nicht hochnäsig oder zufrieden sind und sich weiter nach vorne entwickeln wollen, dann setze ich keine Grenzen. Wo das hingeht, wissen wir jetzt noch nicht. Es ist eine sehr spannende, schöne Sache - Fünfzehnter! Wir sind noch nicht qualifiziert, wenn wir dann auf der Position sind, ist es für alle Motivation dran zu bleiben. Für mich speziell, weil ich selten zufrieden bin und weiter nach vorne möchte."
...die Stimmungslage rund ums Team: „Die ist natürlich sehr gut, nach langer Zeit haben die Ergebnisse wieder gepasst. Die Mannschaft hat hervorragend mitgezogen, das macht dann sehr viel Spaß und wenn man sieht wie die österreichischen Fußballfans mit dabei sind, wie viel Euphorie im Land herrscht – dann ist alles eitel Sonnenschein, so wie das Wetter gerade. Es ist natürlich so, dass wir auf einem sehr guten Weg sind und man merkt, dass es sich lohnt, wenn man länger zusammenarbeitet. Man kann die Ideen immer wieder verfestigen. Das noch weitere Verbesserungen möglich sind, ist auch klar – daran wollen wir arbeiten und dementsprechend Gas geben."
...den Reifeprozess, den die Mannschaft hinter sich hat: „Die Mannschaft hat einen sehr guten Weg eingeschlagen, den wir auch weiter verfolgen wollen. Überheblichkeit und Hochnäsigkeit können wir nicht brauchen. Es gibt auch immer wieder positive Überraschungen, wenn man sieht wie sich in den fast vier Jahren das Team entwickelt hat und wo es hingeht. Es hat nicht nur mit Selbstvertrauen zu tun, sondern es ist auch Arbeit, Bewusstsein, Konsequenz. Mein erstes Spiel, in der Ukraine, im November 2011 hätten wir gewinnen können und in der 92. Minute verlieren wir noch. Da waren wir noch nicht alt genug, noch nicht abgebrüht. Weil nicht im Hinterkopf war, dass du auswärts lieber das Unentschieden mitnimmst. In Moskau war das hervorragend von der Mannschaft, wie sie das in den letzten 10 Minuten umgesetzt hat – vorne attackiert, nicht sehr zurückfallen lassen. Da haben wir uns schon auch entwickelt und da habe ich dem Team auch mitgeteilt, dass wir das nicht immer von außen hereintragen können, es muss auch von der Mannschaft kommen. Das war in Moskau jetzt wirklich so, dass der eine oder andere soweit war, dass er es dementsprechend am Platz umgesetzt hat. Das macht für das Trainerteam noch mehr Freude, wenn man sieht, wie sie das aufnehmen und umsetzen."
...die EM-Quali: „Wir sind noch nicht qualifiziert, wenn wir auf der Position sind, ist es für alle Motivation dran zu bleiben. Für mich speziell, weil ich selten zufrieden bin und weiter nach vorne möchte. Wenn du am 1. Tabellenplatz bist, wir sind ja aus dem 3. Topf gezogen worden, haben gegen Schweden gespielt, die Russen schon zweimal gespielt – von daher ist das Selbstvertrauen bei uns auch gestiegen. Ich denke, es ist immer wichtig, dass man zuerst auf dem Platz zeigt, was man drauf hat, als wenn man zuerst die großen Sprüche macht und dann sieht man erst, dass man es gar nicht umsetzen kann. Da sind wir mittlerweile auch auf dem richtigen Weg, dass wir mit Leistung zeigen, dass wir zu den guten Nationen in Europa gehören. Für mich ist auch wichtig, nicht nur dabei zu sein, wir müssen Konstanz reinkriegen und auf einem hohen Level diese Leistungen abrufen können."
...den Konkurrenzdruck innerhalb der Mannschaft: „Wichtig ist auch, dass wir als Trainerteam die Spieler gesund zur Verfügung haben, wir aus dem Vollen schöpfen können und dem einen oder anderen Spieler müssen wir dann auch mit einer Absage wehtun. Im Großkader haben wir Spieler, die aufgrund ihrer Leistungen dabei sein könnten und das ist ein Vorteil für uns, weil wir mehr Möglichkeiten haben."