Keine Hexa für Brasilien, aber eine Septa, die niemand je vergessen wird
Wie konnte das passieren? Und vor allem, wer hat Schuld? Das unkundige und unsympathische brasilianische Eventpublikum fand schnell seinen Sündenbock, es war das schwächste Glied in der Kette, der auch von mir heftigst kritisierte Stürmer Fred. Natürlich
Brasilien ist noch nicht im neuen Zeitalter angekommen
Im Detail ist die notwendige Fehleranalyse schwierig, aber natürlich hat Scolari personell falsche Entscheidungen getroffen. Diese sind aber letztlich uninteressant, denn diese WM zeigte, dass die Selecao nicht im neuen Zeitalter angekommen ist. Was ein Klopp oder Guardiola vorleben, was auch Nationalmannschaften wie Spanien, Deutschland, Italien oder auch einige Südamerikaner aus der zweiten Reihe seit 2006 zelebrieren, das hat man in jeder Hinsicht negiert. Die individuelle Klasse eines Neymars und viel Herzblut, das sich aber nicht in gelaufenen Kilometern ohne Ball widerspiegelt, damit können die Europäer mit ihren Systemtheoretikern im Hintergrund mittlerweile bestens umgehen. Nicht alle Europäer, England spielt genauso, nur mit weit weniger individueller Klasse.
Deutschland mit einer formidablen Teamleistung
Das Gegenkonzept zur alten Scolari-Schule liefert seit der Klinsmann-Ära der DFB. Warum das bei dieser WM aber so wenig funktionierte, das gibt ebenfalls Rätsel auf. Besonders verwunderte dass beim Gruppenspiel gegen Ghana, dass man ja vor der WM perfekt gegen Kamerun simuliert hat. Nur um dann im Ernstfall alles wieder genauso falsch zu machen. Gut, das interessiert heute keinen mehr, gegen Brasilien wusste man genau, wie man den Gastgeber knacken kann, die Höhe des Ergebnisses ist dann aber dem psychischen Zusammenbruch des Gegners geschuldet, dementsprechend bedeutet das 7:1 für das Finale am Sonntag eigentlich gar nicht mal so viel.
Van Gaal müssen alle fürchten
Mit einem riesigen Qualitätsgefälle in der Mannschaft kommt man eigentlich nicht weit. Wenn man als Trainer Van Gaal hat, kann das anders laufen. Kuyt als Außenverteidiger, den Elferkiller einwechseln, mit einer brutalen Defensivtaktik die schnell überforderte zweite Garde hintendrin schützen, das sind keine sympathischen, aber erfolgreiche Schachzüge. Und vorne hat man zwar auch mit Robben einen komplett überragenden Spieler, aber eben auch noch andere extrem spitze Waffen mit van Persie und Sneijder sowie bei Bedarf Huntelaar. Und dann auch noch ein Bindeglied der tollen Neuentdeckung Daley Blind und mit Nigel de Jong den besten Zehnerkiller der Welt.
Mit den fünf Superwaffen braucht man auch kein Elfmeterschießen fürchten, nicht einmal eines gegen Deutschland. Und so ging man auch die Aufgabe gegen Argentinien an, mit dem wohligen Gefühl, 0:0 ist für uns schon mal ganz OK, für Euch nicht. Dass dann auch noch De Jong wieder rechtzeitig fit war, um die defensive Destruktivität gegen Messi zu organisieren, was will der Oranje-Fan mehr und der neutrale Beobachter weniger. Kurz vor Schluss der regulären Spielzeit stellt der Dirigent von andante auf vivace um, aber es ist kein presto wie gegen Mexiko und es bleibt erfolglos.
Aber Argentinien fürchtet keinen Vlaar und keinen Cillessen
Eigentlich erinnert Argentinien doch stark an den ewigen Rivalen. So wirklich ist das taktisch auch eher uninteressant, aber anders als bei Brasilien ist nur die Nummer 2 K.O. und nicht die Nummer 1 im Team. Und auf dem Team liegt nicht die nationale Bürde des Gastgebers. Das Duell mit Holland ist dann aber so herb, dass man genügt Muße findet, sich durch alle relevanten Statistiken zu klicken. Und auf der Suche nach funktionierenden Passkombinationen nicht fündig wird. Messi hat keinen Mitspieler, nach 75 Minuten nur fünf Interaktionen mit Di Maria-Ersatz Enzo Perez und davon nur eine im Angriffsdrittel.
Dass es mit dem formlosen Agüero nicht besser wurde, das verwundert nicht. Alle Augen daher auf Holland, trotz zweier letzter Chancen für die Albiceleste. Denn diesmal kein Tormannwechsel und Huntelaar für van Persie. Es fehlte somit der fünfte Mann. Vlaar ist auserkoren und der verschießt prompt gleich den ersten Elfer. Erwartungsgemäß möchte man sagen. Dann aber kommt eine Prise Magie in diesen so öden Abend. Romero fischt einen fast unhaltbaren Penalty von Sneijder aus dem Eck und Maxi Rodriguez schießt viel schlechter, hat aber Glück. Argentinien und Deutschland um Gold, Brasilien und Holland um Bronze.