Helmut Schulte: Ein Prellbock für die Öffentlichkeit

Helmut Schulte kann nur wenig für Rapids Zustand. Und trotzdem manifestiert sich die Krise auch an seiner Person. Von Gerald Gossmann


Helmut Schulte blickt zunehmend betreten drein. Sein Gesichtsausdruck hat sich im Laufe der elf Frühjahrsspiele verschlimmert. Seit der Großdemonstration der Fans vor drei Wochen ist er eingefroren. In Deutschland galt Schulte als Mann des Volkes, als kompetenter Sympathieträger. In Hütteldorf fordern ihn die eigenen Fans „zurück an die Waterkant". Das ist neu für den Deutschen und lässt ihn zunehmend ratlos wirken. Denn Helmut Schulte findet sich gerade auf einer Großbaustelle wieder, die so für ihn nicht zu erahnen war. Noch dazu ist er darin der Polier, der die Mängel vergangener Jahre beheben soll. Schulte ist fassungslos, dass sich die Wut der Fans an seiner Person entlädt, wo er doch wenig Schuld am Status quo des Rekordmeisters trägt. Aber warum steht Schulte eigentlich in der Kritik?


Die Geschichte muss von vorne erzählt werden: Als vergangenes Jahr die Idee für die Installierung eines Sportdirektors entstand, war Rapid wieder einmal in der Krise. Es war Spätherbst in Hütteldorf und nahezu traditionell standen Präsident, Manager und Trainer unter Dauerbeschuss. Schöttel wuchs seine Doppelfunktion aus Trainer und Sportdirektor sichtlich über den Kopf. Er sollte Niederlagen nicht nur verantworten, er musste auch alleine dafür gerade stehen. Öffentlich. Ein Sportdirektor könnte da Abhilfe schaffen, war die Idee. Auch weil Peter Schöttel beklagte, dass Erfolge wie der Einzug in die Europaleague-Gruppenphase nicht besser öffentlich vermarktet wurden. „Es stimmt, dass schlecht kommuniziert wird. Uns fehlt ein Gesicht", sprach der Präsident, durchleuchtete einen Haufen an Kandidaten und präsentierte Helmut Schulte. Angeblich auf einen Hinweis von Andreas Herzog, der schon Terrence Boyd vermittelte.


Wenig Spielraum für eine eigene Interpretation
Rapid installierte Helmut Schulte also nicht vorrangig um strukturelle Mängel zu beheben, sondern um einen Prellbock für mögliche Krisenszenarien zu haben. Eigentlich sollte er den Nachwuchsbereich, das Scouting und vor allem die Kampfmannschaft in die richtige Richtung führen. Dafür bleibt aber derzeit wenig Zeit. Ein Fanprotest jagt den nächsten (siehe Rapid-Demo: Rapid braucht Veränderung bzw. Rapid-Fans an Werner Kuhn: 'Keine Sponsoren, aber eine Sponsion'). In Wahrheit soll Schulte Druck von allen anderen Führungspersonen im Verein nehmen.


Was auch dadurch deutlich wird: Einer eigenen Interpretation seiner Rolle als Sportdirektor wurde bislang wenig Spielraum gegeben. Die Verlängerung mit Trainer Schöttel war schon im Herbst eigentlich beschlossene Sache. Schulte musste aber öffentlich den Vollstrecker spielen. Ob bewusst oder unbewusst: Schulte wurde in der Vertragsverlängerung mit Peter Schöttel zur Marionette. Einerseits, weil er öffentlich einen Vollzug durchführte, den andere beschlossen. Andererseits, weil er dafür auch die gesamte Verantwortung für ein etwaiges Misslingen der Aktion schulterte. Schulte übernahm gleich zu Beginn einen Rucksack, der dem Verein gerade eben viel Geld kostet. Die Beurlaubung des Trainers und die damit verbundene Auszahlung des Zweijahresvertrages, sofern Schöttel keinen neuen Job findet. Schulte betonte auf der einen Seite in Dauerschleife die hochqualitative Arbeit Schöttels. Um auf der anderen Seite gleich einzustimmen, wenn die restliche Führungsriege seinen Rauswurf beschließt. Schultes Kompetenzen erscheinen auch dadurch nicht restlos geklärt. Auch die Installierung von Barisic/Jancker klingt nach der Ausführung eines guten Ratschlages. Die Ausbezahlung des Zweijahres-Vertrages an Peter Schöttel lässt keine andere Lösung zu. All das kratzt an Schultes Bild in der Öffentlichkeit. Der Deutsche betont zwar, zuerst zusehen zu wollen ehe er große Entscheidungen trifft. Bei großen Personalentscheidungen wie jetzt muss die Eingewöhnungsphase aber abgekürzt werden, ansonsten führt sich die Position des Sportdirektors schnell ad absurdum.


Gute Vergangenheit, seltsame Gegenwart
Es stellt sich auch die Frage, warum sich ein Mann mit der Erfahrung eines Helmut Schulte in dieser Form vorführen und nahezu instrumentalisieren lässt. Schulte genießt in Deutschland einen durchaus guten Ruf. Seine Erfolge im Nachwuchsbereich haben ihm Renommee eingebracht. Bei St. Pauli sogar drei DFB-Sterne für das Nachwuchsleistungszentrum. Schulte gilt zudem als durchaus streitbar. Sein Kontrakt mit St. Pauli wurde auch deshalb aufgelöst, weil Schulte einen langfristigen Vertrag forderte um seine nicht unumstrittene Position im Verein zu stärken. Schulte ist nicht auf den Mund gefallen. Bei Rapid werden ihm aber zunehmend fahrige Aussagen zum Verhängnis. Viele Fans fühlen sich vom neuen Sportdirektor verschaukelt, wenn er nach neun sieglosen Spielen und einem Sieg gegen Wr. Neustadt verständnislos einmahnt, dass sich jetzt eigentlich alle freuen sollten.


Was er hier genau anstellen soll, bleibt unklar
Helmut Schulte ist im beschaulichen Österreich angekommen. Und doch wird es zunehmend ruppig, was der Deutsche so nicht erwartet hat. Vor sechs Jahren fiel ein Baum auf sein Auto, während eines Hurrikans. Schulte schwebte in Lebensgefahr, war lange rekonvaleszent. Seitdem haben sich auch seine Werte verschoben. Er will öfter zurückstecken, das Handy mal abdrehen und nicht rund um die Uhr Spieler transferieren. Schulte soll nach seinem Aus bei St. Pauli auch Angebote aus Deutschland gehabt haben. Er wollte nach Österreich. Was er hier genau anstellen soll, bleibt aber unklar.


Sein Vertrag läuft vorerst bis Ende des Jahres. Dann können beide Seiten entscheiden ob es weitergehen soll. Bis dahin wird Helmut Schulte den Feuerwehrmann geben. Das muss er auch. Die Fans fordern Umbrüche. Der Deutsche gerät zunehmend zwischen die Fronten, in einem instabilen Umfeld, das er zum größten Teil nicht zu verantworten hat, es mit seltsamen Aussagen aber auch nicht stabiler macht. Im November wählt Rapid einen neuen Präsidenten, bis dahin wird sich die Krise weiterhin auch an Helmut Schulte manifestieren. Er wird den Prellbock in der Öffentlichkeit spielen und machen wofür er insgeheim geholt wurde.

 

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