Verpokert sich Rapid erneut?
Zoran Barisic soll auch im nächsten Jahr Rapid trainieren. Darauf hat sich Sportdirektor Andreas Müller festgelegt. Aber wie schon im Vorjahr verhält sich der Verein im Verhandlungspoker wenig klug. Eine Analyse von Gerald Gossmann
Zoran Barisic kann im Grunde einen Strich unter seine persönliche Leistungsbilanz ziehen. Eine Bilanz, die zwei Dinge über den Trainer sagt: Barisic hat einen Europacupstartplatz so gut wie fixiert und sich damit zugleich als Bundesliga-Trainer etabliert. Auch wenn Rapid selbst im vierten Anlauf gegen Grödig keinen Sieg holen konnte, der Verein liegt auf Rang zwei, sechs Punkte vor dem wetteifernden Dorfklub. Imagemäßig steht Barisic heuer um Längen besser da als Vorgänger Schöttel im letzten Jahr. Und auch Rapids Sportdirektor Andreas Müller schwärmt vom hemdsärmeligen Barisic. Und nicht nur das. In seiner Euphorie spielte der Deutsche dem Rapid-Trainer sogar alle Karten im anstehenden Verhandlungspoker zu: „Wir werden alles Menschenmögliche tun, um Zoki hier zu halten. Er ist der Erbauer, der Erschaffer dieser Mannschaft. Das soll er auch in Zukunft sein", frohlockte Müller nach einer Siegesserie von fünf Spielen.
Dabei sah noch vor sieben Runden die Lage gar nicht rosig aus. Aus den neun Spielen vor der Siegesserie holte Rapid nur einen Sieg, kassierte fünf Niederlagen. Nicht, dass Rapid in dieser Negativphase immer schlecht spielte. Rapid spielte nicht wesentlich anders als während der Siegesserie zuletzt. Gegen Gegner, die viel Raum hergaben, recht ansprechend. Gegen Gegner, die hinten dicht machten, mühten sie sich ab. Eine Trainerdiskussion kam trotzdem nie auf. Rapid zu gut, um schlecht zu sein aber auch zu schlecht um gut zu sein Rapid war irgendwie zu gut um schlecht zu sein, aber auch zu schlecht um gut zu sein. Barisic erklärte das Auf und Ab mit der mangelnden Chancenverwertung. Dann folgte die Serie von fünf Siegen infolge, noch dazu ohne Gegentor. Rapid spielte nicht anders als davor, aber irgendwie benötigte Rapid nicht mehr drei oder vier Chancen. Jetzt saß die Erste. Oder die Zweite. Oder zumindest die Vierte. Was aber an den Problemstellen nichts änderte: Rapid spielt recht ansprechenden Fußball, aber in die entscheidenden Zonen und zu klaren und ausreichenden Torchancen kommt die Mannschaft – vor allem gegen tief stehende Gegner - zu selten, um die nötige Konstanz in die Ergebnisse zu bringen. Rapid holte heuer in 33 Spielen 14 Siege, spielte 11 Mal Remis, kassierte 8 Niederlagen. Lange Zeit sah es gar so aus, als würde der Dorfklub aus Grödig am Ende vor dem Rekordmeister aus Wien landen. Oft war Rapid heuer Durchschnitt, zwar mit Tendenz nach oben, aber selten mehr. Warum unterwirft sich Müller? Damit stellt sich die Frage: Warum begibt sich der Rapid-Sportdirektor in eine beinahe unterwürfige Position im Verhandlungspoker mit seinem Trainer? Warum sagt er: „Wir werden alles Menschenmögliche tun, um Zoki hier zu halten", wo doch Peter Schöttel mit einer ähnlichen Punkteausbeute im letzten Jahr gehen musste? Ein Grund liegt auch im Abschneiden des Stadtrivalen. Während die Austria heuer nach 29 Runden punktegleich einen Platz hinter Rapid rangierte, thronten sie im Vorjahr zum selben Zeitpunkt mit 66 Zählern stolz auf Platz eins. Das kam nicht gut an. Nicht Vereinsintern, nicht beim Anhang. Der Stadtrivale, mit den beinahe selben Voraussetzungen, lag zwanzig Punkte vor Rapid. Das war ein Problem. Vor allem für Schöttel. Der moserte, aus seiner Sicht nicht ganz unrichtig: „Das größte Problem von Rapid ist der Erfolgslauf der Austria." Der Erfolgslauf der Austria wurde tatsächlich zu Schöttels größtem Problem. Es war schlussendlich auch der Vergleich mit dem davonmarschierenden Stadtrivalen, der ihm die vorzeitige Beurlaubung brachte. Heuer ist die Situation eine andere. Rapid hat drei von vier Derbys gegen die Austria gewonnen. Das vermittelt dem Verein und der Öffentlichkeit, dass man das vergleichbare Potential im Gegensatz zum Stadtrivalen besser ausschöpft. Auch wenn man dabei vergisst, dass die Austria heuer mit starken Leistungsschwankungen zu kämpfen hatte und oft Unterdurchschnittliches produzierte. Obwohl Rapid heuer planmäßig auf Platz zwei und damit vor der Austria liegt: mehr als Durchschnitt mit noch zu behebenden Problemfeldern ist nicht herausgekommen. Faire Lösung? >>> Schon gesehen? Köln steht Kopf: Bierdusche für Peter Stöger [Bilder]
Barisic holte nicht mehr Punkte als Schöttel im Vorjahr, dafür die Austria weniger
Im Grunde wäre es für beide Seiten – für Trainer und Verein – eine befriedigende Situation, würde der Vertrag von Barisic verlängert. Rapid kann sich derzeit ohnehin keinen Trainerwechsel leisten, nachdem weiterhin die Zahlungen an den im letzten Jahr beurlaubten Peter Schöttel das dafür nötige Geld auffressen. Und auch Zoran Barisic wird sich vor Angeboten anderer Klubs erwehren können. Denn trotz der spielerischen Weiterentwicklung der Mannschaft konnte Barisic nicht mit wesentlich mehr Punkten als sein Vorgänger punkten. Peter Schöttel hielt imVorjahr nach 29 Runden bei 46 Zählern, das ergab Platz 3. Danach wurde er beurlaubt. Zoran Barisic kam heuer nach 29 Runden auf 45 Punkte, also auf einen Punkt weniger, was für Platz 2 reichte. Was eines deutlich zeigt: Barisic lässt zwar den attraktiveren Fußball spielen, punktemäßig schlägt sich das aber nicht nieder.
Rapid wird trotzdem mit Zoran Barisic verlängern, was nicht falsch sein muss. Das Rapid-Spiel gibt zumeist Hoffnung auf mehr. Auch wenn es selten gänzlich zufriedenstellt. Auf starke Vorstellungen gegen offensive Teams wie Salzburg folgten zumeist biedere Auftritte gegen tiefer stehende Mannschaften. Spielerisch hat sich Rapid trotzdem weiterentwickelt, Platz zwei in der Tabelle gießt diesen Aufwärtstrend auch plastisch in eine Form. Trotzdem stellt sich die Frage: Warum hat Barisic nach einer eher durchschnittlichen Saison plötzlich die Karten im Verhandlungspoker in der Hand, als hätte er das Glanzstück der Austria vom Vorjahr mit Rapid wiederholt? Denn plötzlich entscheidet nicht mehr die Vereinsführung, ob man dem Trainer auch in der nächsten Saison das Vertrauen schenkt. Sondern der Trainer entscheidet, zu welchen Konditionen er überhaupt verlängert.
„Euroapcup"-Klausel könnte den Verein erneut unnötig in eine Drucksituation bringen
Barisic hat die Karten in der Hand. Vor allem deshalb, weil sie ihm vom Sportdirektor unaufgefordert zugeworfen wurden. Und er scheint sein gutes Blatt zu nützen. Wie die, in solchen Belangen immer sehr gut informierte, Kronenzeitung berichtet, soll der neue Vertrag von Barisic als Cheftrainer der Kampfmannschaft bis zum Ende der kommenden Saison laufen. Dazu dürfte Barisic eine Klausel durchgesetzt haben, die in Österreich durchaus Tradition hat: Schafft es Rapid in der nächsten Spielzeit auf einen Europacupstartplatz, verlängert sich sein Kontrakt um eine weitere Saison. Da Österreich in der Spielzeit 14/15 jedoch wieder einen zusätzlichen Startplatz hat, scheint die Vorgabe an den Trainer noch einfacher als zuletzt. Die ersten vier Vereine aus der Meisterschaft qualifizieren sich für den Europacup. Holt der Meister auch den Cup, spielen die ersten fünf Vereine der Liga international.
Barisic müsste also in der nächsten Saison unter den ersten vier, womöglich sogar nur unter den ersten fünf Mannschaften der Liga landen, damit sich sein Vertrag verlängert. Damit könnte es zum Szenario kommen, dass Rapid im Europacup spielt, die Vereinsführung mit der Entwicklung der Mannschaft und einem etwaigen dritten, vierten oder fünften Platz trotzdem nicht zufrieden ist und auf dem Trainer zwangsweise sitzen bleibt. Denn finanziell kann es sich der Verein schwer leisten, erneut einen Trainer zu vollen Bezügen spazieren zu schicken.
Schon bei der Vertragsverlängerung von Peter Schöttel zur Halbzeit des Vorjahres agierte der Verein wenig klug. Der damalige Sportdirektor Helmut Schulte erklärte, dass nur „ein starker Trainer, ein guter Trainer" sei. Sprich: nur eine vorzeitige Verlängerung, gebe ihm auch das Standing um erfolgreich arbeiten zu können. Rapid verlängerte mit Schöttel vorschnell um zwei weitere Jahre. Schöttel startete daraufhin eine Negativserie. Nach 29 Runden wurde er beurlaubt. Seitdem geht er auf Vereinskosten spazieren. Wie der „Kurier" kürzlich berichtete, hatte auch Schöttel eine solche „Europacup-Klausel" in seinem Vertrag. Hätte sich Rapid heuer nicht für den Europacup qualifiziert, hätte sich auch Schöttels Vertrag nicht um ein weiteres Jahr verlängert.
Jetzt soll auch der neue Vertrag von Barisic eine derartige Klausel enthalten, die den Verein aber erneut schnell in eine Drucksituation bringen könnte. Dazu stellt sich die Frage: Warum benötigt es überhaupt eine Klausel, die dem Trainer auch bei einem vierten oder gar fünften Platz einen Weiterverbleib sichert? Warum einigen sich Vereinsführung und Trainer nicht auf den einzig fairen Kompromiss: Wenn Barisic die Mannschaft in der nächsten Saison kontinuierlich weiterentwickelt, wird sein Verbleib ohnehin nur Formsache sein. Sollte ihm das nicht gelingen, wäre eine Trennung ohne Verbindlichkeiten für alle Seiten die fairere Lösung als ein Trainer, der nach Misserfolgen ein Jahr lang auf Vereinskosten spazieren geht.