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Die Angst vor dem Erfolg

Das österreichische U-20 Nationalteam hat bei der Weltmeisterschaft den ersten Sieg geholt und das Achtelfinale in Griffweite. Die Angst vor dem Erfolg ist noch nicht verflogen. Ein Kommentar von Gerald Gossmann .

Wer Österreich siegen sehen mag, muss früh auf. 6 Uhr Anpfiff, der österreichische Rundfunk überträgt live aus Neuseeland. Das österreichische U-20 Nationalteam hat vier Punkte nach zwei Spielen. Das Achtelfinale ist in Griffweite. Das Team von Andreas Heraf spielt einen guten Fußball. Wäre da nicht ein kleines Manko: Die Ängstlichkeit.

 

Defensive gegen Ghana verstärkt
Österreich spielte schon im ersten Gruppenspiel gegen Ghana recht flott. Ghana soll Mitfavorit auf den Titel sein, am Platz war das nicht ersichtlich. Österreich kontrollierte die Afrikaner sechzig Minuten lang, spielte schnell nach vorne, kam regelmäßig zu Torchancen. Dann aber der Bruch: Teamchef Heraf wollte eine halbe Stunde vor Schluss auf Nummer sicher gehen und die 1:0-Führung absichern. Mit Gruber und Brandner brachte er in Minute 64 und 73 zwei defensive Spieler für die zwei Stürmer Grubeck und Gschweidl.


Österreich gab das Spiel zusehends aus der Hand. In der 90. Minute erzielte Ghana den Ausgleich per Elfmeter. Die Herangehensweise von Heraf ist keine untypische. Immer wieder setzen Trainer auf einen Rückzug nach Führung, weltweit. Gefühlsmäßig selten geht das gut. Heraf nahm mit der Maßnahme seine Mannschaft aus dem Spiel. Selbst wenn sie die Kraft für Gegenstöße aufbrachte, fehlten vorne die Anspielstationen. Kein Stürmer, kein Sturm. Das bekannteste Beispiel für diesen Coaching-Denkfehler im Nachwuchsbereich lieferte Manfred Zsak vor einigen Jahren. Gegen Finnland ging es in zwei Partien um die Teilnahme an der U21-EM. Nach einem 2:1 zu Hause führte Österreich auch auswärts 1:0 gegen völlig unterlegene Finnen. Nach dem 1:0 stellt Zsak um, ordnet ein Rückzugsgefecht an, sein Team verliert 1:2, die Finnen werden immer stärker, gehen in die Verlängerung und gewinnen das Elferschießen. Zsak brachte damit einen Gegner zurück, der bereits ausgeschieden war und heillos überfordert den Österreichern Raum und Zeit ließ.

 


Zeigt sich Heraf lernresistent?
Deshalb galt es heute um 6 Uhr Früh aufzustehen, vor dem Fernseher Platz zu nehmen und darauf zu achten – wie reagiert Andreas Heraf heute, sollte Österreich in Führung liegen? Lernt er aus seinem offensichtlich begangenem Fehler oder zeigt er sich lernresistent?


Österreich startete wieder gut organisiert gegen ein robustes und ebenfalls sehr organisiertes Panama. Panama spielte überhart, oft auch unfair und ging 1:0 in Führung. Österreich, unbeeindruckt, erzielte vor der Pause das 1:1, kurz darauf den 2:1-Führungstreffer. Jetzt wird es spannend. Wie reagiert Heraf nun, nach dem angeordneten Rückzug im ersten Spiel? Er reagiert anders. Er tauscht Stürmer für Stürmer, Mittelfeldspieler für Mittelfeldspieler. Er bringt frische Kräfte, ohne aber einen derartigen Rückzug wie gegen Ghana zu verursachen. Österreich bleibt stark, weil der Trainer die Nerven behält. Herafs Team kommt zu Chancen und zu zwei Elfmetern. Beide werden vergeben. Dazu erhalten zwei Spieler Panamas die rote Karte. Österreich spielt die letzten zehn Minuten zu elft gegen neun Panamaer.


Jetzt bekommt es Teamchef Heraf doch mit der Angst zu tun. Er wechselt Stürmer Grubeck aus und bringt den defensiven Brandner. Österreich wird von neun Mann in den eigenen Strafraum gedrängt. Das mag in erster Linie daran gelegen haben, dass die Spieler plötzlich nervös wurden, gegen neun Mann doch noch den Ausgleich zu erhalten. Es mag aber auch am Zeichen des Trainers gelegen haben: jetzt gilt es zu verteidigen, deshalb bringe ich einen Defensivspieler für einen Stürmer. Heraf hat lange richtig reagiert und am Ende doch wieder die Nerven weggeschmissen – seine Mannschaft tat es ihm gleich.
Österreich kassierte dieses Mal keinen späten Ausgleich, das Spiel wurde gewonnen. Österreich hält damit bei 4 Zählern nach zwei Spielen. Österreich hat den ersten Sieg geholt und den Aufstieg griffbereit. Die Angst davor scheint noch nicht verflogen.

>>> Stimmen nach dem Spiel - Heraf: 'Es war eine Kunst, das Spiel so spannend zu halten'

>>> Video Highlights - Austria v. Panama - Match Highlights FIFA U-20 World Cup New Zealand 2015