Die Euphorie im Regen versunken
Endlich rollt der Ball, aber das waren überwiegend quälende 180 Minuten plus x. Ausgerechnet zum Eröffnungstag regnete es fast durchgehend in Strömen und Johannesburg fühlte sich doch sehr nasskalt an mitten im südafrikanischen Sommer. Von Mario David Bal
Das Stadionerlebnis passte aber erst einmal trotzdem, das Cateringangebot war von diversem Grillgut geprägt und konnte dank der Abwesenheit der gefürchteten FIFA-Normierung auch voll und ganz überzeugen. Dazu das große und nicht-alkoholfreie Bier für wohlfeile 20 Rand, also weniger als 2 Euro. Das die gute Nachricht, die schlechte ist, dass die Grillerei zügig aufgegessen war und das Bier noch vor Ende des ersten Spiels ausgetrunken. Auch gab es dann zu den Mangelzeiten logischerweise riesige Warteschlangen an den Ständen, deren Wurst- und Hot Dog-Vorräte noch nicht aufgezehrt waren. Neben der Ware fehlte es auch massiv an Personal.
Aber es geht ja um Fußball bzw. erst einmal die Eröffnungsfeier. Und diese war eine sehr stimmige Sache, klassisch afrikanisch mit viel Leidenschaft, guter Musik und somit trotz der widrigen Wetterverhältnisse voll und ganz gelungen. Das kann man leider vom zwar höchst spektakulär anzusehenden Prachtbau Soccer City nicht behaupten. Das Problem ist die Dachkonstruktion, die zwar optisch einiges hermacht, aber eine glatte Fehlkonstruktion ist. Das Dach deckt nämlich nur die Plätze im Oberrang vernünftig ab, bereits in den Mittelrang regnet es kräftig rein und der Unterrang wird an Tagen wie diesen komplett geflutet. Da hat man sich wohl als Beispiel das alte Münchner Olympiastadion genommen, das auch nur optisch überzeugen konnte, aber im Praxistest kläglich versagte.
Südafrika ohne erkennbaren Plan
Versagen, so hart darf man mit Bafana nach dem ersten Spiel nicht ins Gericht gehen. Aber was man da gegen Kap Verde mit Ausnahme der ersten zwei und den drei Minuten der Nachspielzeit zeigte, das war wie von mir befürchtet: Viel zu wenig. Igesunds angekündigter Masterplan entpuppte sich als völlig uninspiriertes 4-3-3 mit Mphela auf der Bank und einem Mittelfeld, in dem Tshabalala genau so wenig einfiel wie seinen beiden Nebenleuten. Auch als ab der 60. Minute Serero den Zehner gab und dann kurz danach Mphela noch kam, besser wurde es nicht.
Cape Verde war eigentlich die bessere Mannschaft und vergab durch Platini auch die beste Chance des Spiels. Mendes Ryan gefiel als Stoßstürmer weit besser als sein Gegenüber Bernard Parker und dass sich die Insulaner nach einem schwachen 0:0 von ihren Fans feiern ließen, das ist sinnbildhaft. Eigentlich hätte man das Spiel gewinnen müssen, aber als Außenseiter und Neuling fernab der Heimat fehlte dann doch die Courage, um wirklich auf Sieg zu spielen und einen verunsicherten und immer hektisch agierenden Gegner verdient zu besiegen. So geht das 0:0 in Ordnung, in den Schlussminuten wäre man sogar fast noch um das Remis gebracht worden, als Südafrika mit der Brechstange tatsächlich noch einmal ansatzweise gefährlich wurde.
Immerhin sprach Igesund nach dem Spiel endlich einmal Klartext und versuchte nicht, wie in den Testspielen die unschöne Realität in Bonbonfarben darzustellen. Die erste Halbzeit seines Teams bezeichnete er als „a total waste of time" und „we weren´t much better in the second". Das riesige Loch zwischen Mittelfeld und Angriff räumte er ein und das gilt es nun bis zum Spiel gegen Angola am 23. zu flicken, sonst ist die Party ganz schnell zu Ende und die Folgen für das Turnier wären auch aus neutraler Beobachtersicht fatal.
Kap Verdes Team bezeichnete Igesund als „good, well organised and they play like Europeans". Wenn er damit die zweite portugiesische Liga meint, mag das auch stimmen. Für die Lobeshymnen ihres Trainers Lucio Antunes nach dem Spiel gab es aber wenig Grund. Aber diese bewiesen deutlich, dass sich die Blue Sharks liebend gerne mit einem Remis begnügten und das ist eben die Crux. Es war viel mehr drin, da von „mission accomplished" zu sprechen, das zeigt von zu wenig Mut.
Marokko und Angola machen es nur marginal besser
Aufgrund des Dauerregens und der unüberdachten Plätze geriet das zweite Spiel durchaus in Gefahr. Nicht wegen dem Rasen, sondern wegen der Unlust meiner Begleiter, die zu allem Unglück auch noch in der völlig ungeschützten Wind- und Regenecke des Stadions waren. Eine SMS „Wir wollen nach Hause fahren nach dem Spiel, was sagst Du dazu?" kam dann auch prompt. Natürlich kam das für mich nicht in Frage, Angola gegen Marokko war mir als Freund der Palancas Negras natürlich zu vielversprechend, außerdem muss ich natürlich auch meine Verantwortung gegenüber dem geneigten Blogleser wahren.
Ich sah mich also schon mit der mitternächtlichen Shuttlebus-Herausforderung anstelle der gemütlichen Autofahrt konfrontiert. Letztlich waren aber doch alle zufrieden mit der Lösung eines spontanen Downgrading der Tickets auf die schlechteste Kategorie, das ist kurioserweise die mit den überdachten Luxusplätzen ganz oben. Kein Problem, denn die spontane Idee vom „Heimfahren" war allgemein offenbar sehr beliebt und das Stadion leerte sich gewaltig. Marokko war mit einer kleinen Fankolonie am Start, Angola hatte in zwei Sektoren doch ein paar Tausend Anhänger mobilisiert.
Die Plätze im Oberrang fühlen sich fast an wie Camp Nou Gegengerade oberste Reihe, man muss also nie den Kopf bewegen, um das gesamte Spiel zu verfolgen. Zur Analyse taktischer Feinheiten ist die Panoramasicht aber optimal. Wenn es die denn gegeben hätte! Beide passten sich dem Niveau des Eröffnungsspiel fast nahtlos an, wobei Marokko in der ersten Halbzeit besser war, Angola sich aber mit einem klar stärkeren zweiten Durchgang letztlich doch den Sieg verdient hätte. Wobei ausgerechnet Mittelstürmer und Kapitän Manucho einen extrem schwachen Tag hatte, noch schlimmer die Performance von Außenverteidiger Lunguinha.
Erfreulich war letztlich nur, dass der Vuvuzela-Daueralarm auch immer weniger wurde und die Ohren sich langsam erholen konnte. Zwischenzeitlich war sogar Angolas Musikkapelle mit echten Rhythmen anstelle des Bienenschwarms zu vernehmen. Welche Wohltat! Spielerisch machen wir schnell den Deckel auf diesen Auftakttag. In den nächsten Stunden folgen dann diverse Fotogalerien, die nur die schönen Dinge des Afrikapokals zeigen. Ich hoffe, das entschädigt dann für die Bilder, die gestern auf Eurosport den Fußballfan ordentlich gequält haben, im Stadion ist dergleichen Gekicke ja immer noch leichter zu bewältigen.