Das Problem heißt nicht Salzburg
Nicht die Stärke von Salzburg sondern die Schwäche der restlichen Großklubs ist ein Problem für die Liga. Eine Analyse von Gerald Gossmann
Die Tabelle der österreichischen Bundesliga gibt nach vier Runden ein seltsames Bild ab. Jedenfalls abseits von Salzburg, das mit zwölf Punkten erwartungsgemäß an der Spitze thront. Gleich dahinter: Wolfsberg mit ebenfalls 12 Punkten. Die vermeintlichen Großklubs hinken punktemäßig hinterher. Rapid: 5 Punkte. Sturm Graz: 4 Punkte. Austria Wien: 3 Punkte. Während Salzburg von Schützenfest zu Schützenfest eilt, dümpeln die drei potentiellen Verfolger im Niemandsland. Rapid ist als Vierter bereits sieben Punkte hinter Salzburg, das man eigentlich nicht so schnell wie in der letzten Saison davon eilen lassen wollte. So lautete jedenfalls die Theorie.
In der Praxis eilt Salzburg aber schnellen Schrittes davon. Salzburg spielt mittlerweile nicht nur wie von einem anderen Stern sondern auch in einer anderen Liga als die restlichen Klubs. Rapid, Austria und Sturm können mit reinem Gewissen davon sprechen, dass Salzburg nur schwer zu schlagen sein wird. Das zeigen auch die Ergebnisse. Salzburg gegen Rapid 6:1, Salzburg gegen Wr. Neustadt 5:0, Salzburg gegen Grödig 8:0.
Was sagen diese Ergebnisse aber über den Zustand der Liga?
Ist es ein Problem, wenn Salzburg einen Gegner nach dem anderen niedermäht? Und heißt das im Umkehrschluss, dass Salzburg der Liga schadet, weil es zu stark für die restlichen Klubs geworden ist? Oder schaden die restlichen Großklubs der Liga, weil sie es nicht schaffen, am Spitzenreiter nur annähernd dran zu bleiben? Was klar ist: Der Liga tut es insgesamt nicht gut, wenn eine Mannschaft am Ende dreißig Punkte vor allen anderen steht. Es bleibt die Frage: Muss das so sein?
Fest steht: Salzburg setzt in der Liga die Maßstäbe. Sie haben das meiste Geld. Sie haben das beste Konzept. Aufholen könnten Rapid, Austria und Sturm nur, wenn sie ebenfalls ein gut durchdachtes Konzept entwickeln. Salzburg hat in den Jahren vor Ralf Rangnick gezeigt, dass Geld alleine nicht Fußball spielt, erst als sich ein durchdachtes Konzept dazu gesellte, spielte Salzburg seine Gegner an die Wand. Was auch klar zeigt: Rapid, Austria und Sturm fehlt es in erster Linie nicht zwangsweise an mehr Geld sondern an einem ähnlich strukturierten Konzept.
Wenig Philosophie, gar nicht so wenig Geld
Und da hakt es zumeist. Rapid spielt unter Zoran Barisic einen gepflegten, aber einen wenig konstanten Fußball. Von einer großen Vereinsphilosophie ist weit und breit nichts zu bemerken. Im Vordergrund steht das Stadion, das irgendwann alle Probleme in einem Aufwaschen beheben soll. Sturm Graz hat sich seit dem letzten Meistertitel unter Franco Foda noch immer nicht von der eigenen Philosophielosigkeit erholt. Mit Hyballa wollte man offensiv spielen, mit Schopp defensiv, jetzt unter Milanic zuerst defensiv und jetzt doch ein bisschen offensiver. Für welche Spielweise man Spieler verpflichtete, war nie wirklich durchdacht. Das gleiche Bild bei der Austria, die mit Daxbacher offensiv, mit Vastic defensiv, mit Stöger kontrolliert offensiv und mit Bjelica eher defensiv spielte. Trainer und Spieler wurden zumeist ohne konzeptionellen Hintergedanken verpflichtet, was mehrmals einen Neubeginn zur Folge hatte. Es ist kein Zufall, dass beide Mannschaften derzeit dem Erfolg hinterhertaumeln – mit Spielern, die durch die ständigen Philosophiewechsel selbst die Orientierung verloren zu haben scheinen, während gleichzeitig in Salzburg Trainer- und Spielerverpflichtungen strikt nach einer einheitlichen Philosophie getätigt werden.
Die Salzburger-Kombination aus Fachwissen in der sportlichen Führungsebene und dem vielen Geld des Dosenherstellers wird schwer zu schlagen sein. Aber man könnte mit einem guten Konzept die Meisterschaft länger spannend halten und bei einem Schwächeln des Krösus zur Stelle sein. So wie die Austria, vor gerade einmal einer Saison.
Muss man sich mit der Chancenlosigkeit abfinden?
Derzeit haben sich Salzburgs Verfolger mit der Chancenlosigkeit abgefunden. Aber muss man das? Es scheint weniger ein Problem für die Liga zu sein, dass Salzburg acht Tore über Grödig, dem Dritten der letzten Saison, steht, als dass Rapid, Austria und Sturm derartige Gegner nicht besiegen können. Es erscheint zudem wenig nachvollziehbar, warum bei Rapid, Austria, Sturm ernsthaft darüber diskutiert wird, ob man aktuell überhaupt Zweiter, Dritter, Vierter werden kann? Natürlich kann man das. Natürlich muss man das. Jedenfalls so lange man ein höheres Budget, eine bessere Infrastruktur und bessere Spieler als alle außer Salzburg hat. Salzburg gibt 61 Millionen Euro für eine Saison an. Die Austria 24 Millionen, Rapid 22 Millionen, Sturm 12 Millionen (Quelle: Offizielle Finanzzahlen der Klubs via KSV 1870 aus der Saison 2012/13). Salzburg hat also ein beinahe dreimal so hohes Budget wie der Konkurrent aus Hütteldorf und ein zweieinhalb mal so hohes wie die Wiener Austria. Gegenüber Sturm Graz hat man den fünfachen Betrag zum Ausgeben zur Verfügung. Man kann festhalten, was ohnehin jeder weiß: Salzburg hat viel mehr Geld als seine Verfolger. Was man auch festhalten kann: Rapid, Austria, Sturm sind in vielen Bereichen für Grödig, WAC, Altach & Co. das, was Salzburg für Rapid, Austria und Sturm ist. Sie sind im Größenvorteil. Rapid und Austria haben beinahe rund sechs mal so viel Geld zur Verfügung wie Wr. Neustadt oder Grödig, viermal so viel wie der WAC oder die Admira. Was deutlich macht: Grödig oder der WAC sind also von der Austria und Rapid weiter entfernt als Rapid und die Austria von Salzburg. Trotzdem scheint der Klassenunterschied geringer zu sein.
Was Salzburg für die Wiener Großklubs ist, sind die Wiener Großklubs für den Rest der Liga
Das lässt den Rückschluss zu, dass man mit dem höheren Budget etwas falsch gemacht, die falschen Spieler oder die falschen Trainer geholt oder einfach die falsche Strategie gewählt hat. Denn wie sonst wäre ein Wettbewerbsvorteil sonst zu einem Nachteil verkommen.
Dazu kommt: Die verbliebenen Liga-Großmächte entledigen sich in vorauseilendem Gehorsam aller Meisterschaftsansprüche, aufgrund eines Konkurrenten, gegen den sie im Grunde nur viermal pro Saison antreten. Rapid, Austria und Sturm treten je viermal im Jahr gegen Salzburg an. Ansonsten trifft man auf Gegner, gegen die man von der Papierform her zumeist Favorit ist. Die Austria konnte in ihrer letzten Meistersaison kein einziges Spiel gegen Salzburg gewinnen, trotzdem waren sie am Ende vorne. Sprich: Man muss Salzburg anscheinend nicht schlagen, um Meister zu werden. Die Austria holte in der Meistersaison unter Peter Stöger gegen Salzburg nur zwei Punkte aus vier Spielen. Was aber auffällt: Gegen die vermeintlich Kleinen der Liga (also gegen alle bis auf Salzburg, Rapid und Sturm) punktete die Austria, bis auf 3(!) Spiele, immer voll. Verloren wurde gar nur ein Spiel. In Wolfsberg. Rapid konnte in derselben Saison zwölfmal gegen Kleine nicht gewinnen.
Was deutlich macht: Es reicht anscheinend Konstanz gegen von der Papierform klar unterlegenen Gegner um vorne dran zu bleiben und eventuell sogar für den Meisterteller.
Die Großklubs scheitern nicht an Salzburg sondern zumeist an sich selbst
Jetzt könnte man argumentieren: Nur Salzburg ist auf jeder Position mehr als doppelt gut besetzt. Rapid, Austria und Sturm können die qualitativ weniger hochwertigen Kader über eine ganze Saison nicht kompensieren und sind deshalb weniger konstant. Stimmt aber auch nicht. Weil Grödig, WAC und Altach auch in dem Punkt noch immer unterlegen sein müssten. Sie haben weniger breite Kader, können demnach weniger gut konstant sein. Die Ressourcen der Wiener Großklubs müssten dafür ausreichen. Trotzdem wurde Grödig im letzten Jahr Dritter, vor der Austria, vor Sturm Graz. Obwohl Grödig nicht nur die schlechten infrastrukturellen Voraussetzungen kompensieren musste. Sondern auch einen Wettskandal und Spielerknappheit zu verkraften hatte.
Es macht zunehmend den Eindruck, dass die verbliebenen Großklubs der Liga, nicht an Salzburg, sondern an sich selbst scheitern. Natürlich kommt vielen die Ausrede gelegen, dass Salzburg in einer eigenen Liga spielt. Das stimmt auch. Dass man selbst in einer anderen Liga spielen sollte als die Mannschaften von Wolfsberg bis Altach verschweigt man dagegen gerne.
g.gossmann@90minuten.at