Ein Koller, (k)ein Verräter

Das Boulevardblatt „Österreich" vermeldete gestern den Abschied von Marcel Koller und warf ihm Verrat vor. Die Kampagne für einen österreichischen Teamchef lag bereits in der Schublade. Der Plan fällt jetzt weg. Ein Kommentar von Gerald Gossmann .

Der Boulevard war sich seit Wochen einig. Marcel Koller geht in die Deutsche Bundesliga. Oder in die Schweiz. Eigentlich war es egal wohin, beides war ein Stückchen entfernt von Österreich. Und das schien gar nicht so ungelegen zu kommen. Sportlich konnten sie dem Teamchef wenig vorwerfen. Aber die Spekulation um seinen Abgang, gefiel ihnen. Peter Linden von der Kronenzeitung sprach sich schon vor dem letzten Spiel Kollers auf den Färoer für einen Österreicher als Teamchef aus. Christian Russegger von „Österreich" wurde konkreter und forderte Andreas Herzog. Ohne eine Begründung nachzuschießen. Die fehlende Begründung hat auch einen guten Grund. Der Boulevard lebt von exklusiven Informationen. Und die wären unter einem Herzog, den man seit Spielerzeiten bestens kennt, freizügiger geflossen als unter dem, in dieser Hinsicht, verklemmten Koller.

 

Die Kampagne für einen Österreicher wurde zur Chefsache erklärt
oesterreich koller coverDas Boulevardblatt „Österreich" setzte gestern zum finalen Schuss gegen Koller und zugleich zum Startschuss einer Kampagne für einen Österreicher an. „Jetzt hat Koller das Team ‚verraten'. Er geht, weil er woanders 300.000 Euro mehr bekommt. Das ‚woanders' ist immerhin seine Heimat, die Schweiz. Und Geld ist für einen Schweizer immer ein Motiv", schrieb Herausgeber Wolfgang Fellner in seinem Leitartikel auf Seite 2.


Und weiter: „Wenn uns der ‚Charakter' beim Teamchef wichtig ist, dann bitte in Zukunft keine billigen Söldner – sondern den besten heimischen Trainer. Bevor wir Krokodilstränen vergießen, sollten wir einen engagierten Österreicher nehmen, der Vorbild sein kann. Andreas Herzog wäre die ideale Lösung. Lieber ÖFB, schick den Koller in einem Packerl an die Schweizer – und mach Herzog zum echten ‚Nationaltrainer'. Wir wollen für dieses tolle Alaba-Team einen Teamchef mit Charakter. Ein Vorbild und eine Leitfigur. Lernen wir doch aus dem ‚Schweizer Käse': In Zukunft keine Söldner mehr!"

 

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>>> siehe auch: Verrat, Lüge, kein Herz: The 'best of' Österreich über Marcel Koller

 

Obwohl „Österreich" nie zimperlich ist, wurde die Wortwahl nochmals verschärft und zur Chefsache erklärt. Das war der Startschuss zu einer Kampagne für Andreas Herzog. Und wenn nicht für ihn, dann für einen anderen richtigen Österreicher. Im Blattinneren wurde die Linie durchgezogen: „Koller hält uns am Schmäh." Und Hans Krankl dazu pathetisch: „Koller hat kein Herz für uns."

 

Heute hat Marcel Koller seinen Vertrag beim ÖFB bis 2015 verlängert und Österreich und „Österreich" damit eine wochenlange, niveauarme, öffentliche Diskussion um einen neuen Teamchef erspart.

g.gossmann@90minuten.at

 

>>> Siehe auch: Verrat, Lüge, kein Herz: The 'best of' Österreich über Marcel Koller

[Update, 31. Oktober]: Wolfgang Fellner dreht sich wie eine Fahne im Wind und will am Tag danach Marcel Koller zum Ehrenbürger machen ...