Ohne Biss
Manchmal ärgert man sich über sich über seinen eigenen Konservativismus. Da setzt man auf Deutschland als Weltmeister anstatt richtig mutig zu sein. Ein Norweger war mutig und hat auf einen Biss des Südamerikaners Suarez gewettet. Und gewonnen. Dabei war
Suarez hat schon zweimal davor öffentlich gebissen, Deutschland war zuletzt fünfmal nicht Weltmeister. Vielleicht war es sogar mutiger auf einen Titelgewinn von Deutschland zu setzen als auf einen Suarez-Biss. Bei Suarez könnte man mittlerweile denken: Wenn die Kugel zweimal auf rot fällt, muss sie ja beim dritten Mal auf schwarz liegen bleiben. Sprich: Wenn Suarez unterm Jahr beißt, dann doch nicht auch bei der WM. Man könnte aber auch denken: Tippen ist so oder so schwachsinnig. Kommt ja eh immer anders. Tippt man auf Deutschland, gewinnt Brasilien. Tippt man auf einen Biss von Suarez, zwickt Robben.
Egal. Der Suarez-Biss ist bislang der Skandal der WM. Jetzt könnte man als Österreicher sagen: Stimmt nicht. Der bisherige Skandal der WM ist, dass das Wochenmagazin „News" Rainer Pariasek zum Fußballexperten der WM gewählt hat. Aber wer kennt in Brasilien schon Rainer Pariasek? Apropos ORF. Der ORF wird sich höchstwahrscheinlich grün und blau ärgern, dass man mittels Beamen und Torlinientechnologie zwar so ziemlich jede Spielszene durchleuchten kann, aber gemeinsam mit der FIFA keine Biss-Linien-Technologie entwickelt hat. Die Fernsehbilder zeigen zwar trotz fehlender Technik einen Biss von Suarez. Suarez sagt aber: Stimmt alles nicht. Die Fernsehbilder lügen. Er habe nicht gebissen. Im Wortlaut sagt Suarez: "Im Moment des Aufpralls habe ich die Kontrolle verloren, wurde instabil und bin auf meinen Gegner gefallen."
Jetzt kommt man als gutgläubiger Schreiber natürlich ins Grübeln. Denn wer kennt das nicht: Man stolpert, verliert das Gleichgewicht und verbeißt sich in der Schulter des Vordermanns. Also am besten die Szene nochmals nachschauen. Die Szenenabfolge: Suarez beißt seinen Vordermann in die Schulter, der fällt zu Boden, Suarez bemerkt das und fällt auch um. Hm. Die FIFA hat Suarez für neun Spiele gesperrt. Man darf bei sowas nicht zimperlich sein. Beißen und Lügen ist in den meisten Fällen keine gute Kombination.
Die FIFA musste hart durchgreifen. Was, wenn das Beißen Schule macht und plötzlich auch Messi und Ronaldo beißen und die FIFA in zwanzig Jahren gezwungen ist, aufgrund der Häufung an Beißattacken, sie sogar ins Reglement aufzunehmen. Vielleicht wäre dann Beißen so etwas wie heute ein Tackling. Das würde den Fußball grundlegend verändern. Vielleicht würden dann schlaue Kolumnisten schreiben, dass der Fußball immer Veränderungen unterworfen war und man mit der Zeit gehen müsse. Und, dass das Nicht-Beißen nur im Kontext einer damals wenig Beiß-Liberalen Zeit zu sehen sein müsse.
Um bei seriösen Annahmen zu bleiben: Das wird nicht passieren. Beißen wird nie ein legaler Bestandteil bei Fußball-Weltmeisterschaften sein. Die FIFA hat hart durchgegriffen und das Beißen abgestraft. Uruguay spielte im Achtelfinale schon ohne Suarez. Am Ende stand es 0:2 gegen Kolumbien. Uruguay hielt sich – bis auf ein paar Tritte und versteckte Schläge – an die Vorgaben der FIFA: Uruguay spielte ohne Biss.