EM-Experte Martin Scherb zum spanischen Triumph: ‚Chirurgische Passgenauigkeit'
90minuten.at-EM-Experte Martin Scherb analysiert den spanischen Triumph über Italien. Er versucht, die Genialität der ersten beiden Tore in Worte zu fassen, nimmt zu den italienischen Wechseln Stellung und vermutet, dass Cesare Prandelli, der vor der dem
90minuten.at-EM-Experte Martin Scherb analysiert den spanischen Triumph über Italien. Er versucht, die Genialität der ersten beiden Tore in Worte zu fassen, nimmt zu den italienischen Wechseln Stellung und vermutet, dass Cesare Prandelli, der vor der dem Finale ins Kloster pilgerte, noch mehr beten hätte müssen.
Das nicht verhinderbare 1:0, das geniale 2:0
„Dieses Tor war nicht verhinderbar!", attestiert der St. Pölten-Trainer, „So ein Tor hätte Reus machen können. Bis zur Grundlinie gehen, dann den Ball weg vom Tor spielen. Der Pass war perfekt, der Laufweg optimal." Ein weiterer Grund, warum das Tor nicht verhindert hätte werden können, war, dass „die italienischen Verteidiger sehr vorsichtig sein mussten, keinen Elfmeter riskieren durften." Keine leichte Aufgabe gegen Cesc Fabregas und David Silva. Das zweite Tor entstand aus einem Konter, aber für Scherb war es kein normaler: „Der Pass von Xavi auf den durchstürmenden Jordi Alba war einer der genialsten, die ich je gesehen habe. Das Tempo, der Moment des Abspiels und die Exaktheit dieses Zuspiels waren überragend. Nicht verhinderbar sondern einfach nur zum Niederknien und Hut ziehen."
Die italienischen Wechselprobleme
Giorgio Chiellini musste in der 21. Minute verletzt ausscheiden. Eine unangenehme Sache für den Trainer: „Jeder verletzungsbedingte Wechsel in der ersten Halbzeit stört, aber mehr den Trainer als die Spieler, das haben sie schon oft genug erlebt. Eine faktische Auswirkung hatte es natürlich dann später, als das Austauschkontigent erschöpft war." Der zweite Wechsel zur Pause musste aber mehr oder weniger sein, denn „es musste was passieren. Di Natale hätte seine Kopfballchance verwerten müssen, dann wäre es vielleicht noch einmal spannend geworden." Aber das Schicksal nahm seinen Lauf, Thiago Motta kam, lief und verletzte sich. Das Spiel in Unterzahl, normalerweise durch einen Ausschluss bedingt, ist aber nichts Fremdes für die Kicker: „Man trainiert Unterzahlspiel in verschieden Spielformen oder beim gruppentaktischen Training." So weit, so gut und nicht unnatürlich, aber „ein EM-Finale zu zehnt fertig spielen zu müssen, ist dann doch was anderes."
Elfmeterproblematik
In der 48. Minute, noch vor Mottas Malheur, gab es bereits Elfmeteralarm im italienischen Strafraum. Eine Szene, die David Alaba das Champions League-Finale kostete und zu der Martin Scherb eine ganz klare Meinung hat: „Für mich war das ein Elfmeter. Der Oberkörper war durch die Handbewegung breiter als normal. Ich plädiere schon lang für eine Änderung der Handspielregel, denn diese Ansagen wie „ Absicht", „aktive Bewegung", „Verbreiterung" usw. sind sehr unterschiedlich interpretierbar. Am einfachsten ist es doch so: Geht der Ball wie auch immer an die Hand, gibt es Elfmeter. Das ist für alle Beteiligten klar und einfach und unterbindet unnötige Diskussionen."
Beten
Der Elfmeter hätte eine frühere Entscheidung gebracht, aber auch mit elf Mann hätte Italien Scherbs Ansicht nach nicht gewonnen: „Was anderes außer beten hätte an diesem Tag nicht geholfen." Das Fazit zum Finale: „Spanien hat sich die beste Leistung für das Endspiel aufgehoben. Es war ein perfektes Spiel, mit der notwendigen Aggressivität, einer tollen Raumaufteilung und einer chirurgischen Passgenauigkeit."
Martin Scherb ist Trainer des SKN St. Pölten und analysiert exklusiv auf 90minuten.at ausgewählte EM-Spiele. Dabei nimmt er Stellung zur Taktik, strittigen Szenen und bewertet die Spiele aus der Sicht eines Fußballtrainers.
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