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Fack Ju Realität

Rapid zeigt gerade vor, dass der österreichische Klubfußball mehr Möglichkeiten hätte, als er selbst glaubt.  Ein Kommentar von Gerald Gossmann

 

Rapid ist die Mannschaft der Stunde. Nur Zentimeter fehlten gestern, um diesen Status fest einzuzementieren. Rapid hätte beinahe geschafft, was man im österreichischen Fußball von vornherein eher abwinkt oder lächelnd als unrealistisch erklärt. Realistisch bleibt aber dann doch was Realität ist. Rapid wäre beinahe in die Königsklasse marschiert – gegen Donezk. Trotz allem Surrealismus. Rapid zeigt damit vor allem jenen, die nichts für möglich halten, was möglich wäre, wenn... Ja wenn.

 

Oft muss die Kleinheit der Liga oder der ständige Abgang der besten Kicker als Ausrede herhalten. Es heißt dann: Das globale Ganze frisst das lokale Unfertige im Fußball auf. Was nicht ganz unrichtig ist, ist aber eben auch nicht ganz richtig. Länder wie die Schweiz zeigen nebenan immer wieder, dass vor allem gute Pläne viel davon wettmachen können. Basel liegt in der europäischen Klubrangliste auf Platz 19, die Young Boys Bern auf Platz 69. Der beste österreichische Klub, Salzburg, liegt auf 47. Die Austria kommt als zweitbester österreichischer Verein auf Rang 97. Der Rest ist Niemandsland außerhalb der Top 100. Salzburg hat die letzten Jahre viel vorexerziert. Nicht in erster Linie das Geld, sondern erst ein guter Plan brachte den Verein in die Top 50 Europas. Ein guter Plan besteht im modernen Fußball aus einer klaren Spielphilosophie, einem danach ausgerichteten Scouting, guter Nachwuchsarbeit und Forschungsarbeit, wohin der globale Fußball strategisch tendiert. Salzburg hat die letzten Jahre vieles davon berücksichtigt. Rapid tut es dem Erzrivalen seit kurzer Zeit gleich. Die Mannschaft hat eine klare Spielphilosophie, holt dazu passende Spieler und setzt auf die Jugend. Wer diese Aufgaben halbwegs ordentlich erledigt, wird in Österreich eine sehr gute Rolle spielen, womöglich auch international. Salzburg hat das die letzten Jahre getan, Rapid tut es jetzt. Schon die Wiener Austria unter Peter Stöger zeigte, dass der Plan, die Herangehensweise, den Unterschied macht. Stöger spielte mit dem nahezu identen Kader, der in der Vorsaison noch Vierter wurde, eine Rekordsaison.

 

Realistisch ist was Realität ist
Die großen Drei des österreichischen Fußballs – Rapid, Salzburg und Austria – können natürlich dorthin, wo Salzburg die letzten Jahre war. Ins Mittelfeld des internationalen Fußballs. Das Nationalteam dümpelte unter Constantini zwischen Platz 80 bis 100, jetzt liegt es auf Rang 14. Vor allem ein nachvollziehbarer Plan ist dafür verantwortlich. Die Nationalmannschaft wurde für die nächste Qualifikation aus Topf 2 gezogen, ein hinüberflutschen in Topf 1 scheint nicht mehr unrealistisch. Unrealistisch ist schließlich nur, was nicht Realität ist. Das Nationalteam schafft sich seine Realität gerade selbst.

 

adidas rapid trikot verlosungRapid steht am Beginn einer Entwicklung. Oft hat man den Eindruck, dass sogar bei dem einen oder anderen Abgang im Hintergrund bereits gleichwertiger Ersatz bereitstehen würde. Die Spielphilosophie hat der Mannschaft ein Fundament gebaut, in der sie sich sicher fühlt und stark sein traut. Automatismen greifen, wenngleich der Matchplan oft noch ausbaufähig ist. Rapid hat den Fußball mit ihren Adaptierungen nicht neu erfunden. Rapid macht das, was alle Klubs machen, die weiter nach vorne wollen. Rapid zeigt derzeit, dass es ausreichen könnte, einfach den Standard zu erfüllen anstatt hinterwäldlerisch der Moderne hinterherzuhinken und sich im Jammern zu verlieren.


Es ist nicht der österreichische Fußball und seine naturgegebene Limitation an dem die Klubs scheitern. Der österreichische Fußball scheitert öfter an schlechten Plänen als gute Pläne am österreichischen Fußball scheitern.

g.gossmann@90minuten.at