Martin-Scherb zum 4:0-Sieg Spaniens: ‚Eher die zweiklassige Überlegenheit als Häkelei'

Spanien besiegte gestern Abend Irland standesgemäß mit 4:0 (1:0). Fernando Torres besorgte die frühe Führung (4.), danach wehrten sich die Iren gegen ein zweites Gegentor. Kurz nach der Pause tanzte dann David Silva die Abwehr aus und schob zum 2:0 ein (4

scherbesprilSpanien besiegte gestern Abend Irland standesgemäß mit 4:0 (1:0). Fernando Torres besorgte die frühe Führung (4.), danach wehrten sich die Iren gegen ein zweites Gegentor. Kurz nach der Pause tanzte dann David Silva die Abwehr aus und schob zum 2:0 ein (49.). Noch mal Torres (70.) und der eingewechselte Cesc Fabregas sorgten für den Endstand (83.). SKN-St.Pölten-Trainer Martin Scherb hat dieses Spiel exklusiv für 90minuten.at analysiert.

 

Torres statt Fabregas

Vicente Del Bosque griff mit Fernando Torres auf einen echten Stürmer zurück und agierte nicht mit dem „falschen" Stürmer Cesc Fabregas, obwohl die Iren defensiv ebenso gut gestaffelt wie die Italiener erwartet wurden. „Ich denke, Del Bosque braucht niemand etwas beweisen. Spanien hatte gegen eine sehr gute italienische Mannschaft gespielt", so EM-Experte Martin Scherb. Auch wenn es Kritik am 4-6-0 gegeben hatte, ortet Scherb andere Gründe, die nicht nur in der Offensive zu finden waren: „Er hat gestern vielleicht auch überlegt, zu Iniesta und David Silva einen robusten Stoßstürmer aufzustellen. Noch dazu werden die Spanier gewusst haben, dass Irland eigentlich nur bei Standardsituationen gefährlich werden kann, da hat ein kopfballstarker Spieler auch ganz gut getan."

 

Das erste Gegentor und die Probleme, gegen Spanien zu spielen

Ein Pass in die Tiefe, Torres schnappte sich den Ball, der von Iniesta für David Silva gedacht war und knallte den Ball aus kurzer Distanz unter die Latte. Irland-Schlussman Shay Given konnte kaum reagieren: „Der Schuss war aus kurzer Distanz und sehr scharf, aber an einem guten Tag bekommt man die Hand auch mal an so einem Ball dran." Nach nur vier Minuten wurde es für die Außenseiter noch schwerer, gegen die spielstarken Iberer zu agieren. „Du hast keine Chance, wenn du weiter vorne attackierst, du verlierst, wenn du am oder im Strafraum verteidigst, ob du 4:4:2 tief verteidigst oder ein aggressives 4:3:3 war gestern zumindest egal", so Scherb zu anderen Möglichkeiten des Verteidigens.

 

Schmutzigeres Spiel? Trotzdem fast unmöglich!

Vielleicht wäre es mit einer ‚schmutzigeren' Spielanlage mit versteckten Fouls und Verbalattacken gelungen, die Spanier aus dem Rhythmus zu bringen, aber da brauchst du auch die Spieler dazu", führt der Experte eine Alternative an. Allerdings hat „Spanien im 1:1 eine unglaubliche Qualität, dazu dieses Passspiel! Mit der Bewegung des Ball-Fordernden Spielers und der Ballmitnahme ist der rausrückende Gegenspieler schon ausgespielt. Dann ist der nächste Ire rausgerückt, ein Spanier in die Schnittstelle gegangen und nach zwei, drei Pässen wurde aus einer teilweisen 8:1 Überzahl eine ballseitige Unterzahl."

 

Zeitweise sehr aufreizend, auch beim zweiten Tor?

Die Spanier zeigten nicht nur ihr tolles Kurzpassspiel, sondern zuweilen noch etwas mehr: „Ich habe gemeinsam mit meinem Co-Trainer Hannes Spilka geschaut, wir haben spaßhalber gemeint, die Spanier haben intern ein Wette laufen: Tore außerhalb des Strafraumes zählen einen Punkt, im großen Strafraum zwei und im Fünfmeterraum drei Punkte." Gerade das zweite Tor wirkte etwas überheblich, tanzte David Silva doch auf engstem Raum drei Gegenspieler aus und schob den Ball per Gurkerl ins Netz. „Das Tor war unglaublich, den Ball aus dieser Distanz durch drei Iren durchzuschieben, war keine Verhöhnung, sondern Mittel im Zweck", meint Scherb, allerdings sei es „etwas anderes, wenn im Mittelfeld nur mehr Ferserl und mit Sohle gespielt wird, dann wird es passieren, dass einmal einer durchgrätscht." Vielleicht beobachteten dies einige, „aber es war eher die zweiklassige Überlegenheit als Häkelei!" Dass Given den Ball nie, und in der Situation speziell nicht, in die Mitte prallen hätte lassen dürfen, sei für den Experten klar.

 

Drittes Tor passiert, viertes darf nicht geschehen

Die Iren wollten gut stehen und über Konter ihr Glück versuchen: „Aufgrund des tollen Defensivverhaltens der Spanier schaffen diese es meistens, den Ball ohne Foul zu erobern. Dadurch haben sie den Iren auch ihrer Stärke bei Standards beraubt." In der zweiten Halbzeit verließ die Männer in Grün dann auch der Mut. „Wegen der hohen Fehlerquote im eigenen Passspiel passierte das. Nach einiger Zeit haben sie auch bemerkt, dass es eigentlich nichts bringt, sie kommen zu keinem vernünftigen Torabschluss, da hat der Kopf dann die Offensivarbeit eingestellt." Aus einem erwähnten Passfehler resultierte das dritte Gegentor durch Torres, das vierte dann, als der Kopf schon ausgeschalten war: „Das vierte Tor darf dann so nicht mehr passieren, Fabregas war als einziger (!) Spanier im Strafraum gegen sechs, sieben Iren, kann sich den Ball noch mitnehmen und einschießen!"

 

Warnung vor den Iren

Wer einen Alaba, Harnik oder Arnautovic im Team hat, könnte sich nun denken, dass die Iren in der WM-Quali kein allzu großer Brocken werden. „Der größte Fehler wäre dieses Spiel als Maßstab für die Chancen der österreichischen Mannschaft in der EM Quali heran zu ziehen", warnt Martin Scherb. Der Gegner in der Qualifikation habe seine unbestreitbaren Qualitäten: „Die Iren sind sicherlich keine Übermannschaft, aber sie haben ein gutes Niveau und eine große körperlicher Präsenz, die sie gestern auf Grund der spielerischen Überlegenheit der Iberer nicht zeigen konnten."

 

Martin Scherb ist Trainer des SKN St. Pölten und analysiert exklusiv auf 90minuten.at ausgewählte EM-Spiele. Dabei nimmt er Stellung zur Taktik, strittigen Szenen und bewertet die Spiele aus der Sicht eines Fußballtrainers.

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