Hyballa: Der mediale Kampf ist eröffnet
Sturm Graz holte im Herbst zwei Punkte mehr als im Vergleichszeitraum der Meistersaison. Nach zwei sieglosen Frühjahrsrunden steht Trainer Hyballa unter Dauerbeschuss. Seine Gegner und deren vertraute Medienvertreter machen dabei gemeinsame Sache. von Ger
Die Zeilen heimischer Kolumnisten lesen sich derzeit ähnlich. Hyballa und sein Partner Tumani stehen unter Beschuss. Die Kritikpunkte: Fehlende Sozialkompetenz, Unruhe in der Mannschaft, Gegner im Verein. Die Kommentare und Artikel haben eines gemein: Sie verurteilen den Führungsstil des Sturm-Duos und verweisen dabei auf namentlich nicht genannte Quellen. Das liest sich dann, wie etwa in der Sportwoche, so: „Bei den beiden hat man das Gefühl, dass sie nicht für, sondern gegen Sturm arbeiten. Man kriegt vermittelt, dass bei Sturm abgesehen von ihnen nur Idioten am Werk sind."
Was wie verletzter Stolz eines Mitarbeiters klingt und auch so eingeordnet werden müsste, wird zum Argument gegen Hyballas und Tumanis Arbeitsstil aufgeblasen. Viele andere Argumente lesen sich ähnlich. Was auch logisch erscheint, weil Journalisten gerade nichts anderes tun, als mit den einheimischen, gut vertrauten Personen im Verein zu palavern, um Insiderinfos zu bekommen. Diese Insiderinformationen werden 1:1 zu Papier gebracht, die Motive dahinter verschwiegen.
Dass die fremden Hyballa/Tumani bei Sturms Aufsichtsräten, Präsidiumsmitgliedern und alteingesessenen Funktionären geringere Beliebtheitswerte als beispielsweise Schopp/Haas genießen, ist keine Neuigkeit. Die Bestellung der beiden Deutschen erfolgte noch unter Gludovatz/Houben. Beide sind mittlerweile nicht mehr im Verein tätig. Seither wird kräftig geschossen. Bisher verhinderte alleine der Erfolgslauf im Herbst, als zwei Punkte mehr als in der Meistersaison unter Foda geholt wurden, ein zeitigeres Bashing.
Scheitert Sturm an Hyballa oder Hyballa an Sturm?
Viele Artikel gehen jetzt in dieselbe Richtung. Sturm-Vereinsmitglieder nützen ihre guten Kontakte zur steirischen Ausgabe der Kronenzeitung, zur Kleinen Zeitung, auch zu anderen Medien. Die Journaille giert förmlich nach den persönlich motivierten Insiderinfos. Der journalistische Skandal dabei: Die Presse ordnet die Stimmungsmache nicht als persönlich motiviert ein, sondern bringt sie 1:1 zu Papier – als Beleg für die Nichtkompatibilität von Hyballa/Tumani mit Sturm. Für viele Medienvertreter scheint klar: Sturm scheitert an Hyballa/Tumani. Auf den Gedanken, dass Hyballa/Tumani an Sturm scheitern könnten, kommen sie nicht. Jedenfalls wollen sie nicht darauf kommen. Die Frage, ob Sturm für professionelle Strukturen überhaupt geeignet ist, stellt sich für viele Pressevertreter nicht. Der mediale Krieg ist ein Einsatz für langjährige Vertraute, die mit Insiderinfos nicht geizen und gegen das fremde Duo, das sich um Exklusivinfos für die Presse nicht schert. Das ist das alte Spiel, in seiner streirischen Version.
Die Rache der Verschmähten
Ein Mitgrund für die Ablehnung des Cheftrainers: Hyballa hat sich in seiner kurzen Amtszeit mit zwei Sturm-Ikonen angelegt. Auf der einen Seite mit Mario Haas, der auch in hohem Alter noch dem Ball nachjagen wollte. Hyballa setzte ihn auf Bank und Tribüne.
Markus Schopp, der eigentlich gerne anstelle des Deutschen Cheftrainer geworden wäre, empfahl er dazuzulernen. Hyballa spricht aus, was ihm nicht passt. So auch die Jugendarbeit. Was wiederum den Nachwuchstrainern nicht passt. Das mag alles nicht diplomatisch, vielleicht sogar in seiner schonungslosen Offenheit unklug sein. Aber es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht unrichtig, Mario Haas in seinem Alter nicht mehr in ein taktisches Konzept zu pressen, Schopp nicht zum Vastic zu machen und der Jugendarbeit keinen Freibrief zum Fuhrwerken auszustellen.
Die schonungslose Offenheit wird Hyballa aber zunehmend als Arroganz ausgelegt. Er hat es sich in kurzer Zeit mit zu vielen Sturm-Mitgliedern verscherzt. Und die Rache weht ihm jetzt mithilfe der Medien um die Ohren. Bei erster Gelgenheit kommunizierten die Verschmähten ihren vertrauten Medienvertretern Insiderinformationen. Daraus resultiert gerade Kommentar um Kommentar. Sogar unabhängigere Medien als die steirische Krone schließen sich der Berichterstattungswelle an. Der Informationsfluss der Journalisten, auf den sie in ihrer Arbeit angewiesen sind, würde bei einer Verteidigung von Hyballa/Tumani wohl endgültig versiegen. Das wollen viele nicht riskieren.
„Die Bundesliga hat mit dem SK Sturm also den ersten Krisenklub des Frühjahrs", schreibt laola1.at und verschweigt dabei, dass Mattersburg unter Lederer und Rapid unter Schöttel ebenso nur einen Punkt aus zwei Spielen ergatterten. Auch die null Punkte des Didi Kühbauer mit der Admira reichen anscheinend nicht zur Krise. Sturm mit dem deutschen Hyballa ist der erste Krisenklub der Saison, obwohl man auf einem Tabellenplatz steht, den man vor Saisonbeginn als Ziel ausgegeben hat. Einem Euroapcupstartplatz.
Schreibt es sich gegen Hyballa leichter als gegen Schöttel?
Ein standhafter Kritikpunkt der Kritiker: Hyballa hat es sich mit der Mannschaft verscherzt, zu viele Spieler ausgewechselt, viele vor den Kopf gestoßen. Es soll hier gar nicht die Frage gestellt werden, ob Hyballa wirklich zu konfus Personalentscheidungen trifft. Auch andere Trainer sollen schon Spieler bevorzugt oder verschmäht haben. Die Frage ist eher, ob Medienvertreter auch gegen Pacult, Hickersberger oder Schöttel so vorgegangen wären. Also gegen gut Vertraute.
Denn eines ist klar: Eine Welle an Medienkritik kann ein Fass schnell zum Überlaufen bringen. Damit könnten auch die Gegner Hyballas bei Sturm spekulieren, während sie gut vertrauten Medienvertretern freizügig Insiderinfos stecken. Langjährige Sturm-Insider vermuten: Das Ziel könnte sein, Hyballa/Tumani zu einem überstürzten Handtuchwerfen zu bewegen, um Verträge nicht ausbezahlen zu müssen. Daher nimmt man die Medien mit ins Boot, um die Stimmung zu kippen. Ein Beispiel dafür, dass das Spiel nicht immer so läuft: Bei Pacult wusste jeder Journalist von seinem wortkargen Umgang mit der Mannschaft, dazu kamen auch fachliche Mängel. Die Aussage von Ragnvald Soma, wonach es bei Rapid kein Taktik-Training gäbe, machte aber erst nach Pacults Abgang die Runde. Während seiner nicht immer unumstrittenen Amtszeit entwickelte sich selten ein Medienecho wie jetzt gegen Hyballa/Tumani.
Es ist Faktum, dass Hyballa nicht immer nachvollziehbar seine Personalentscheidungen trifft. Aber auch beispielsweise Pacult setzte ohne Grund und für längere Zeit Spieler auf die Tribüne. Das war bei Kavlak so, ebenso bei Drazan. Auch Peter Schöttel hat sich nach Amtsübernahme schnell von Spielern getrennt. Als interne Begründung für Journalisten führen Trainer dann oft den fehlenden IQ, die fehlende Professionalität eines Spielers an. Das wird von der Journaille geschluckt. Jedenfalls dann, wenn sie mit langjährigen Vertrauten sprechen.
Bei Hyballa verhält sich die Vorgangsweise umgekehrt. Hier sind die Gegner des Deutschen die Vertrauten der Journalisten. Und so liest sich auch weitgehend die Berichterstattung.
g.gossmann@90minuten.at
Gastkommentar zum Thema von Fabian Zerche, sport10.at: Bringen Hyballa und Tumani das Kartenhaus zum Einsturz?