Ein Koller, keine Alternative

Marcel Koller hat das Nationalteam an die europäische Mittelklasse herangeführt. Zu Koller gibt es hierzulande wenige Alternativen. Sein Abschied birgt Gefahren. Eine Teamchef-Suche würde traditionell zum Interessenskampf verkommen. Eine Analyse von Geral

 

Marcel Koller hat seit seiner Bestellung zum Teamchef zwei Dinge bewegt. Er hat seine Mannschaft zweifelsfrei weiterentwickelt. Und er hat dafür gesorgt, dass eine ganze vermeintliche Expertenschar ihre wahren Interessen offen legte. Die Entrüstung für einen relativ unbekannten Schweizer als Teamchef war damals groß. Von Prohaska abwärts wurde gewütet. Das bescherte dem Fußballkonsumenten einen tiefen Einblick in die Interessen der heimischen Fußballnetzwerker. Wäre damals Andreas Herzog Teamchef geworden, hätte Herbert Prohaska wohl nie öffentlich beklagt, dass ein Willi Ruttensteiner ihm den Wunsch nach Andi Ogris als Nachwuchsteamchef verwehrte. Und er hätte nie im Affekt gegrantelt, dass er Koller nicht befürwortet, obwohl er seine Arbeit nicht kennt.

 

Marcel Koller, zwei Gesichter
Heute hat Marcel Koller aber breite Akzeptanz. Auch bei Herbert Prohaska, der sich in der Kronenzeitung für seinen Verbleib ausspricht. Marcel Koller hat alle überzeugt. Aber er hat zwei Gesichter: einmal gibt er den Lernbereiten. Dann wieder den Sturen. Das wechselt ansatzlos ab. Die Regelmäßigkeit der ansatzlosen Sturheit erzeugt aber mittlerweile eine gewisse Berechenbarkeit. Das war auch gegen Schweden so. Koller überraschte den Gegner mit einem gut positionierten Dragovic, der den wie wild pressenden Achtern vor ihm den Rücken frei hielt. So stark wie in der ersten Halbzeit in Solna hat man das österreichische Team lange nicht gesehen. Wäre da nicht das zweite Gesicht von Koller. Sein zögerliches. Der Leitgeb-Wechsel war ein falsches Zeichen auf eine höher stehende und aggressiver pressende schwedische Mannschaft.

 

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Eines steht aber fest: Koller hat Österreich nach der Constantini-Ära zu einem Gegner auf Augenhöhe gemacht. Auch für ein Team wie Schweden. Das war vor zwei Jahren noch undenkbar< /div>< /div>< /blockquote >

 

Dass Koller spät reagiert ist nichts Neues. Das war in Kasachstan so. Als Harnik und ein Spiel durch die Mitte klar die falsche Marschstrategie waren. Und auch in Irland, wo nach dem Junuzovic-Aus ein Fehler lange verschleppt und erst spät korrigiert wurde. Wenn Koller Fehler korrigiert, dann erst ein Spiel später. Nach dem schlechten Matchplan in Kasachstan, setzte er im folgenden Heimspiel auf ein Spiel über die Flügel. Eines steht aber fest: Koller hat Österreich nach der Constantini-Ära zu einem Gegner auf Augenhöhe gemacht. Auch für ein Team wie Schweden. Das war vor zwei Jahren noch undenkbar.

 

Kein Mourinho, kein Klopp, kein Hickersberger
Marcel Koller ist kein Wunderwuzzi. Er ist ein guter Trainer, kein sehr guter. Er ist einer der möglich macht, was möglich ist. Aber nichts Unmögliches. Kein Visionär der Marke Mourinho oder Klopp, aber auch kein Pragmatiker wie etwa Hickersberger. Nach der Ära Constantini ist das trotzdem ein Riesenschritt für das ÖFB-Team. Praktisch von der Steinzeit in die Moderne. Koller hat das Team taktisch an ein gutes europäisches Mittelmaß herangeführt. Dazu hat er sich mit keinem Spieler überworfen, wenn man Paul Scharner einmal außen vor lässt. Constantini dagegen hatte es sich zu diesem Zeitpunkt schon mit einer halben Legionärs-Elf verscherzt. Koller versteht es fachlich und menschlich das Amt des Teamchefs auszuführen.

 

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Koller ist ein guter Teamchef für Österreich. Es ist nicht anzunehmen, dass der ÖFB einen Coach der Preisklasse Klopp und somit einer Klasse über Koller gewinnen könnte. Deshalb würde sich der Verband mit einem Teamchefwechsel nur schwer verbessern.< /div>< /div>< /blockquote >

 

Kalkül im Verhandlungspoker
Das sehen anscheinend auch die Verantwortlichen des 1. FC Nürnberg so, die Koller verpflichten wollen. Deutsche Medien berichten von ernsthaftem beiderseitigem Interesse. Das könnte natürlich auch in Kollers Kalkül im Verhandlungspoker mit dem ÖFB spielen, sofern er bleiben will. Schon einmal stand der Schweizer vor dem Absprung zu Young Boys Bern. Jedenfalls wurde das damals so kommuniziert. Es hätte aber auch genau so gut sein können, dass Koller das Interesse damals nur geschickt lancierte, um eine bessere Position für eine frühzeitige Vertragsverlängerung herauszuschinden. Der Berner Sportchef Fredy Bickel zählt zu den engen Freunden Kollers. Der Verdacht einer Absprache lag jedenfalls nahe.

 

Interessenskampf
Sollte das Nürnberger Interesse auf Gegenseitigkeit beruhen, müsste der ÖFB wieder auf Teamchef-Suche gehen, was in Österreich traditionell zum Interessenskampf verkommt. Wolfgang Winheim führt bereits jetzt das erste Interview mit Andreas Herzog im "Kurier" und bringt ihn damit in ein Spiel, das noch gar nicht begonnen wurde: "Wird in Österreich über einen neuen Teamchef diskutiert, fällt seit Jahren stets der Name Andreas Herzog", schreibt er. Das würde mit den jeweils favorisierten Namen einzelner Journalisten und Zeitungen so weiter gehen.

 

Der einzige ernsthafte österreichische Kandidat ist aktuell Trainer in Köln. Und selbst er wäre derzeit wohl nur auf dem Niveau Kollers und keineswegs darüber. Koller ist ein guter Teamchef für Österreich. Es ist nicht anzunehmen, dass der ÖFB einen Coach der Preisklasse Klopp und somit einer Klasse über Koller gewinnen könnte. Deshalb würde sich der Verband mit einem Teamchefwechsel nur schwer verbessern.

 

Die ÖFB-Verantwortlichen wären gerne in der Situation gewesen, eine Bilanz zu ziehen und danach über die Verlängerung des Teamchefs zu entscheiden. Koller und Nürnberg berauben sie dieser Möglichkeit. Damit bleiben nur zwei Möglichkeiten. Der ÖFB erfüllt die Wünsche Kollers und bindet ihn bis 2016 an den Verband. Oder: man hat vorausschauend den Trainermarkt detailliert gesichtet und präsentiert prompt einen fachlich einwandfreien Nachfolger, der auf Kollers Arbeit aufbaut. Ein wochenlang medial hochgespielter Interessenskampf um Nachfolger wie Herzog oder Foda wäre die schlechteste aller Lösungen.

g.gossmann@90minuten.at

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