Sturm Graz in der Zeit des Nationalsozialismus

Die Rolle, die Österreichs Fußballvereine in der Zeit des Nationalsozialismus gespielt haben, ist in vielen Fällen noch höchst undurchsichtig und wird immer noch tabuisiert. Nachdem Rapid Wien als erster großer Fußballverein des Landes 2011 die Historie i

  Der steirische Historiker Walter M. Iber hat über Jahre recherchiert, wie die Schwarz-Weißen in der NS-Zeit agiert haben. Die wichtigsten Ergebnisse seiner Forschungsarbeit präsentiert Iber exklusiv in der 342. Ausgabe des Klubmagazins „SturmEcho", die am 21. März erscheinen wird.   „Erst kam der Verein, dann die Partei": So hört sich das Fazit an, das der 36-jährige Historiker – er ist Mitarbeiter des Grazer Ludwig Boltzmann-Institutes – zieht. Um den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten, hätten die Sturm-Verantwortlichen Überlebensstrategien entwickelt, betont Iber. So habe der Verein sich bei Sichtungsspiele etwa mit in Graz stationierten Soldaten verstärkt und mehrfach mit „Legionären" aus Flandern und den Niederlanden gespielt: „Dass es sich bei diesen allesamt um Mitglieder einer in Graz-Wetzelsdorf stationierten Einheit der Waffen-SS handelte, war nicht weiter von Belang." Fazit: Die Vereinsverantwortlichen hätten sich insgesamt „in Opportunismus geübt, wenn auch nicht bedingungslos".   Obwohl ideologisch kaum vorbelastet – an den antisemitischen Auswüchsen im steirischen Fußball ab der 1920-er Jahre beteiligte man sich nicht – passte sich Sturm Graz dem politischen Systemwechsel in der „Stadt der Volkserhebung" rasch an. Insgesamt drei „Vereinsführer" waren bis 1945 im Amt, am längsten Karl Geisler, der dem Klub vom Sommer 1939 bis zum Kriegsende vorstand. Der „Sturmhauptführer der Motorstandarte 88 des NSKK" (Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps) stieß mit der Amtsübernahme neu zum Verein, in der lokalen NS-Politik spielte er aber keine wichtige Rolle. NSDAP-Mitglieder gab es unter den Sturm-Spielern kaum. Zu den wenigen gehörte der Berliner Arzt Karl Schneider, der 1940–42 den Sturm-Dress überstreifte und zuvor für Hertha BSC auf Torjagd gegangen war. >>> Seite 2 - "Tschammer-Pokal" gegen den 1. FC Nürnberg "Tschammer-Pokal" gegen den 1. FC Nürnberg Wie sehr Fußball auch in der Provinz zum Event stilisiert wurde, zeigte das Spiel von Sturm im sogenannten „Tschammer-Pokal"-Duell gegen den späteren Finalisten 1. FC Nürnberg im August 1940. Die Grazer verloren das Match Spiel zwar 1:6, jedoch strömten 7.000 Zuschauer ins Stadion am Jakominigürtel. Neben der Rekordkulisse war dem SK Sturm auch mediale Aufmerksamkeit im gesamten Reich sicher: Die steirische NS-Führungsriege rund um Gauleiter Sigfried Uiberreither hatte sich geschlossen auf der Ehrentribüne versammelt. Im Unterschied zu den beiden anderen Grazer Spitzenklubs GSC und GAK, die sich politisch stärker exponiert hatten, musste sich Sturm aber nach Kriegsende nicht für seine Vergangenheit rechtfertigen.     Die Forschungsergebnisse von Walter M. Iber fließen in das Buch „Erst der Verein, dann die Partei – Der steirische Fußball und seine Traditionsvereine im Nationalsozialismus" (Leykam-Verlag) ein, das ab Juni erhältlich sein wird. In den Beilagen finden Sie das vom Künstler Josef Schützenhöfer gestaltete Cover der kommenden Nummer von „SturmEcho", Pressefotos, den Text von Water M. Iber sowie den neunseitigen Schwerpunkt zum Thema Sturm Graz im Nationalsozialismus.     Die aktuelle Nummer der ältesten heute noch existierenden Fußballklubmagazins Österreichs (gegründet 1968) hat auch noch andere Highlights zu bieten: Etwa ein Interview mit Sturm-Präsident Christian Jauk, ein Porträt des ORF-Kriegsreporters Christian Wehrschütz – der „Journalist des Jahres 2014" ist bekennender Sturm-Fan – ein Interview mit Alfred Gerth (der 92-Jährige ist der zweitälteste noch lebende Sturm-Spieler), eine humorvolle Übersicht über die elf Spieler aus der Sturm-Geschichte mit den auffälligsten Bärten sowie Reportagen und Berichte über die Sturm-Legenden Manfred „Mandi" Steiner und Walter Saria. Auf Wunsch übermitteln wir Ihnen gerne im Vorfeld das gesamte Magazin.