Julian Nagelsmann: „Der Gegner war schlichtweg besser als wir"
Die wichtigsten Stimmen zur Dienstagspartie im Champions-League-Halbfinale zwischen RB Leipzig und Paris St. Germain (0:3) bei Sky
Wir haben nicht nur Qualität gezeigt. Wir haben auch Hunger gezeigt und eine Verbissenheit, uns reinzuschmeißen, das Tor zu verteidigen und uneitel zu spielen.
Dieses Jahr sind wir als Mannschaft zusammengerückt. Wir haben viel als Mannschaft unternommen außerhalb des Platzes. Wir sind wirklich ein eingeschweißter Haufen
Julian Nagelsmann (Trainer RB Leipzig) …
… zum Spiel: „Der Gegner war schlichtweg besser als wir. Das muss man auch mal akzeptieren. Wir haben gar nicht so schlecht angefangen, waren recht gut drin, haben zwei, drei gute Ballgewinne, dann aber im letzten Drittel zu hektisch gespielt. In der besten Phase bekommen wir ein Standardgegentor. Da hat man gesehen, dass der Glauben ein bisschen verloren geht. Das zweite Tor war dann unglücklich, das war ein ähnliches Geschenk wie das dritte. Das wird auf diesem Niveau extrem schnell bestraft. Trotzdem gibt es keine Kritik von mir, wir wollen Fußball spielen, dann passieren auch mal Fehler. Nach dem dritten Tor war es eigentlich nur noch ein Charakterthema, wie wir weitermachen. Das haben wir auch gut gelöst. Die Chance auf den Sieg war weg, wir haben uns aber nicht gehen lassen.“
... auf die Frage, ob er etwas anders machen würde: „Ich muss das Spiel nochmal anschauen. Man hat immer Dinge, die man anders machen würde hinterher – das ist nach jedem Bundesliga-Spiel so, das war auch gegen Atletico so. Wenn man gesehen hat, wie variabel Paris in der Eröffnung ist… Das sind einfach gute Spieler, du kannst nicht jedes Detail vorbereiten. Wir haben Paris bewusst ein bisschen den Ball gelassen, weil sie das nicht mögen.“
… zum Saisonfazit in der Champions League: „Wir waren im Halbfinale, darauf können wir stolz sein. Wir wären gerne ins Finale gekommen. Ich habe den Jungs gesagt, dass der Frust ein bisschen drinbleiben darf. Wir sind alle Wettkampftypen und wollen so weit kommen, wie es geht. Wir wären gerne noch einen oder zwei Schritte gegangen. Wichtig ist, dass wir als Gruppe auch nach dem Frust wieder zusammenfinden und gemeinsam die nächsten Aufgaben angehen. Das ist psychologisch keine einfache Situation. Du musst den Weg finden, glücklich zu sein über das, was du erreicht hast. In drei Wochen wartet Nürnberg. Das ist nicht so einfach.“
… zu seinem Anspannungslevel auf einer Skala von -5 bis 10 (vor dem Spiel): „Es liegt bei soliden fünf aktuell. Du musst ein bisschen Spannung haben, um eine gute Leistung zu bringen. Das ist auf dem Feld wichtig und auch in Interviews, damit du nicht nur Quatsch erzählst. Ich bin nicht hypernervös – Stand jetzt.“
… zum Duell mit Thomas Tuchel (vor dem Spiel): „Natürlich überlegst du, wie bereitet er sich vor. Wie hat er sich vielleicht in den vergangenen Spielen mit Dortmund mal vorbereitet, als wir gegeneinander gespielt haben.“
… auf die Frage, wie groß die Versuchung ist, als Trainer etwas Besonderes zu probieren (vor dem Spiel): „Das ist kein Selbstfindungskurs und kein Ich-muss-der-Welt-beweisen,-
Thomas Tuchel (Trainer Paris St. Germain) …
… zu den Gefühlen nach dem ersten Finaleinzug: „Ich bin sehr erleichtert. Das ist unbeschreiblich, das zu fühlen. Ich war furchtbar angespannt bis zur Nachspielzeit, dann habe ich es geglaubt, dass es so kommt. So muss es auch sein. Das Halbfinale in der Champions League ist das höchste Niveau. Deshalb gehört die Anspannung mit dazu. Entsprechend groß ist die Freude - auch wenn es grade nicht so aussieht, ich bin K.o.“
… zum Erfolgsgeheimnis: „Es kann immer was passieren. Ich bin sehr stolz. Wir haben nicht nur Qualität gezeigt. Wir haben auch Hunger gezeigt und eine Verbissenheit, uns reinzuschmeißen, das Tor zu verteidigen und uneitel zu spielen. Das ist das Mittel und das macht mich sehr froh, weil wir das konstant auf den Platz bekommen. Das ist die Herausforderung am Ende. Wir sind schon zwei Jahre zusammen, das ist gelungen. Wir hatten ein paar Schlüsselmomente in dieser Saison. Wir haben auch mit Keylor Navas, Sarabia und Herrera Typen geholt, die Erfahrung haben, international gespielt haben und Titel gesammelt haben. Sie bringen sich total ein in die Mannschaft, die haben nochmal für Klebstoff gesorgt. Dann brauchst du auch Schlüsselmomente. In der Champions League hatten wir ein 3:0 gegen Real Madrid ohne Kylian, ohne Neymar und ohne Edi Cavani. Das hat für riesigen Zusammenhalt und Glauben gesorgt. Dann hatten wir das Rückspiel gegen Dortmund. Die Mannschaft ist echt zusammengewachsen. Es fühlt sich an, als würde man, in Anführungszeichen, einen Underdog trainieren, der sich komplett darüber definiert. Man könnte uns unterstellen, wir definieren uns nur über die Einzelqualität – aber das ist eben nicht so. Das ist schön, dass wir die Verbissenheit jetzt zeigen. Das ist der Hammer.“
… zum Fakt, dass er der fünfte deutsche Trainer im CL-Finale ist: „Wenn sie mir die Sachen sagen, erschrecke ich mich ein bisschen. Das ist krass. Ich habe das schon oft gesagt. Wenn man die Spiele vorbereitet, wünschte ich, ich könnte mir das Gefühl wieder holen. Bei uns laufen im Hotel ständig diese alten Champions-League-Spiele: AC Mailand gegen Barcelona. Ich kann mich manchmal dran erinnern, wo ich das geschaut habe als Jugendlicher, wie der ganze Tag voller Vorfreude darauf war, die Spiele zu schauen. Das Gefühl bekomme ich nicht mehr her, weil ich mittendrin stecke. Das ist schade. Aber es ist auch schön, wenn Freunde und Familie das so genießen können. Es ist außergewöhnlich, aber noch nicht zu Ende. Wir haben heute beim Essen das Finale von Leverkusen gegen Real Madrid geschaut. Die tolle Saison, die sie da gespielt haben. Es war so bitter. Ich weiß noch, wie ich mitgefiebert habe. Ich habe auch ein Spiel live gesehen während meiner Trainerausbildung – das war das Rückspiel gegen Liverpool. Seitdem bin ich echt Leverkusen-Fan. Ich freue mich. Ich würde mich aber genauso freuen, wenn ich jetzt der zehnte Trainer wäre.“
… zum Wunschgegner im Finale: „Ich wünsche mir niemanden. Das ist das Gefährlichste, was du machen kannst. Das habe ich gelernt, als ich Jugendtrainer beim VfB Stuttgart war und 200 Hallenturniere gespielt habe. Da hast du dir immer den Weg geplant und gehofft, dass du gegen die oder die spielst. Und dann hast du gegen die verloren. Ich werde das echt genießen morgen beim Abendessen mit meiner Mannschaft und meinem Staff. Die Bayern sind Favorit, ich glaube auch, dass sie es schaffen. Aber es wird ein hartes Stück Brot zu knabbern. Das wissen wir aus Erfahrung.“
… zur Gemütslage (vor dem Spiel): „Es ist was die Anspannung und Nervosität betrifft ganz weit vorne. Vorfreude hatte ich bis zur Besprechung und zum Mittagessen. Seitdem tritt die Freude in den Hintergrund und die Anspannung deutlich in den Vordergrund.“
Thilo Kehrer (Paris St. Germain) …
… zum Spiel: „Wir haben uns das Leben in der zweiten Halbzeit ein bisschen schwer gemacht. Wir hätten noch mehr Kontrolle haben können. Wir wussten, Leipzig wird was umstellen und mehr Druck machen. Wir hätten mehr Ruhe bewahren können. Am Ende war der Sieg nicht gefährdet.“
… zu den Feierlichkeiten in der Kabine: „Natürlich feiern wir ein bisschen. Wir sind froh und stolz, dass wir im Finale sind. Deswegen sind alle happy. Man feuert sich an in der Kabine, es ist laut, es wird rumgesprungen und rumgeschrien. Klar ist, dass wir den Titel alle wollen. Wir sind im Finale. Heute feiern wir und dann werden wir uns morgen anschauen, wer der Gegner ist.“
… zum Teamgeist bei PSG: „Dieses Jahr sind wir als Mannschaft zusammengerückt. Wir haben viel als Mannschaft unternommen außerhalb des Platzes. Wir sind wirklich ein eingeschweißter Haufen. Wenn wir das auf den Platz bringen, dann kommt die individuelle Qualität noch mehr raus.“
Markus Krösche (Sportdirektor RB Leipzig) …
… zum Spiel: „Paris hat heute ein sehr gutes Spiel gemacht und die Torchancen genutzt hat. Wir haben den einen oder anderen Fehler zu viel gemacht, aber wir können grundsätzlich zufrieden sein mit der Champions League dieses Jahr. Wir können sehr stolz sein auf die Mannschaft. Heute war Paris einfach besser als wir. Wir haben nicht so richtig den Zugriff bekommen. Paris war unwahrscheinlich variabel und fußballerisch sehr gut. Das ist ein Entwicklungsprozess. Daraus müssen wir was mitnehmen und lernen.“
… zur zweiten Halbzeit: „Wir haben versucht, sofort den Anschlusstreffer zu machen, damit du nochmal ins Spiel zurückfindest. Das 0:3 war natürlich sehr unglücklich. Wir haben versucht, offensiv nochmal durchzukommen. Aber Paris hat die Kontrolle gehabt. Es war ein schwieriges Spiel für uns. Über 90 Minuten hat Paris verdient gewonnen.“
… zum Saisonfazit in der Champions League: „Dass wir auch auf hohem Niveau mithalten können und als Mannschaft sehr gut funktionieren. Das nehmen wir mit. Aus einer Niederlage kann man unheimlich viel mitnehmen. Und dann greifen wir die in der neuen Champions League wieder an.“
… zum deutschen Trainerduell (vor dem Spiel): „Es ist etwas Besonderes, dass zwei deutsche Trainer aufeinandertreffen. Beide haben unheimlich viel Qualität. Thomas Tuchel hat natürlich deutlich mehr Erfahrung, auch auf internationaler Bühne. Julian Nagelsmann ist jemand, der kreativ ist, der mutig ist und unbekümmert.“