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Wie der ORF Rapid-Niederlagen erklärt

Derzeit werden Rapid-Niederlagen von Reportern entweder mit einer zu hohen Belastung oder einer zu langen Spielpause erklärt. Das ist seltsam.  Ein Kommentar von Gerald Gossmann

 

Doppelbelastung. So lautet die Wort gewordene Ausrede österreichischer Bundesligatrainer, wenn Sand im Getriebe ist. Von einer Doppelbelastung spricht man dann, wenn ein Verein nicht nur in der Bundesliga sondern auch im Europacup antreten muss. Besondere Dramaturgen neigen gar zum Wort „Dreifachbelastung". Sie zählen im Rausch der Dramaturgie dann den Cup-Bewerb dazu. Eigentlich sind die Bezeichnungen Doppel- und Dreifachbelastung irreführend. Es gibt im Fußball nur eine Belastung: sie nennt sich Saisonbetrieb.


Rapid, Austria und Salzburg müssen, sofern sie ihre Hausaufgaben auch erledigen, jedes Jahr mit dieser Doppelbelastung leben. Sie haben für österreichische Verhältnisse die stärksten Kader und das meiste Budget. Heuer hat es nur Rapid geschafft, bis Dezember im Europacup zu spielen. Rapid-Trainer Zoran Barisic, ansonsten ein Befürworter der Ausredenkultur, hat sich für heuer vorgenommen, nicht ständig von der Doppelbelastung zu jammern. Das ist löblich.

 

Weil das Jammern aber durch die letzten Jahre schon so etwas wie Tradition hat, wollen viele Reporter das auch so weiterführen – selbst wenn der Trainer nicht so recht jammern mag. Verliert Rapid also derzeit ein Bundesligaspiel, wie zuletzt daheim gegen Salzburg, dann stellen die Männer mit dem Mikro in der Hand traditionsbewusst die Frage nach der Doppelbelastung. ORF-Mann Rainer Pariasek tat das letztens im Interview mit Zoran Barisic. Während anderswo Reporter gegen die Ausreden der Trainer ankämpfen, versucht man sie ihnen hierzulande in den Mund zu legen. Barisic erwähnte zwar, dass er nicht darüber jammern wolle, aber er bestätigte, dass er froh über die Länderspielpause sei – zwecks Erholung. Was im Interview nicht zur Sprache kam: Während der schweren Euroapcup-Wochen mit den vier Spielen gegen Ajax Amsterdam und Shaktar Donetzsk holte Rapid in der Meisterschaft 5 Siege, bei nur einem Remis und einer Niederlage. Nach der langen Länderspielpause darauf aber verlor Rapid das Spiel in Altach. Zuletzt hatte Rapid nur zwei Europacup-Spiele innerhalb eines Monats. Gleichzeitig verlor man in der Meisterschaft aber drei von fünf Spielen und gewann nur zwei.


Das widerspricht der ständig propagierten Logik. Trotzdem hat das Thema „Doppelbelastung" Hochsaison. Jedenfalls medial. Heiße Wochen kündigt Sportdirektor Andreas Müller aktuell an. Sieben Spiele warten auf Rapid in 22 Tagen. Was heiß klingt ist dagegen Normaltemperatur im europäischen Fußballbetrieb. Europacup-, Liga- und Cupspiele wechseln einander ab. Das ist mehr gewöhnlich, weniger speziell. Sofern ein österreichischer Verein die Qualifikationshürde für den Europacup meistert, ist dieses Programm zu absolvieren. Und trotzdem wird es jedes Jahr aufs Neue zum unüberwindbaren Nachteil aufgebauscht, wenn der Normalbetrieb des Fußballgeschäfts durchlaufen werden muss.

 


Marcel Koller erklärte vor kurzem, er verstehe das Gejammer nicht. „Es ist eine Kopfsache, sich darauf einzustellen." Und auch Zoran Barisic erwähnte vor dem Spiel gegen den WAC: „Je öfter wir darüber reden, desto eher werden die Spieler an die Müdigkeit denken und sie wirklich spüren."


Vor dem Spiel beim WAC war klar: die Ausrede „Doppelbelastung" fällt weg. Rapid hatte aufgrund der Länderspielpause zwei Wochen lang kein Pflichtspiel. In Wolfsberg verlor man trotzdem 1:2. Rapid tut sich gegen Mannschaften, die tief stehen und schnell umschalten, generell schwer. Deshalb verlor man nach der letzten Länderspielpause auch in Altach. ORF-Mann Oliver Polzer fragte Trainer Zoran Barisic, ob es sein kann, dass der „Spielfluss in der Länderspielpause verloren geht"? Polzer fragte danach, obwohl Rapid das letzte Spiel vor der Länderspielpause verloren hatte. Aber sollte nicht ein Lauf vorhanden sein, um ihn auch verlieren zu können? Barisic´Antwort: „Kann sein, muss nicht sein. Wir wussten, dass der Gegner sehr tief stehen wird und übers Umschaltverhalten kommen wird."


Konkret heißt das: Verliert Rapid während englischer Wochen, begründet man es mit der „Doppelbelastung. Verliert Rapid nach einer längeren Pause, begründet man es mit dem Spielfluss, der durch die lange Pause verloren ging. Beim WAC sprechen Reporter noch heute von der Doppelbelastung, die man mit dem kleinen Kader nicht verkraftet hat. So versucht man Platz 10 zu erklären. Dabei hatten die Wolfsberger ihre vier Europacupspiele von Mitte Juli bis Anfang August. Seither kann man sich auf Bundesliga und Cup konzentrieren.


Die Ausrede „Doppelbelastung" wird – so scheint es – weiterhin Hochsaison haben. Vor allem dann, wenn Reporter oder Trainer Niederlagen nicht anders erklären wollen oder können.

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