Hakan Çalhanoğlu, der türkische Freistoßexperte
Das österreichische Nationalteam kann ein Lied davon singen, wie stark die Freistöße von Hakan Çalhanoğlu sind. Man darf gespannt sein, ob er auch bei der EM damit punkten wird. Von Alexander Kords
Die türkische Nationalmannschaft ist so etwas wie eine Wundertüte: Nach dem dritten Platz bei der EURO 2008 war das Team in den Folgejahren bei keinem Turnier dabei. Und auch in der Qualifikation für die kommende EM sah es lange nicht danach aus, dass die Elf die Reise vom Bosporus nach Frankreich antreten könne. Erst ein 3:0-Sieg gegen die Niederlande im September 2015 stellte letztlich die Weichen für das Erreichen des dritten Platzes – der dank der hohen Punktzahl der Türken zur Qualifikation ausreichte. Eine feste Größe im Team ist dabei mittlerweile der in Deutschland geborene Hakan Çalhanoğlu.
Deutschland schnappt zu
Geboren im Februar 1994 in Mannheim, spielte Çalhanoğlu bereits im frühen Kindesalter für verschiedene Clubs der Stadt. Im Sommer 2009 wechselte er zum damaligen Zweitligisten Karlsruher SC, in dessen Jugendmannschaften er bereits für Aufsehen sorgte – so sehr, dass der türkische Verband ihn im Jahr 2010 in seine U16-Auswahl berief. Im Frühjahr 2012 holte Karlsruhes Trainer Jörn Andersen den hochtalentierten Spieler in seine Profimannschaft, für die er drei Tage vor seinem 18. Geburtstag sein Debüt im bezahlten Fußball gab. Dabei bereitete Çalhanoğlu gleich die beiden Treffer zum 2:1-Sieg gegen Erzgebirge Aue vor. In einem spannenden Saisonfinale verhinderte Karlsruhe zwar den direkten Abstieg aus der zweiten Bundesliga, musste aber in der Relegation gegen den Drittligisten Jahn Regensburg antreten. Und obwohl es in beiden Partien keinen Sieger gab, stieg Karlsruhe wegen der Auswärtstorregel in die dritte Liga ab.
Explosion in der dritten Liga
Çalhanoğlu kam mit – allerdings als Spieler des Hamburger SV. Dieser hatte den jungen Türken nämlich im Sommer 2012 für 2,5 Millionen Euro gekauft, ihn aber sogleich für eine Saison an den Karlsruher SC verliehen. In der dritten Liga explodierte Çalhanoğlu regelrecht, in 36 Spielen erzielte er 17 Tore, bereitete zwölf weitere vor und wurde am Ende zum besten Spieler der Saison gewählt. Auch dank der überragenden Leistung des offensiven Mittelfeldspielers schaffte Karlsruhe den direkten Wiederaufstieg in Liga 2. Für Çalhanoğlu ging es jedoch gleich eine Etage höher, nach Hamburg, wo er sich auch gleich in die Stammformation spielte. Zudem debütierte er im September 2013 für die türkische Nationalmannschaft, obwohl er dank seiner doppelten Staatsbürgerschaft auch die Möglichkeit gehabt hätte, für Deutschland aufzulaufen. Doch auch wenn Çalhanoğlu wissen ließ, dass er es Deutschland zu verdanken hatte, auf höchstem Niveau Fußball zu spielen, entschied er sich für das Heimatland seiner Eltern, mit dem Ziel, der „Mesut Özil der Türkei“ zu werden – ein Spieler übrigens, mit dem Çalhanoğlu aufgrund seiner technischen Fertigkeiten häufig verglichen wird.
Dramatischer Zwischenfall im türkischen Team
Im Oktober 2013 war Çalhanoğlu in einem dramatischen Vorfall verwickelt: Gökhan Töre, sein Teamkollege bei der türkischen Auswahl, stürmte nach einem Spiel mit einer Pistole in das Hotelzimmer von Çalhanoğlu und Ömer Toprak und bedrohte die beiden mit der Waffe. Der Grund war wohl ein Streit zwischen Töre und Toprak um eine Frau. Der Zwischenfall sorgte dafür, dass die drei Spieler bis zum Sommer 2015 nicht mehr gemeinsam im Aufgebot der Türkei standen. Ruhiger ging es dagegen für Çalhanoğlu beim Hamburger SV zu – zumindest zunächst. In der Hansestadt zeigte er regelmäßig, was ihn besonders auszeichnet: direkt verwandelte Freistöße. Ein spektakuläres Exemplar gelang ihm etwa im Februar 2014, als er beim 3:0-Sieg gegen Borussia Dortmund aus 41 Metern Entfernung traf.
Treueschwur für Hamburg – Wechsel nach Leverkusen
Zur gleichen Zeit verlängerte Çalhanoğlu seinen Vertrag bei den Hamburgern bis 2018 und gab auch in Interviews an, noch lange für den Club spielen zu wollen. Dieser kämpfte bis zum Ende der Saison gegen den Abstieg und schaffte den Klassenerhalt erst in der Relegation. Seinen Treueschwüren zum Trotz äußerte Çalhanoğlu recht bald seinen Wunsch, Hamburg doch verlassen und sich Bayer 04 Leverkusen anschließen zu wollen. Damit zog sich der Türke die Wut der HSV-Fans auf sich, ein regelrechter Shitstorm in den sozialen Medien folgte. Umgehend begab sich der Spieler zu einer Psychologin und ließ sich krankschreiben. Als Grund wurde angegeben, dass die verbalen Attacken der Hamburger Anhänger Çalhanoğlus Psyche schaden.
Letztlich bekam der Türke seinen Willen und wechselte im Sommer 2014 für 14,5 Millionen Euro zum Champions-League-Teilnehmer Leverkusen. Dort hat er mittlerweile einen so guten Stand, dass er im Frühjahr 2016 in einigen Spielen den verletzten Lars Bender als Mannschaftskapitän ersetzte. Auch für die türkische Mannschaft ist Çalhanoğlu enorm wichtig – nicht zuletzt, weil er sowohl hinter den Spitzen als auch auf beiden Außenbahnen spielen kann. Und dass er Freistöße verwandeln kann, durfte auch Österreichs Nationalteam kürzlich im Ernst-Happel-Stadion erleben.
Treffer gegen Österreich
Wunderschöner Freistoß für den HSV
Ich habe ein @YouTube-Video positiv bewertet: https://t.co/1ySVDFtFPZ HSV - BVB | 22.02.14. | Hakan Calhanoglu: Hammer Freistoß- Tor!