Stöger ist kein Türöffner
Adi Hütter würde gerne einmal ins Ausland wechseln, Roger Schmidt hat zwei konkrete Angebote auf dem Tisch. Branchenkenner legen sich fest: Peter Stöger hat die Tür geöffnet und Trainer der heimischen Liga salonfähig gemacht. Die Rechnung muss aber nicht
Roger Schmidt ist derzeit der Trainer der Stunde. Jedenfalls in der österreichischen Bundesliga. Kein anderer Coach kann vorweisen, was er vorzuweisen hat: zwei Angebote aus der deutschen Bundesliga.
Schmidt hat sich das erarbeitet. Salzburg stand heuer im Europaleague-Achtelfinale, wurde überlegen Meister und spielt Fußball wie man ihn hierzulande nicht spielt: Schnell, temporeich, technisch versiert, angriffig, erfolgreich. Ganz unösterreichisch irgendwie. Internationale Medien berichteten über das Spiel der Salzburger. Und über den Architekten dieses Spiels: Roger Schmidt. Die kolportierten Angebote aus Leverkusen und Frankfurt scheinen nur die logische Folge dessen zu sein, was sich Schmidt über die Saison erarbeitete.
Für das nennenswerte Ausland benötigt es aber kein Mittelmaß sondern Überdurchschnitt. Von daher stellt sich die Frage: Ist es wirklich realistisch, dass der erfolgreiche Stöger einen Schneeballeffekt auslöst, der heimische Trainer über die Landesgrenze schwemmt? In erster Linie war es das Konzept, die moderne funktionierende Spielstrategie der Austria, die zwangsweise auf Stöger hinwies, unabhängig von seiner Nationalität. Köln hatte zwei Kandidaten ganz oben auf der Liste. Roger Schmidt und Peter Stöger. Beide überzeugten mit ihrer Idee Fußball zu spielen, mit Pressing, mit einstudierten Spielzügen, gepaart mit Führungsqualität. Nach solchen Trainern giert der deutsche Fußball. Schmidt sagte ab. Der Kölner Jörg Jakobs, promovierter Sportwissenschaftler, legte sich auf Stöger fest. Stöger hatte den Fokus auf sich gelenkt, weil er vom Gewohnten des heimischen Kicks abwich. Auf dem deutschen Taktikportal „Spielverlagerung.de" analysierte ein österreichischer Autor die Austria unter Stöger: „Im Spielaufbau machen sich die Veilchen in erster Linie die großen gruppentaktischen Mängel österreichischer Vereine zunutze." Oder: „Diese Wiener Austria unterstreicht obendrein, wie leicht man sich in der österreichischen Bundesliga mit ausgereiften taktischen Mitteln abheben kann. Mit beinahe demselben Kader beendete man die Saison 2011/2012 auf Platz vier, holte 28 Punkte weniger als in der abgelaufenen Spielzeit. Es wurde also weniger die individuelle Klasse gesteigert, sondern vielmehr das Zusammenwirken der einzelnen Akteure und Sektionen." Stöger hat gezeigt, wie man überzeugt. Überzeugen muss aber weiterhin jeder Trainer für sich selbst. Peter Stöger überzeugte mit einem funktionierenden Konzept und machte damit deutlich, dass gute Arbeit in der österreichischen Liga ausreicht um auch in Deutschland erfolgreich zu sein. Das könnte den Fokus ausländischer Vereine tatsächlich verstärkt nach Österreich lenken. Stöger ist durch seine Erfolge in Köln zum österreichischen Traineraushängeschild mutiert. Er ist das Vorbild, das gezeigt hat, wie es gehen kann. Was aber seinen Nachahmern wenig hilft, wenn sie nicht mit außergewöhnlichem Konzeptfußball zu überzeugen wissen. Es ist kein Zufall, dass Roger Schmidt, der außergewöhnlichen Konzeptfußball entwickelte, Stöger in die Deutsche Bundesliga folgen könnte. Köln holte nicht vordergründig einen Österreicher sondern einen Konzepttrainer. Was klar zeigt: Trainer werden nicht nach ihrer Nationalität sondern nach ihrem Konzept verpflichtet. Es wäre der falsche Umkehrschluss zu glauben, dass ausländische Klubs am heimischen Trainermarkt künftig zugreifen wie am Basar, weil Stöger das Image einer ganzen Trainerzunft hob. Peter Stöger hat mit seinen Erfolgen in Köln vor allem sein eigenes Image gehoben. Nächstes Jahr wird er in einer der besten Ligen der Welt trainieren. Für die restlichen Trainer der österreichischen Liga gilt weiterhin: Der Schlüssel, der die Tür öffnet, liegt in einem modernen funktionierenden, erfolgreichen Konzept, das auch international Beachtung findet. Nicht in Stöger, dem Türöffner, der mit seiner Werbung für österreichische Coaches nur ein paar Prozentpunkte drauflegen kann. Überzeugen müssen heimische Nachahmer weiterhin selber. Jeder für sich.
Österreichische Experten führen zuweilen noch einen anderen Grund an, warum Schmidt & Co. zunehmend auch für gute ausländische Klubs interessant sein könnte. Der Grund heißt: Peter Stöger. Er ist der Türöffner, für die bislang verschmähte Spezies heimischer Übungsleiter und alle die hier trainieren und bislang wenig Beachtung fanden. „Bisher waren es nur einige Spieler, plötzlich sind auch die Trainer der heimischen Bundesliga für Deutschland interessant. Danke Peter Stöger!...Erster Nutznießer des Türöffners könnte Roger Schmidt sein", analysiert Frenkie Schinkels in seiner „Heute"-Kolumne.
Konzept überzeugte, unabhängig von der Nationalität
Aber ist es wirklich so einfach? Musste wirklich erst Stöger die deutschen Nachbarn darauf hinweisen, dass hier Fußball gespielt wird, dass hier Trainer werken oder war der Blick ohnehin immer da, nur erfüllte keiner die Anforderungen? Helmut L. Kronjäger, ehemaliger Bundesligatrainer, analysiert gerade in einem Interview auf sportnet.at: „Neun Bundesliga-Vereine sind optisch nicht zu unterscheiden. Sie versuchen ein sogenanntes Pressing zu spielen, das mit Pressing, wie es zum Beispiel Salzburg spielt, nichts zu tun hat." Damit trifft der Fußballexperte den Punkt. Auch wenn Videoanalyse und das Bewusstsein für automatisierte Bewegungsabläufe zunimmt: Immer noch produzieren heimische Übungsleiter vor allem mittelmäßige Strategien, die sich zwar langsam an die Moderne heranpirschen, aber noch zu zögerlich.