Der an das Gute glaubte

Mit Helmut L. Kronjäger ist ein Querdenker des österreichischen Fußballs verstorben. Ein Nachruf von Gerald Gossmann

 

Helmut L. Kronjäger war nie Teamspieler, nie Meister als Bundesligatrainer, er war überhaupt nur kurz Cheftrainer in der Bundesliga. Helmut L. Kronjäger ist gestern gestorben. Nach langer Krankheit, im Alter von 61 Jahren. Und es geht ein Großer des österreichischen Fußballs mit ihm. Ein Mensch, der es sich nicht einfach machte, indem er nichts sagte. Sondern einer, der es sich schwer machte, indem er etwas sagte. Mit Helmut L. Kronjäger geht einer, der in seinen letzten Jahren immer mehr zum Kritiker der Strukturschwächen des österreichischen Fußballs wurde. Ein Kritiker, der nicht des Selbstzwecks wegen kritisierte, sondern einer möglichen Weiterentwicklung wegen. Einer, der nicht nur einmal seinen eigenen Vorteil für die kollektive Weiterentwicklung des großen Ganzen hergab.

 

„Petz" als Sympathiebekundung

Seine Freunde nannten ihn einheitlich und bewusst Petz. Petz war irgendwie so etwas wie eine codierte Sympathiebekundung. Wer Helmut „Petz" nannte, der sagte damit: Du bist mir sympathisch. Viele nannten Helmut „Petz". In den letzten beiden Jahren wurden es immer mehr. Sie wurden beinahe zu einer Armee, die ihm Hoffnung machte. Jeder Anruf, jede Nachricht, jedes Mail gab Petz Kraft, für deren Beantwortung er seine letzte Kraft zurückgab. „Das L steht für Leben", war sein Motto für ein Leben, das er gestern verlor. Jedenfalls im hier und jetzt.

 

Leben war für Petz aber nicht auf das irdische Dasein begrenzt. Petz war einer jener, die immer an das Gute glaubten. Er war einer, der daran glaubte, dass alles gut wird. Und wenn nicht hier, dann woanders. „Ich glaube an Gott", schrieb er in seinem letzten Mail an mich: „Unsere Seelen haben sehr viel Energie. So viel, dass es schade wäre, wenn es am Ende des Lebens einfach vorbei sein sollte. Dafür habe ich viel zu viel in mein Leben investiert." Petz war es wichtig, dass er seinen Fußballern ein guter Trainer war, aber noch viel wichtiger war es ihm, ihnen ein guter Mensch, ein gutes Vorbild zu sein. In den letzten Jahren erhielt er immer wieder Post oder Besuch von Fußballern, die er einst trainierte. David Alaba meldete sich, Manuel Ortlechner, Spieler von Sturm Graz, die Nationalteamspieler. Für Petz war das der Beleg dafür, dass ihn seine Spieler mit seiner Message verstanden hatten.

 

Kein Kritiker, sondern ein Verbesserer

In Österreich trainierte er im Trainerstab des großen Ivan Osim. Später war er Cheftrainer in Ried und Co-Trainer vieler ÖFB-Nachwuchsauswahlen. Wenn Petz sich vom österreichischen Fußball nicht mehr verstanden wusste, ging er auf die Salomon-Inseln, ins Königreich Bhutan oder nach Sri Lanka. Der österreichische Fußball und Helmut Kronjäger, das war eine Liebesbeziehung, aber am Ende auch irgendwie eine zerrüttete Ehe.

 

Petz war ein Querdenker, die letzten Jahre auch zunehmend der kritische Geist des heimischen Fußballs. Es war sein Geschenk und Fluch zugleich, dass er sich nie mit Gesetzmäßigkeiten zufrieden gab. Viele im heimischen Fußballbusiness nahmen es Petz übel, dass er sie zwischen den Zeilen, manchmal auch deutlich in seinen Zeilen kritisierte. Seine Kritik war immer eine Art Systemkritik, die selten so viel Berechtigung hat, wie in Österreich. Was viele nicht sahen oder nicht sehen wollten, war, dass Petz mit seiner Kritik nicht zum bösen Angriff ausholte, sondern jedes Mal aufs Neue verzweifelt um Verbesserung flehte. Um Verbesserung einer Sportart, die er liebte, die er gerne viel professioneller betrieben gesehen hätte.

 

Petz war ein Denker. Einer, der seinen Verstand nicht im Spind einer Fußballkabine abgab. Und auch in seiner Krankheit war er Vorreiter. Mithilfe von Facebook und Twitter machte er seinen Zustand, sein Leiden, seine guten Phasen, wenn er am Strand saß und seine schlechten Phasen, wenn er umgeben von Schläuchen im Krankenhausbett lag, öffentlich. Das mag manche irritiert haben, weil Krankheit auf Facebook seltener geteilt wird als Strandurlaube.

 

Kronjäger hat seinen Followern damit aber vor Augen geführt, wofür das „L" in Helmut L. Kronjäger steht. Nämlich für Leben. In all seinen Facetten. Auch in jenen, die gesellschaftlich immer mehr ausgeblendet werden. Petz blendete seine Krankheit nicht aus. Er verstand sie als Teil seines Lebens, als Prüfung, als Aufgabe. In seinem letzten Mail an mich vor wenigen Monaten erzählte er, wie er gesund werden wolle: „Ich habe meine „Leuchttürme" das sind kurz- und mittelfristige Ziele. Die nächsten „Leuchttürme" sind erst mal aus dem Krankenhaus kommen, meinen Geburtstag am 30.6 zu erleben. Und im Herbst einen Urlaub in Kroatien. Am Strand sitzen, hören wie die Möwen kreischen, die Brandung rauscht. Ich baue mir Bilder auf, visualisiere, erlebe quasi schon die Situationen. Ich habe immer von meinen Spielern verlangt 100 Prozent zu geben. Ich bin als Trainer Vorbild, meine Familie braucht mich, meine Freunde wollen mit mir und ich mit ihnen noch etwas erleben. Diese Aussichten, diese Bilder helfen mir."

 

Keine Niederlage

Auf der anderen Seite gab Petz sein Leben in Zufriedenheit ab. Dem Internetportal „Sturm12.at" gegenüber erzählte er im Interview: „Ich bin nach der Diagnose im Bett gelegen und hab mir gedacht, was eigentlich mein letzter Wunsch wäre. Und mir ist nichts eingefallen. Weil ich in mir glücklich bin. Ich brauch keinen Sonnenuntergang auf Madagaskar mehr zu sehen."

 




 

Wer Petz kennt, der weiß, dass er keine Niederlage aus seinem verlorenen Kampf macht, sondern die Erlösung als Sieg versteht. Thomas Trukesitz (Sky) hat es so formuliert: „Wahrscheinlich hat er längst den FC Himmel gegründet und auf irgendeiner Wolke das erste Training geleitet." Wer Petz kannte, der weiß, dass das nicht weit hergeholt ist.