Die Austria braucht einen Strategiewechsel
Foto © GEPA

Die Austria braucht einen Strategiewechsel

Das System Jürgen Werner funktioniert für die Austria finanziell nicht. Doch es gibt einen alternativen Weg.

Halbzeit im Spiel zwischen der Austria und Hartberg. Die Veilchen liegen 0:1 zurück. Dennoch hat das Stadion etwas zu feiern. Die U18 der Vorsaison bekommt den Meisterteller für die Spielzeit 2024/25 überreicht.

Die violetten Talente präsentieren die Trophäe, gleichzeitig wird auf der Osttribüne ein Spruchband entrollt: "Jugend fördern – Werner raus!! Veilchen, wir sind stolz auf euch!!"

Es sind wenige Sekunden, die die Weggabelung, an der sich die Austria befindet, vortrefflich skizzieren.

Das Geld der Investoren

Rückblick ins Jahr 2022. Im Jänner verkauft die Austria Wien AG Anteile an zwei Investorengruppen – eine davon besteht aus langjährigen Austrianern, die andere aus Jürgen Werner, seinen Bekannten und Vertretern der Spieleragentur ROOF.

In der Zwischenzeit haben sich die Anteilsverhältnisse mehrmals verschoben, eine detaillierte Auflistung dessen würde aber den Rahmen sprengen.

Tatsache ist, dass die Investoren nach dem Jänner 2022 mehrmals Geld nachschießen mussten, um die Austria finanziell über Wasser zu halten.

Seit Sommer 2022 zeichnet Werner – zunächst als Berater, ab Februar 2023 auch offiziell als Sportvorstand – für die sportlichen Geschicke der Violetten verantwortlich.

Die Austria-Fans erinnern Werner an seine Worte nach der Trennung von Coach Manfred Schmid
Foto ©
Die Austria-Fans erinnern Werner an seine Worte nach der Trennung von Coach Manfred Schmid

Die bisherigen Endplatzierungen der Ära Werner: 5, 8 und 3. Internationale Gruppenphase wurde nie eine erreicht. Und es wurde auch nie ein nennenswerter Transferüberschuss erwirtschaftet.

Geld brachten die Eigenbauspieler

Vier Spielerverkäufe (Früchtl, Braunöder, Keles, Fitz) haben in diesem Zeitraum 1 Million Euro oder mehr eingebracht. Der Verkauf von Fitz in die USA war mit 2,4 Millionen Euro der mit Abstand lukrativste.

Drei dieser vier genannten Spieler kommen aus dem eigenen Nachwuchs. 33 Spieler hat die Austria in den sieben Transferzeiten unter ihrem aktuellen Sportvorstand verpflichtet oder ausgeliehen. Das sind fast 5 Neuzugänge pro Transferzeit, etwas mehr als 9 pro Saison.

Das Ziel der allermeisten dieser Transfers: Die Mannschaft ad hoc zu verbessern, um ins internationale Geschäft zu kommen, um dort dringend benötigte Kohle zu verdienen.

Diese Strategie ist nicht aufgegangen. Die Austria schreibt Jahr für Jahr ein operatives Minus. Nur der Stadionverkauf an die Stadt Wien und der Schuldenschnitt bei der Bank Austria haben zuletzt das Überleben des Klubs gesichert.

Ein bisschen Falco, ein bisschen Ost
Foto ©
Ein bisschen Falco, ein bisschen Ost

Aktuell droht das nächste Minus. Spielerverkäufe müssen den FAK finanziell retten. Denn der Kader für die neue Saison war darauf ausgelegt, zumindest bis zum Winter international zu spielen, und im Idealfall national um einen Titel.

Nach fünf Runden hat die Austria aber nur einen Punkt am Konto, ist im Europacup und im ÖFB-Cup schon ausgeschieden. Und das mit einem Kader, der vermeintlich der beste seit langer Zeit ist. Das dürfte eine Fehleinschätzung gewesen sein.

Keine Perspektive

Doch wie soll das weitergehen? Die Austria kann nicht von Saison zu Saison mit dem Prinzip Hoffnung auf Europacup-Gelder stolpern. Und das jedesmal mit einem Kader, bei dem man nicht einmal eine ganze Hand braucht, um die Spieler abzuzählen, die Millionensummen am Transfermarkt bringen könnten.

Die jüngste Startelf, die Trainer Stephan Helm in der aktuellen Saison aufs Feld geschickt hat, hatte einen Altersschnitt von 27,8 Jahren, zuletzt lag er bei 29,1 Jahren.

Die Austria braucht einen Strategiewechsel. Und es ist der ideale Zeitpunkt dafür.

Auch ohne Junge kämpft die Austria in der Regel um die Teilnahme an der Meistergruppe

Wenn es im Finish der Transferzeit noch gelingt, Maurice Malone und Abubakr Barry zu verkaufen, sollte im operativen Geschäft erstmals seit einer gefühlten Ewigkeit am Jahresende ein Plus stehen.

Doch dann braucht es eine Perspektive für die Zukunft. Diese kann nur im Aufbau von jungen Spielern liegen. Es ist für die Austria weitaus realistischer, durch Transfers Geld zu verdienen als durch Europacup-Auftritte.

Wann, wenn nicht jetzt?

Die Voraussetzungen dafür sind gegeben. 2024 wurde die U16 Meister, 2025 die U18, zudem gelang den Young Violets mit einer sehr jungen Truppe der Aufstieg in die 2. Liga, in der sie mit ebenjener Truppe bislang gut reüssieren. So schlecht können die Jungen also nicht sein.

Oder anders argumentiert, auch ohne Junge kämpft die Austria in der Regel um die Teilnahme an der Meistergruppe.

Eine Marktlücke

In Zeiten, in denen sich neben RB Salzburg auch der SK Sturm und Rapid – zum Teil sogar der WAC – vermehrt um internationale Talente bemühen und den eigenen Akademiespielern so den Weg in die Kampfmannschaft weitestgehend versperren, könnte die Austria mit dieser Strategie eine aufgegangene Lücke am Markt füllen, österreichische Talente zunehmend für ihren Weg begeistern.

Einschub: Das mag nicht bedeuten, dass die Strategien von Salzburg, Sturm und Rapid schlecht wären, sie spielen finanziell in Sachen Zu- und Verkäufe inzwischen einfach in einer anderen Liga und können so in ausländische Spieler investieren, die sich die Austria derzeit nie und nimmer leisten kann.

Die Fans könnten der Strategie etwas abgewinnen
Foto ©
Die Fans könnten der Strategie etwas abgewinnen

Das mag auf den ersten Blick vielleicht nicht übermäßig sexy klingen, ist aber mutmaßlich der einzig gangbare Weg, um mittel- bis langfristig (finanziell) wieder wirklich konkurrenzfähig zu werden.

Ob Werner bereit wäre, diesen Weg zu beschreiten, ist ungewiss. Dass die Fans lieber heute als morgen die sportlichen Geschicke in anderen Händen sehen würden, ist offenkundig.

Innerhalb des Vereins ist man sich uneins. Im Sommer 2026 läuft der Vertrag von Sportdirektor Manuel Ortlechner aus. Im Dezember 2026 jener von Sportvorstand Jürgen Werner. Über Letzteren entscheidet der Aufsichtsrat, dessen Besetzung bis dahin ein zähes Ringen diverser Kräfte sein wird.

Leseempfehlung! Vor sieben Monaten wurde statistisch herausgearbeitet, warum die Austria mit Transfers so wenig Geld verdient:


Kommentare