On tour: 'Benna Boys'- Antigua & Barbuda schrammte knapp an größtem Erfolg vorbei
Wie immer viel Hoffnung brachten die Fans der „Benna Boys", so wird das Fußballteam Antigua und Barbudas genannt, ins moderne, bis zu 12.000 Zuseher fassende Cricket-Stadion zu St. John's mit, dem Sir Vivian Richards Stadium in der Hauptstadt des Landes,
Unter den Zuschauern auch einige gut gelaunte – trinktechnisch gewohnt bestens vorbereitete – britische Fans und eine Reihe US-Amerikaner, teils mit „Vote Obama" Plakaten ausgestattet. Nicht zu vergessen, zwei Österreicher: Andreas Herzog, Co-Trainer des US-Teams, und ich, 90minuten Groundhopper Benedikt Kienesberger (bemerkenswert: Als ich und Begleitung beim Ertönen der Hymne der USA, also gerade noch rechtzeitig vor dem Anstoß, das Gelände um das für die Cricket-WM 2007 errichtete Stadion betraten, wurden wir von einem Security angehalten, um für die Hymne stehenzubleiben).
Bei freundschaftlicher Stimmung auf der größten Sportanlage der Trauminsel mit den 365 Stränden beginnt das Match dann wie erwartet: Die Gäste aus den USA kontrollieren Ball und Spiel, wobei jede Balleroberung und Befreiung der Heimmannschaft mit Applaus und Zurufen bejubelt wird.
So dauert es bis zur 20. Minute, bis das passiert, was aus Sicht der Benna Boys zu befürchtet war - die USA gehen in Führung. Eddi Johnson, Teamkollege von Michael Gspurning bei den Seattle Sounders, schießt nach einem Ball von der rechten Seite und einem Abwehrfehler das 1:0 für das Team von Jürgen Klinsmann. Alle Hoffnung des Heimmannschaft scheinen damit früh begraben, und das Spiel seinen erwarteten Lauf zu nehmen: ein Schützenfest für die USA.
Mit einer energischen Handbewegung deutet Andreas Herzog noch vor dem Wiederanstoß seinen Spielern von Bank aus „so weiterspielen" an. Und das versuchen die Nordamerikaner auch, wobei sie in der 25' völlig sorglos und aus dem Nichts in einen Konter laufen. Der in England geborene Dexter Blackstock (Nottingham Forrest) ist es, der diesen nach Stanglpass sicher zum 1:1 abschließt, worauf die von den Sitzen gesprungenen Fans im Freudentaumel ihr Glück kaum fassen können. Unter ihnen keimt wieder Hoffnung auf. Die US-Amerikaner hingegen sind geschockt.
Klinsmanns Mannschaft ist in Folge kaum wiederzuerkennen. Sie spielt mit einmal fehleranfällig, im Spiel nach hinten wie nach vorne, und kommt bis zur Halbzeit kaum noch gefährlich vors Tor. Auch aus dem inzwischen aufgezogenen starken Regen und dem böigen Ostwind, der den hohen Bälle und Abschlägen der Benna Boys entgegenweht, können die USA kein Kapital schlagen. Sie dringen kaum noch aussichtsreicht in den Sechzehner vor.
Unverändertes Bild herrscht dann auch nach Seitenwechsel: Die Benna Boys – jetzt in Windrichtung spielend – kämpfen mit allem was sie haben, aufopferungsvoll und abgesehen vom steten Zeitspiel ausgesprochen, ja fast ungewöhnlich fair. In den 90 Minuten werden sie überhaupt nur fünf Fouls begehen, darunter auch der eine oder andere fragwürdige Pfiff, der sogar einen sonst nur mit strenger Miene über das Geschehen am Spielfeld wachenden Polizeibeamten zum Schimpfen veranlasst.
Nur vier Torschüsse in 90 Minuten werden im den USA gelingen, wobei sie die meisten ihrer Angriffe auf dem kleinem Spielfeld allzu unpräzise, teils stümperhaft vortragen und dabei einige Male ins Abseits laufen. Durch die Fehler im Spielaufbau der Nordamerikaner und das schlechte Stellungsspiel ist vielmehr Antigua und Barbuda das im Gegenzug immer wieder schnelle Konter setzt und so phasenweisen sogar die gefährlichere Mannschaft ist.
Der Knackpunkt des Spiels ist dann die 88' Minute: Tom Curtis, der englische Coach, der einst britischen Kolonie, wechselt den bis dahin hervorragend und in Antigua für den Barracuda FC spielenden Mittelfeldspieler Peter Byers aus, worauf die Stimmung im Stadion von Mitfiebern und Hoffen schlagartig in Zwietracht und Schmährufen für den Trainer umschwenkt, etwas, das in Europa völlig undenkbar wäre und so wohl auch von Coach Curtis nicht einkalkuliert war. So aber übertragen sich der Unmut und das Unverständnis auf den Rängen sofort auf die Benna Boys am Feld, die im nächsten Angriff geordnet wie eine Hühnerhaufen das späte Siegestor der Amis hinnehmen. Wieder ist es Eddie Johnson, und wieder ein Ball von rechts, diesmal eine Flanke nahe der Cornerfahner, die Johnson am Fünfer völlig unbehelligt zum 2:1 einköfpt.
Totenstille im Stadion, die nur der stärker werdende Sturm und ein paar Ju-Es-E! Ju-Es-E!-Rufe zu durchbrechen vermögen. Die letzten hohen Bälle der Antiguaner bringen nichts mehr ein. 7.000 Zuschauer verlassen nach Schlusspfiff im strömenden Regen mit überwiegend hängenden Köpfen das Sir Vivian Richards Stadium. Nichts wurde es aus der Party und dem größten Erfolg in der Geschichte der Benna Boys.
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