Ein Teamchef wartet ab
Marcel Kollers Team macht Fortschritte. Vieles wird besser, manches auch gut. Eine Baustelle bleibt die Zögerlichkeit des Teamchefs. Von Gerald Gossmann.
Der Sportspartensender des ORF bot zwischen den beiden Länderspielen die Möglichkeit eines Vergleichs. EM-Qualifikation Österreich gegen Deutschland unter Teamchef Constantini. Wohl eines der besten Länderspiele unter ihm. Die Nachbetrachtung zeigte, was auch damals schon klar war: Bis auf viel Biss, Kampf, Laufbereitschaft und Einsatz war da nicht viel. Viel Planlosigkeit im Aufbauspiel wurde damit überdeckt. Österreich unter Koller hat gegen die Färöer Inseln und Irland einen Schritt nach vorne gemacht. Rochaden, Automatismen und Laufwege funktionieren zusehends besser. Auch in der Offensive. Das zeigte das gute Rochieren von Hosiner, Junuzovic und Harnik in der Anfangsphase. Das zeigten auch Weimann, Arnautovic und Harnik gegen Ende des Spiels. Der Knackpunkt des Spiels war Junuzovic´ Verletzung. Koller ersetze ihn durch Baumgartlinger, zog diesen zurück auf die Sechs und beorderte Kavlak auf die Junuzovic-10, die er aber defensiver interpretierte. Österreichs Spiel war danach ein anderes. Irland gewann Oberhand.
Man könnte das auf den Schock nach der Junuzovic-Verletzung schieben, auf die harte Gangart der Iren, auf den unglücklichen, nein dummen, Elfer.
Die Taktikanalytiker von „Ballverliebt“ analysieren richtig: „Kavlak spielte diese Position wesentlich tiefer als Junuzovic zuvor und konnte so auch überhaupt keinen Druck auf die irischen Innenverteidiger ausüben. Diese waren davor oft dazu gezwungen gewesen, lang auf Long und Sammon nach vorne zu dreschen.“
Fehlende Korrekturen
Die Überlegung Kollers ging nicht auf. Kann passieren. Weniger verständlich erscheint, warum Koller Fehler nicht korrigiert, sondern auf Zuwarten als Lösungsmodell setzt. So verschenkte Österreich fünfzig Prozent der ersten Halbzeit und ebensoviel von der zweiten Spielhälfte. Mit einem Konzept, das nicht aufging aber nicht korrigiert wurde.
Kollers Zuwarten, seine Zögerlichkeit zieht sich durch seine Ära als österreichischer Teamchef. Besonders augenscheinlich war sein Zögern auswärts in Kasachstan. Koller wollte wenig verändern, was er immer will. Was auch manchmal nicht schlecht sein muss. Gegen defensive Kasachen aber mit demselben Spielplan zu starten wie gegen offensive Deutsche ist seltsam. Damals war Harnik die richtige Spitze gegen Deutsche Räume. Gegen abriegelnde Kasachen war Harnik die erwartete Fehlbesetzung. Korrigiert hat Koller den Fehler spät. Lange Zeit setzte er auf ein Mittel, das seine Berechtigung bereits nach wenigen Minuten verspielt hatte.
Gegen Irland war das Bild ähnlich. Keine Änderungen zur Pause. Stattdessen geduldiges Abwarten. Nur Worauf? Es ist Koller gar nicht zum Vorwurf zu machen, dass er nach der Junuzovic-Verletzung falsch reagiert hat. Wer sagt, dass der klassische Zehner Ivanschitz nicht an der Robustheit der Iren gescheitert wäre. Der Vorwurf besteht darin, dass er einen begangenen Fehler verschleppte, indem er ihn nicht korrigierte und damit wertvolle Zeit verschenkte. Erst spät brachte er Weimann für Kavlak, womit das Rochieren zwischen Arnautovic, Harnik und Weimann zeitweise wieder funktionierte, das Spiel der Österreicher wieder in Schwung kam.
Das Spiel des ÖFB-Teams hat gegen die Färöer Inseln und Irland durchwegs Fortschritte gemacht. Das Offensivspiel wurde phasenweise durchdacht flexibler. Das ist auch Verdienst des Teamchefs, der das Spiel seines Teams eine Nuance weiter entwickelt, seine eigene Zögerlichkeit aber noch nicht abgelegt hat.
g.gossmann@90minuten.at