‚Im Nachhinein alles richtig gemacht' - EM-Experte Martin Scherb zum 1:0 der Deutschen gegen Portugal

Deutschland besiegt Portugal durch ein Tor von Mario Gomez (72.) mit 1:0. Die Portugiesen trafen durch Pepe (45.) und Nani (84.) zwei Mal die Latte, Varela vergab in der 88. Minute aus wenigen Metern den Ausgleich.   Klare Aufgabenverteilung Nach einem ku

scherbgerporDeutschland besiegt Portugal durch ein Tor von Mario Gomez (72.) mit 1:0. Die Portugiesen trafen durch Pepe (45.) und Nani (84.) zwei Mal die Latte, Varela vergab in der 88. Minute aus wenigen Metern den Ausgleich.

 

Klare Aufgabenverteilung

Nach einem kurzen offensiven Strohfeuer in den Anfangsminuten wurde schnell klar, wie die Aufgaben zwischen den Südeuropäern und dem großen Titelfavoriten verteilt sein würden. Deutschland, angeführt von Kapitän Philipp Lahm und weiteren sechs Bayern München-Spielern, übernahm die Kontrolle. Die Portugiesen wählten eine abwartende Ausrichtung, versuchten aber mit aggressivem Pressing mit fünf, sechs Mann dem Gegner den Ball in der Vorwärtsbewegung abzuluchsen und schnell zu kontern. „Schwer zu trainieren ist das nicht", so Martin Scherb zu dem Pressing. Die Löw-Elf tat sich durch den Druck schwer, aber „verteidigen ist immer leichter zu trainieren, als offensiv etwas zu zeigen."

 

Räume nicht konsequent genutzt

Löw stellte Jerome Boateng, eigentlich Innenverteidiger, für Cristiano Ronaldo auf der linken Offensivseite ab, Nani bekam es rechts mit Lahm zu tun. Der Real Madrid- und der Manchester United-Star schienen aber dennoch ein hohes Maß an Respekt bei den Außenverteidigern hervorzurufen. Die Mitte war zwar gut zugestellt, richtig mit nach vor gingen diese Spieler lange nicht: „Deutschland hat sich zu wenig zugetraut, Lahm hat sich zwei, drei Mal in die Offensive eingeschalten, Boateng gar nicht." Lukas Podolski und Thomas Müller waren zu statisch, „relativ leicht auszurechnen. Sie waren nur auf den Außenpositionen und sind kaum in die Mitte eingerückt."

 

Kaum Veränderung in der Pause

Ich hätte vor dem 1:0, so ungefähr nach 60 Minuten, Podolski und Schweinsteiger ausgewechselt und Klose und Götze gebracht", so Scherb. Die Portugiesen waren mit ihrem Konterspiel zufrieden, überließen den Deutschen das Spiel, die sich damit aber schwer taten. Ein zweiter Stürmer und ein zusätzlicher Wirbelwind hätten „die starren Fronten aufgeweicht." Mit wie viel Respekt voreinander grundsätzlich agiert wurde, zeigt auch ein Blick auf die Kartenstatistik. Schiedsrichter Stéphane Lannoy musste bis zu Gomez' Tor in der 72. Minute nur je zwei Mal den gelben Karton hervorholen.

 

Chancenarmut und ein nicht verhinderbares Tor

Pepe kam in der 45. Minute nach einem Eckball aus gut zehn Metern zum Abschluss. Die Deutschen schossen insgesamt nur drei Mal auf das Tor, die Portugiesen fünf Mal. Doch die späteren Sieger schlugen viele Flanken in den Sechzehner, was die Selecção eher aus Eckbällen tat. Gomez (2.), Podolski (28.), Khedira (47.) und wieder Gomez (57.) konnten die Flanken nicht verarbeiten. In der 72. Minute klingelte es aber aus eben so einer Hereingabe. Sami Khedira brachte den Ball abgefälscht aus dem rechten Halbfeld vor das Tor und Gomez, der eigentlich bei der nächsten Unterbrechung runter hätte müssen, nickte ein. „So ein Tor ist nicht zu verhindern. Der Kopfball war Weltklasse", meint der Experte. Der Schütze hatte sich gut gelöst und unhaltbar für Schlussmann Rui Patricio ins lange Eck eingenickt.

 

Spätes Aufwachen

In der Schlussphase nahmen die Portugiesen nach dem Verlusttreffer erstmals aktiv nach vorne an dem Spiel teil. Nani und Varela vergaben gute Chancen auf den Ausgleich. „Vorher wollten sie Treffer nur verhindern und waren gar nicht interessiert, das Spiel zu machen!" Die Mannschaft wurde für das späte Aufwachen nicht belohnt, nicht unverdient, da „sie außer Konter nichts beigetragen haben." Noch dazu erfolgte die Reaktion von Ronaldo und Co. nicht unmittelbar nach dem Gegentreffer, sondern erst nach einer kurzen Zeit des Sammelns.

 

„Verdienter Arbeitssieg"

Martin Scherb, der den mangelnden Mut der deutschen Nationalmannschaft kritisierte und früher umgestellt hätte, attestierte aber, Löw habe „im Nachhinein alles richtig gemacht." Portugal war über weite Strecken viel zu passiv und somit war es „ein verdienter Arbeitssieg für Deutschland." Nach dem ersten Spieltag der Gruppe B führen die Deutschen somit gemeinsam mit Dänemark vor den punktelosen Teams aus Portugal und den Niederlanden.

 

Martin Scherb ist Trainer des SKN St. Pölten und analysiert exklusiv auf 90minuten.at ausgewählte EM-Spiele. Dabei nimmt er Stellung zur Taktik, strittigen Szenen und bewertet die Spiele aus der Sicht eines Fußballtrainers.

.