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Ein Ausscheiden mit Ansage

Österreichs U-20 Nationalteam ist im Achtelfinale raus. Das Ausscheiden war absehbar. Ein Kommentar von Gerald Gossmann

 

Österreichs U-20 ist also im Achtelfinale ausgeschieden. Gegen Usbekistan. Eigentlich war das absehbar. Der Krug geht solange zum Brunnen bis er bricht, sagt man. Auf das österreichische Nachwuchsnationalteam umgemünzt würde das wohl heißen: Man spielt so lange ängstlich bis man ausscheidet. Die U-20 von Teamchef Andreas Heraf begann das Turnier eigentlich ausgezeichnet. Im ersten Gruppenspiel gegen Ghana war man den Afrikanern überlegen, spielte flüssig nach vorne, kam zu einigen Torchancen. Bis kurz vor Schluss führten die Österreicher 1:0. Dann gelang Ghana noch der Ausgleich. Man hatte den Eindruck, dass vor allem die Ängstlichkeit der Österreicher die Afrikaner mutig machte. Heraf wechselte schon eine halbe Stunde vor Schluss zwei Defensivspieler für zwei Offensive. Österreich wollte hinten gut stehen, stand aber am Ende nur mehr hinten drinnen. Gegen Panama schien es, als ob Heraf seinen Fehler – nämlich zu viel Angst vorm Erfolg zu haben – beheben konnte. Österreich ging in Rückstand. Der Rückstand schien gar nicht einmal so verkehrt, da Österreich dadurch die Angst vorm Verlieren verlor. Wer zurückliegt, braucht keine Angst vor einem Rückstand haben. Österreich drehte das Spiel, führte 2:1 und kassierte gegen Ende fast wieder den Ausgleichstreffer. Heraf ließ lange die Stürmer im Spiel, kurz vor Schluss tauschte er aber wieder Defensive für Offensive.

 

Zu jemandem, der sich nichts zutraut, traut man sich hin
Im letzten Gruppenspiel gegen Argentinien reichte ein Punkt zum Aufstieg, das wusste man. Argentinien spielte bis dahin eine matte WM, holte nur einen Punkt aus zwei Spielen. Heraf verlegte sich aber im Gegensatz zu den ersten beiden - sehr guten – Partien beinahe ein ganzes Spiel lang auf ein Abwehrgefecht. Anfangs versuchten die Österreicher noch zu kontern, später knallte man die Bälle nur mehr vogelwild nach vorne. Argentinien baute immer mehr Druck auf. Logisch. Zu jemandem, der sich nichts zutraut, traut man sich hin. Argentinien hatte eine hundertprozentige Möglichkeit nach der anderen. Die letzte halbe Stunde stellte Heraf sogar zwei Fünferketten vor dem eigenen Tor auf – dadurch wurden die riesigen Torchancen der Argentinier wirklich weniger. Es blieb bei Torchancen. Österreich versuchte nicht einmal mehr zu kontern. Die Argentinier griffen an. Wenn ein Österreicher den Ball erwischte, schoss er ihn wieder zu einem Argentinier, die wieder angriffen. Das ging beinahe ein gesamtes Spiel so.

 


Angst vorm Erfolg
Es wirkte nicht so, als ob Österreich nicht anders können würde. Das haben auch die ersten beiden Partien gezeigt. Es wirkte so, als ob Österreich Angst vorm Erfolg hätte. Gegen Ghana und Panama – als es noch wenig zu verlieren, aber viel zu gewinnen gab – spielte man mutiges Pressing. Aber schon dort zeichnete sich ab, dass sobald man etwas zu Verlieren hatte, ängstlich wurde. Teamchef Heraf erklärte nach dem letzten Gruppenspiel, das 0:0 endete und den Aufstieg brachte: „Wir haben taktisch die Variante mit zwei Fünferketten dazu genommen. Normalerweise plane ich das nur für die letzten 5-10 Minuten." Heraf erzählte davon beinahe stolz. Später wurde davon gesprochen, dass die Taktik Herafs aufgegangen sei. Was aber ein aus der Euphorie entstandener Trugschluss gewesen sein muss. Denn: Kann eine Taktik aufgehen, wenn bloß der Zufall, das Glück oder das Unvermögen des Gegners verhindern, dass eine von mindestens zehn Großchancen der Argentinier auch im Tor landet? Ist eine Taktik auch gut, wenn sie eigentlich schlecht ist?

 

Österreich hatte viel zu verlieren
Im Achtelfinale kam es wie es kommen musste. Österreich ging gegen Usbekistan als Favorit ins Spiel. Österreich hatte aber zu viel zu verteidigen. Jetzt konnte man plötzlich nicht mehr nur gewinnen, sondern hatte viel zu verlieren. Eine Ausgangssituation, die Heraf – jedenfalls seinen bisherigen Entscheidungen nach zu urteilen – nicht besonders liegt. Heraf ließ verhalten spielen. Mit hohen Bällen. Über 90 Minuten lang. Das funktionierte nicht recht. Aber die hohen Bälle flogen weiter. Heraf wollte hinten wenige Räume preisgeben. Und dass das 0:1 genau da viel, als Österreich mit seinen Formationen aufrückte, bestätigte ihn wahrscheinlich sogar.


Usbekistan spielte die 2:0-Führung locker bis ins Ziel. Eine „Double-Five", also eine doppelte Fünferkette setzten sie nicht ein. Usbekistan stand nicht einmal besonders tief. Und auch die Bälle schlugen sie nicht vogelwild nach vorne, um das Ergebnis zu retten. Usbekistan ist aufgestiegen, weil es weniger Angst und mehr Lust auf den Aufstieg hatte als Österreich.
Usbekistan steht deshalb verdient im Viertelfinale. Österreich ist verdient ausgeschieden. Die Taktik des Teamchefs ist nicht aufgegangen. Sie hat gegen Argentinien nur kurzfristig verhindert, dass das offensichtlich wird.

>>> Siehe auch - Kommentar von Gerald Gossmann: Die Angst vor dem Erfolg