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Der Mann, der seinen Spielern vertraut

Marcel Koller hat das österreichische Nationalteam nicht nur 50 Plätze in der Weltrangliste nach vorne geführt. Er hat seine Spieler auch von ihren Traumata befreit. Ein Kommentar von Gerald Gossmann


Ein bisschen gehüpft ist er ja, Marcel Koller. Jedenfalls innerlich. Ein bisschen auch nach außen. Dem Teamchef war die Euphorie über das Erreichte nach dem Spiel anzumerken. Einen Tag danach sitzt der Schweizer als wäre nichts gewesen vor den Journalisten, mit ernstem Blick und klarer Stimme. Marcel Koller hat Österreich seit seinem Amtsantritt von Platz 71 auf den 20. Rang der Weltrangliste geführt, mit dem nahezu identen Kader seines Vorgängers. Österreich hat das Ticket für die Europameisterschaft so gut wie gelöst. Aber Koller bleibt nüchtern. „Es war bis zum Schluss hektisch und spannend, das braucht man als Trainer eigentlich auch nicht jedes Mal", sagt er. Euphorie bremsen – Marcel Koller weiß, dass das wichtig ist. Er weiß aber auch, dass sein Team stark ist. „Klar wollen wir noch weiter nach vorne. Oder: Ich will weiter nach vorne", sagt er am Tag nach dem Sieg in Russland. Koller, von der Statur her eher schmal, hat eine breite Brust. Sein Team ist jetzt dort, wo er es immer schon haben wollte. Anfangs bemängelte er, dass den Spielern die Siegermentalität fehle. Sein damaliger Assistent Fritz Schmid verriet mit gar einmal, dass das Trainerteam beinahe bestürzt darüber war, wie wenig die Spieler an den eigenen Erfolg glaubten. Wer hatte diese Spieler derart verunsichert, schien sich Schmid damals zu fragen.

 

Wenig aufbauende Worte
Didi Constantini sagte im Juni 2011 noch in der FAZ: „Eine Fußball-Weltmacht sind wir bei weitem nicht und waren es auch nie. Wir hatten vor Ewigkeiten schöne Erfolge. Aber derzeit ist das Umfeld in einem kleinen Land mit einer kleinen Liga nicht geschaffen für Großtaten im Fußball."


Die deutsche Zeitung konterte, dass derzeit 15 Spieler in den deutschen Profiligen spielen würden. Constantinis Antwort: „Es müsste wieder eine österreichische Vereinsmannschaft in der Champions League mitspielen. Das hat seit Jahren keiner mehr geschafft. Also kannst du auch keinen Krankl oder Prohaska oder Polster erzeugen."


Sein Vorgänger Josef Hickersberger sagte einst, dass das Training nur 15 Minuten dauerte, weil man nur die Stärken trainieren wollte. Seine Aussage war als Scherz gemeint. Wirklich lachen konnte trotzdem niemand.
Und Hans Krankl sagte: „Es ist unsere Chance, dass wir eigentlich keine Chance haben."

 

Was oft wiederholt wird, setzt sich irgendwann fest
Da kam schon viel Negatives zusammen. Sehr aufbauend wirkten die Worte der Koller-Vorgänger selten. Was oft wiederholt wird, setzt sich irgendwann fest. Auch beim willigsten und selbstbewusstesten Spieler. Dazu kamen die regelmäßigen Misserfolge auf dem Feld. Einige ehemalige Teamchefs gaben ihrer Mannschaft wenig taktisches Rüstzeug mit, um auf dem Feld bestehen zu können, und redeten die Spieler, wenn sie wieder einmal nicht bestanden hatten, danach noch schlecht. Keine gute Kombination.


Koller und Schmid hatten anfangs vor allem damit zu kämpfen, diesen Knoten zu lösen. Den Knoten, der die Spieler nicht mehr daran glauben ließ, mit dem Nationalteam auch Erfolge feiern zu können. Anfangs ließ das Trainerteam Fotos in der Kabine aufhängen: mit Spielern in Jubelpose. In der aktuellen Qualifikation jubelten die Spieler tatsächlich außergewöhnlich oft. Von sechs Spielen wurden fünf gewonnen und eines Unentschieden gespielt. Koller sagt: „Klar wollen wir noch weiter nach vorne."


Er merkt, dass seine Spieler ihr Trauma abgelegt haben.

 

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