Alles anders, alles wie gehabt
Vor dem Viertelfinalspiele darf man das beste WM-Achtelfinale aller Zeiten konstatieren. Nur ein Spiel war frühzeitig entschieden. Die Hälfte der Teilnehmer kommt aus Europa, wobei Geheimfavorit Belgien weiterhin nicht gerade Begeisterungsstürme auslöst.
Kolumbien ist das neue Uruguay
Der direkte Vergleich erinnerte schwer an das 4:0 Kolumbiens in der Qualifikation und so einseitig wie dieses Spiel lief, glaube ich auch nicht, dass ein Luis Suarez daran hätte etwas ändern können. Und wenn man sich die Mannschaft Kolumbiens im Detail anschaut, dann spricht so einiges dafür, dass man diese Rolle auch 2018 und 2022 wieder übernehmen konnte. Uruguay hingegen war schon in der Vorrunde über dem Zenit und wurde nur von der Qualität eines Spielers bzw. von der Verwirrtheit Englands und Italiens am Leben erhalten. Da muss man sich jetzt fraglos neu erfinden und das geht nicht von heute auf morgen. Für das anstehende Finale der Südamerikameisterschaft stellt sich die Frage, wie sich Brasiliens Defensive nun gegen einen Gegner mit nahezu unbezähmbarer Offensivkraft behaupten kann. So denn diese sich nicht wieder als Rohrkrepierer erweist wie gegen Kroatien, Mexiko und Chile.
Deutschland in der Systemfalle
Selbst in Deutschland hätten nicht wenige Algerien den Aufstieg gegönnt, zum einen wegen der Schande von Gijon, zum anderen wegen der tollen Leistung der Nordafrikaner, die man durchaus als die Entdeckung des Turniers sehen kann. Vom sieglosen Vorrundenaus in Südafrika 2013 zum Turnierfavoriten für Marokko 2015! Zum anderen nervt die Mannschaft von Jogi Löw gewaltig. Wie es sich für einen Konzepttrainer gehört, hat dieser für dieses Turnier ein Konzept entwickelt, das sich allerdings als veritabler Flop allererster Güte herausstellt.
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Lahm agiert weiter im zentralen Mittelfeld talentbefreit, was bei einem Spieler dieser Güteklasse eigentlich undenkbar ist. Die Abwehrkette mit den vier Innenverteidigern ist ohne Hummels stocksteif wie zu schlimmsten Völlerschen Rumpelfußballzeiten, Höwedes gänzlich neben sich und selbst ein Boateng, der Außenverteidiger eigentlich kann, bekommt nichts gebacken. Die Charakterköpfe von Khedira und Özil sind im Lexikon neben dem Wort „glücklos" abgebildet und bei den zahlreichen Kopfballchancen gegen Algerien nach guten Flanken wurde in der Bundesrepublik aus 50 Millionen Kehlen das Mantra „Der Klose hätte den gemacht" intoniert.
Nun aber Stopp, das stimmt zwar alles, aber in einem Punkt hatte Mertesacker in seinem divenhaften Rant recht, in einem WM-Achtelfinale spielen keine Blinden und gerade Algerien war ein hochwertiger Gegner, der nicht umsonst Russland und Südkorea hochverdient rauswarf und Belgien am Rande einer Niederlage hatte. Insofern sehe ich Deutschland im Viertelfinale immer noch als Favorit, denn die Equipe Tricolore ist keineswegs so gefestigt, wie es den Anschein hat. Die waren nämlich in ihrem Achtelfinale gegen einen afrikanischen Gegner über weite Strecken noch schwächer als die Deutschen.
Costa Rica statt Nigeria, Ghana und Cote d´Ivore
Auch diesmal ist wieder exakt ein Außenseiter weiter, zu Costa Rica ist aber ohnehin schon alles gesagt. Für mich war freilich von vorneherein klar, dass diese Rolle für Nigeria reserviert ist. Die Auslosung war freundlich, der Gegner für das erste K.O.-Duell mit Frankreich geradezu optimal. Und alles lief prompt auch sehr gut, Emenike war gut drauf, Chancen wurden herausgespielt, physische Stärke gezeigt. Der Zusammenbruch nach 70 Minuten war aber dann der schlimmste Knock-out seit Argentiniens erster Halbzeit gegen Deutschland in 2010. Auch wenn es wie Rechthaberei klingt, ich kann nicht unerwähnt lassen, dass die Szene in der 54. Minute das Spiel geprägt hat. Denn bis dahin waren die Super Eagles stramm auf Kurs Viertelfinale.
Matuidi foult absolut rotwürdig den superstarken Onazi, korrigiere „foult", er verletzt ihn schwer und mit purer Absicht, da kann es keine zwei Meinungen gegen. Hätte dieses Foul ein Nigerianer begangen, dann bin ich mir relativ sicher, wie die Reaktion des US-amerikanischen Schiedsrichters ausgesehen hätte. Stephen Keshi musste vor dem Spiel schon Babatunde und vor allem Oboabona ersetzen, jetzt fehlen ihm die Alternativen. Er bringt mit dem Reuben Gabriel einend deutlich defensiveren (und natürlich vor allem schwächeren) Spieler und die Überlegenheit im Mittelfeld ist völlig dahin.
Gleichzeitig macht Keshis Gegenpart Deschamps etwas sehr richtiges, er bringt den deutlich stärkeren Griezmann für den nur vom Namen her größeren Giroud. Unverständlich für mich, dass ein Griezmann, der seit zwei Jahren auf absolutem Topniveau unterwegs ist, in dieser Truppe keinen Stammplatz hat und ich bin gespannt, wie das gegen Deutschland aussieht. Gegen Nigeria kippte das Spiel mit diesen personellen Veränderungen auf beiden Seiten jedenfalls komplett und auch mein Traum von Nigeria war nach 70 Minuten endgültig ausgeträumt.