Die Schneid wurde abgekauft

0:2. Wie Blei hängt dieser Makel nun bis Samstagabend an der österreichischen Fußballnationalmannschaft. Nach 90 Minuten ist klar: Ohne Topleistung geht bei einer Endrunde nichts. Eine Gegenansicht von Georg Sander

 

So viel Hättiwari. Wäre doch David Alabas Grüssgottgranate statt an die Stange ins Tor gegangen. Oder hätte sein zweiter Schuss in Minute zehn den Weg ins Tor gefunden. Oder der Harnik, dem so nichts gelingen wollte, der hätte kurz vor dem Pausentee ein bisschen an seiner fußballerischen Unsterblichkeit arbeiten können. Was wäre, wenn in Minute 62 der Leicester-Fuchs anstelle des Schalke-Fuchs am Platz gewesen wäre und die Abseitsfalle zugeschnappt hätte. Alles kein Problem, hätte Schiedsrichter Turpin Aleks Dragovic' Attacke in des Gegners Strafraum kurz darauf nicht mit Gelb geahndet, als Martin Hinteregger zum vermeintlichen 1:1 einschoss. Das 0:2 war dann nur eben der Konter, der kommen muss. Wenigstens war es schön. Das Beste an dem gestrigen Abend war das 1:1 zwischen Island und Portugal. Auch in der dritten Endrunde seit 1990 gelang nun kein Sieg.

 

Angelaufen

Überhaupt dieser Hinteregger. Der kennt das schon zu Hauf; Klein und Sabitzer ist es ebenfalls vertraut. Hier eine österreichische Elf, die dem Gegner fußballerisch das Wasser nicht reichen kann. Frag nach in Malmö, Basel, Minsk. Auch dort war da ein Gegner, der mit Matchplan, Verve, Einsatz, Härte und einem Quäntchen Glück hinten und vorne eine überlegene Elf zermürbt und am Ende gewinnt. Oliver Lederer analysierte ja vor dem Spiel für 90minuten.at: Die Mannschaften passen zueinander. Nur halt nicht nur Österreich zu Ungarn, sondern auch umgekehrt.

 

Die Ungarn agierten einiges offensiver als erwartet, vielleicht pressten sie nicht an wie eine Hütter'sche, Schmidt'sche oder Koller'sche Elf, aber sie waren lästig genug. Sie kombinierten gefällig durch das Mittelfeld, um dann aus der Distanz nicht unbedingt zwingend abzuschließen. Und sie lenkten das Spiel von Team Austria auf die Seiten. Zwangen sie zu hohen Bällen auf den formlosen Harnik. Klopften Arnautovic auf der anderen Seite ab. Machten Janko unsichtbar. Stifteten den Dragovic zum Foulen an, bis der Rot sah. Mit einem Schuss Galgenhumor kann man nun wenigstens festhalten, dass ein aufgrund von Respekt super auf Österreich eingestellter Gegner gewann. Mal wieder, tönt es aus der Ecke jener, die Red Bull-Vergangenheit haben.

 

Aufgezwungen

Viele Dinge, die an Marcel Kollers Coaching in einigen wenigen Medien des Öfteren kritisiert wurden, obwohl es gut lief, waren auf einmal präsent. Des Schweizers Nibelungentreue gegenüber Spielern, die nicht in Form sind. Der Umstand, noch ein bisschen zu viele Chancen für zu wenige Tore zu benötigen. Die Nicht-Reaktion auf Halbzeit eins in der Pause. Der späte Wechsel. Die Junuzovic-Abhängigkeit. Die undefinierte Alaba-Rolle. Einem Gegner klug einzuschenken, genau so wie dieser einschenkt. Hätte theoretisch alles gut gehen können. Ist es aber nicht und so muss man sich der Kritik stellen.

 

Natürlich ist es einfacher, gegen einen stärkeren Gegner passiv zu bleiben, auf die Chancen zu lauern. Nur stehen halt deutsche, englische, schweizerische oder ukrainische Meisterkicker öfters vor genau jener Situation. Weniger hart sind die Portugiesen in der Zweikampfführung auch nicht. Die Isländer schon gar nicht. Da müssen die Pässe auf den Punkt kommen, das Pressing definiert sein und die ballesterische Grundtugend, Zweikämpfe anzunehmen, gegeben sein. Da muss ohne Wenn und Aber auch ein Signal von der Bank kommen, wenn Plan A ins Stocken gerät, was sich ja bereits nach der Anfangsphase andeutete. Das wird ohne Dragovic und vielleicht ohne Junuzovic mit einer Auftaktniederlage im emotionalen Gepäck ungleich schwieriger.

 

Abgedroschen

Die Ungarn, so viel ist sicher, sind vielleicht fußballerisch nicht besser. An diesem Abend aber in Bordeaux hatten sie den besseren Matchplan, zwangen dem Gegner ihr Spiel auf, gewannen verdient. Österreich ist halt kein Topteam, das einen übermotivierten Gegner am Ende in die Schranken weisen kann. Oder in Marcel Kollers Worten: „Unsere Leistung war leider nicht top. Wir können nicht sagen, wir hätten uns auch den Sieg verdient.“

 

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