Voller Erwartungen in die größte Enttäuschung
Mit sehr großer Vorfreude und Erwartung erlebten wir den Tag in Paris vor dem Island-Spiel. Die Enttäuschung und Ernüchterung war dann umso größer. Von den rot-weiß-roten Fanbloggern, Team Didi
Tag 10
Tag 10 unserer Reise stand wieder ganz im Zeichen eines Spiels. Wir hatten vier Tickets für das Deutschland Spiel gegen Nordirland und freuten uns ganz besonders auf die nordirischen Fans. Gegen Mittags suchten wir die Gegend rund um den Eiffelturm auf und hatten damit auch ins Schwarze getroffen. Gegen 14 Uhr startete ein gewaltiger, anfänglich rein deutscher, Fanmarsch in Richtung Prinzenpark. Rund 5.000 deutsche Fans brachen – angeführt vom offiziellen Fanbus des DFB – in Richtung Stadion auf. „Die Nummer 1 der Welt sind wir“ hallte es durch die Straßen. Da sich im Umkreis des „Champ de Mars“ noch weitere tausende Fans aus Deutschland und Nordirland versammelten, bildete sich rasch ein Fanmarsch in der Höhe von rund 10.000 friedlichen Fußballfans. Den Ende des Zuges bildeten rund 2000 nordirische Fans an, die sich folglich am Weg zum Stadion lautstarke „Gesangsbattles“ mit den numerisch stark in Überzahl befindlichen Deutschen lieferten.
Stimmungsvoller waren natürlich die Nordiren, die immer wieder ihren EM Song „Will Griggs on fire“ anstimmten und dazu richtig abgingen. Eine unglaubliche Stimmung im Vorfeld, die zumindest von den Nordiren im Stadion noch getoppt werden sollte. Der Fanmarsch zeigte aber auch, dass sicherheitstechnisch nicht alles rund lief. Die französische Polizei leitete die rund 10.000 Fans durch einen knapp 1km langen Tunnel. Äußerst bedenklich, hätte doch eine Massenpanik oder dergleichen ausbrechen können. Zum Glück gab es keine Vorfälle und wir fanden uns pünktlich im Stadion ein.
Zwar war das Match an sich nicht allzu berauschend, da Deutschland erwartungsgemäß klar überlegen war, doch die Stimmung der Nordiren hatte es wahrlich in sich. Alle rund 15.000 Nordiren feierten ihre Helden nicht 90, nein sogar 150 Minuten mit vollstem Enthusiasmus an. Alle Fans sangen, sprangen und feierten gewaltig mit. Selbst beim Gegentreffer stimmten sie lautstark ein Lied an.
Auch nach dem Schlusspfiff ging die Party weiter, schließlich wussten die Fans, dass eine knappe Niederlage ziemlich sicher für das Achtelfinale reichen würde. In der Ubahn unterhielten wir uns länger mit den nordirischen Fans, die das „Fußballwunder“ nochmals untermauern sollten. Sie erzählten uns, dass es in Nordirland überhaupt nur rund 40 Fußballprofis gibt. 3 davon spielen in der Premierleague, 4 in der First Division und alle anderen dritte Liga oder darunter. Sie erklärten uns auch, dass diese knappe Niederlage mit „nur“ 0:1 gegen das große Deutschland für sie was wie ein Sieg erscheint. Zudem hütete einer ihrer etatmäßigen Kaderstürmer bis vor zwei Jahren noch das Tor… Am Abend fand in ganz Frankreich traditionell am 21. Juni noch ein landesweites „Musikfest“ statt. Auf allen Straßen erklang Musik und spielten Bands. Die Leute tanzten auf den Straßen, bis tief in die Nacht hinein.
Tag 11
Heute war es soweit! Unser Schicksalsspiel gegen Island stand vor der Tür. Die Vorfreude war gewaltig und die Anspannung stand uns schon in der Früh ins Gesicht geschrieben. Auch das Wetter präsentierte sich zum ersten Mal seit unserer Ankunft sommerlich. Nach einem guten Frühstück ging es gegen 11 Uhr in Richtung „Place de la Concorde“, wo wir uns in einem „Schanigarten“ mit ein paar anderen Fangruppen versammelten. Nach zwei Erfrischungsgetränken machten wir uns auf dem Weg zum Fanmarsch der Hurricans zur Kathedrale nach Saint Denis. Doch zu unser aller Enttäuschung machte sich der Zug bereits vor unserem Eintreffen auf den Weg. Für uns sehr überraschend, schließlich war doch erst 18 Uhr Spielbeginn und war der Weg zum Stadion ja eigentlich nicht sehr lange. Da es aber hunderten anderen rot/weiß/roten Fans genauso erging, gab es gegen 15.30 noch einen zweiten großen Fanmarsch mit dem Rest der Fans. Die Stimmung war fantastisch und die österreichischen Fans präsentierten sich einmal mehr als „EM tauglich“.
Rund um das Stadion ergab sich ein völlig beeindruckendes rotes Farbenmeer. Schnell war ersichtlich, dass sich eine bis dato noch nie dagewesene österreichische Völkerwanderung nach Paris beim Stade de France versammelt hat. Dieser Eindruck verstärkte sich im Stadion noch einmal deutlich. Rund 35.000 Österreicher verwandelten das Stadion zu einem regelrechten Heimspiel. Zwar waren die Isländer auch stark mit rund 10.000 lautstarken Fans vertreten, aber wieviel Österreicher weiter an ihr Team glaubten, war in der Tat beeindruckend. Die Stimmung war großartig und wurde erst durch das Bekanntwerden der Aufstellung getrübt. Die Fans trauten ihren Ohren nicht, als Andi Marke rund 1h vor Spiel die Aufstellung durchschrie. Drei Innenverteidiger? Zwei Sechser? Kein Stürmer? Nur zwei Offensivspieler am Feld? Es herrschte große Verwunderung, schließlich waren wir als Gruppenletzter ja zum Siegen verdammt. Wie sollte das ohne kreative Offensivspieler gegen tief stehende Isländer funktionieren?
Aber gut, der Teamchef wird sich ja etwas dabei gedacht haben und so hofften wir dennoch auf das Beste. „I am from Austria“ und die Bundeshymne sorgten vor dem Anpfiff noch für Gänsehautmomente, ehe große Ernüchterung und Tristesse einkehrte. Unsere schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten sich und die Ausrichtung war tatsächlich so defensiv wie sie am Papier erschien. Hatte Marcel Koller für das Achtelfinale keine Zeit mehr und bereits Urlaub gebucht? Nicht nur dass wir spielerisch keinerlei Torchancen herausspielen konnte, sondern es fiel auch noch das 0:1. Aber dennoch keine Reaktion. Anstatt nach 25 Minuten zu erkennen, dass uns in der zweiten Halbzeit die Zeit davon laufen würde, änderte der Teamchef nichts an der taktischen Ausrichtung bzw. an den Personalien. Die ersten 45 Minuten waren die größte Enttäuschung, die tausende Fans in Paris bis dato erlebt hatten. Mutlos, Defensiv, spielerisch erbärmlich. 35.000 Österreicher fühlten sich wie in einem falschen Film und regelrecht „verarscht“.
Erst ein Doppeltausch sorgte dafür, dass rot/weiß/rot so auftrat, wie es jeder von Anfang an erwartet hätte. Der Sturmlauf kam zu spät, auch wenn Schöpf das zweite Tor am Bein hatte. Eine einzige gute Hälfte bei drei Euro Spielen sind in Summe deutlich zu wenig, um sich trotz der Reform auch als dritter zu qualifizieren. Den Aufstieg hat sich unsere Truppe definitiv nicht verdient. Ein Umstand, mit dem sich Marcel Koller sämtliche Arbeit der letzten Jahre in drei Spielen zerstört hat. Wie auch tausende andere österreichische Fans saßen auch wir dreißig Minuten nach dem Spiel noch immer völlig fassungslos auf unseren Plätzen. Wir konnten es uns immer noch nicht erklären, wie unsere Mannschaft auf das Spielfeld geschickt wurde und was sich der Teamchef durch seine defensive Aufstellung erhofft hätte. Die Enttäuschung stand allen Fans ins Gesicht geschrieben. Speziell die Fans, die das Team die volle Länge und bei allen drei Spielen begleitet haben, wurden in vollster Linie enttäuscht, mehr noch, wir fühlten uns verraten. Das war nicht die Mannschaft, für die wir all diese Reisestrapazen und Kosten auf uns genommen haben.
Die Mannschaft aus der Quali, für die wir zum Turnier fuhren, spielte mutig nach vorne, war offensiv ausgerichtet mit einem lauffreudigen Angriffspressing und kombinierte sich gefällig durch die gegnerischen Reihen. Voller Fassungslosigkeit verließen wir unser Stadion und kehrten in unser Wohnviertel zurück. Bei einer letzten Flasche französischen Weines beschlossen wir, entgegen unserer ursprünglichen Reiseplanung, die Zelte vorzeitig abzubrechen und Frankreich auf dem schnellsten Wege zu verlassen. Die Enttäuschung, nein sogar Wut, nahm Überhand.
Tag 12
Am Vormittag packten wir all unsere Sachen in unseren Fiat Tipo und brachen gegen 9 Uhr von Paris auf. Unser erstes Etappenziel war Innsbruck, von wo es dann weiter Richtung Bezirk Melk ging.