Die Geschichten der Fremdarbeiter
Ob Peter Hyballa, Jogi Löw, Karel Brückner, Marcel Koller oder Per Brogeland. Ausländische Trainer haben generell einen schweren Stand in Österreich. Aber warum ist das so? Von Gerald Gossmann
Peter Hyballa ist Geschichte in Graz. Der Deutsche wollte Sturms Spielphilosophie revolutionieren, rieb sich in Grabenkämpfen auf und scheiterte. Jetzt wird er unspektakulär von Amateur-Trainer Markus Schopp beerbt. Der wollte dorthin schon vor und während der Amtszeit Hyballas. Natürlich auch jetzt.
Die Geschichte ausländischer Trainer in Österreich ist lange. 71 Fremdarbeiter schlugen seit 1949 ihre Zelte in der höchsten heimischen Spielklasse auf. Nur 22 davon schafften es über 36 Bundesligaspiele auf der Trainerbank sitzen zu bleiben. Gar nur sechs davon kamen auf über 100 Spiele. Osim, Foda und Baric bilden da die Ausnahme. Die Regel ist eine andere. Aber warum ist das so?
Eine Illustration dafürbot die Teamchefbestellung vor etwas mehr als eineinhalb Jahren. Der höchste Trainerstuhl des Landes wurde von einem Schweizer besetzt. Jahrhundertfußballer Herbert Prohaska erfuhr davon beim Zusammensitzen mit seiner Tennisrunde. „Ohne Koller nahe treten zu wollen, aber solche Trainer haben wir bei uns genügend", schrieb er kurz darauf in seiner Kronenzeitungs-Kolumne, um wenig später zuzugeben, dass er Kollers Arbeit gar nicht kenne, also auch nicht beurteilen könne. Nie zuvor wurde österreichisches Lobbying, Verhaberungsmechanismen und Freunderlwirtschaft der Öffentlichkeit so deutlich aufgezeigt, wie in den Wochen nach der Entscheidung für einen Teamchef aus der Schweiz.
Öffentliche Zurschaustellung von Freundschaftsdiensten
Seit jeher schanzten sich Österreichs Fußball-Netzwerker Posten zu. Plötzlich aber gaben sie es im Rausch der Emotionen auch zu. Prohaska, dem zwar immer schon Freundschaftsdienste nachgesagt wurden, aber eben auch die Raffinesse, solche Dienste geschickt einzufädeln, plauderte plötzlich aus dem Nähkästchen. Öffentlich. In einer ORF-Diskussionsrunde zur Teamchefbestellung. Er erzählte von einer Intervention bei ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteienr, der seinem Kumpanen, dem Ex-Teamspieler Andreas Ogris, einen Posten als Nachwuchsteamchef sichern sollte. Ruttensteiner lehnte ab und Prohaska mokierte sich. Auch als A-Teamchef hätte er lieber einen Herzog oder Kühbauer gesehen, bekundete der Jahrhundertfußballer. Herzog galt lange Zeit als logischer Teamchef, weshalb ihn der ÖFB auch im Nachwuchsbereich parkte, Hoffnungen bei ihm schürte, ihn aber in entscheidenden Momenten versetzte. Herzog hätte sich eine Beförderung nach der Ära Hickersbergers erwartet. Herzog hatte auch nach Constantini damit spekuliert. Zweimal wurde ihm ein Ausländer vor die Nase gesetzt. Unter Karel Brückner beförderte der ÖFB Herzog zum Assistenztrainer, obwohl der Tscheche selbst einen Vertrauensmann mitbrachte. Ein Nationalteamspieler, der damals dem Kader unter Brückner angehörte, verrät: „Andi Herzog hat sich Brückner gegenüber zwar nie ganz illoyal verhalten, aber bedingungsloser Gehorsam hätte anders ausgesehen."
Machtspiele stehen auf der Tagesordnung
Ähnliche Szenarien spielen sich in Österreich regelmäßig ab. Machtspiele im Kampf um die begehrten, weil raren Trainerposten stehen auf der Tagesordnung. Gut zu sehen war das 2008, als der Kroate Andrej Panadic den LASK betreute. Panadic kam auf Wunsch von Präsident Michael Reichel nach Intervention von Ivica Vastic. Nach seiner Bestellung wurde Klaus Lindenberger Vizepräsident und positionierte sich als größter Einflüsterer des streitbaren Reichels. Lindenberger zog ein Machtspielchen auf, konzentrierte sich auf Stimmungsmache gegen den Trainer. Andrej Panadic durfte 14 Spiele auf der Trainerbank sitzen, holte 7 Siege, kassierte 7 Niederlagen und wurde am 6. Platz liegend entlassen. Klaus Lindenberger beerbte ihn, sägte kurz darauf den Sportdirektor ab, wurde allmächtig. Seine Bilanz: Aus 13 Spielen holte er einen Sieg, kassierte 9 Niederlagen. Wo Panadic Durchschnitt produzierte, stürzte Lindenberger mit seiner Mannschaft ins Bodenlose.
Es sind auch diese Machtspiele heimischer Netzwerker, die Lobbying vor fachliche Weiterbildung stellen, die den österreichischen Fußball lahm legen. Jogi Löw beispielsweise musste bei der Austria wegen taktischer Mängel gehen. Geldgeber Frank Stronach hätte ihm gerne Günther Kronsteiner zur Seite gesetzt „um die taktischen Mängel in Teamarbeit zu beheben." Löw weigerte sich und war weg. Kronsteiner übernahm.
Vielfältige Gründe, ein Nenner
Die Gründe warum ausländische Trainer in Österreich oft und schnell scheitern sind aber vielfältiger als ein erster Blick darauf vermitteln möchte. Das zeigt beispielsweise die Geschichte des Norwegers Per Brogeland, der 1997/98 den LASK trainierte. Brogeland galt als akribischer Arbeiter, als System-Trainer in einer Zeit, in der Taktik in Österreich in den Kinderschuhen steckte. „Er war der erste Trainer, der mir gelernt hat, was es heißt sich taktisch richtig zu bewegen", erklärt Jürgen Kauz, damals Spieler unter dem Norweger. „Damals war die Viererkette in Österreich noch ein Fremdwort. Taktik wurde mit den Minzzuckerln „Tic Tac" verwechselt." Brogeland rangierte mit dem LASK auf Rang 3, hatte gerade Rapid Wien mit 5:0 aus dem Stadion gefegt, als er gehen musste. „Die Vereinsführung war damals schon in Verhandlungen mit Otto Baric", erzählt Kauz. „Max Hagmayr war Sportdirektor und hatte mit ihm bereits einen Vertrag für nächste Saison abgeschlossen. Sie haben damals nur einen günstigen Zeitpunkt gesucht, um Per Brogeland abzuschießen." Der LASK aber eilte von Sieg zu Sieg, also wurde der Norweger nach einem Kantersieg gegen Rapid abmontiert. Otto Baric war medienwirksamer als ein blasser Norweger. Ein System, das sich bis heute durch Österreichs Fußball zieht, wo Trainerbestellungen auch nach Sponsorinteressen und Sympathiewerten beim Publikum zustande kommen.
Überforderte Spieler
Jürgen Kauz spricht heute noch oft über die verpasste Chance einen Per Brogeland länger zu halten. „Ich habe unter ihm nie schlecht gespielt, weil ich meine Aufgaben gewusst habe." Ältere Spieler hingegen hätten die Trainerdemontage begrüßt, weil sie unter dem Systemtrainer ihr Spiel umstellen mussten. Daran scheiterte auch der Deutsche Wolfgang Frank bei der Wiener Austria. Frank galt ebenso wie Brogeland als Taktiker. Auch er wollte 1997 die Viererkette mit der Austria einstudieren. „Die beste Taktik half aber bei Spielern den damaligen Spielern nichts. Die Spieler verstanden das Spielsystem nicht", beschreibt das Austria-Online-Archiv die damaligen Vorgänge. Es kam zur vorzeitigen Trennung. Austria-Legende Robert Sara übernahm.
Was auffällig ist: Obwohl von den 71 ausländischen Trainern seit 1949/50 nur 22 über eine Saison blieben, stehen sieben ausländische Coaches in den Top Ten der erfolgreichsten Trainer der Bundesligahistorie. Die Statistik orientiert sich dabei am Punkteschnitt der Trainer, also kommt jenen entgegen, die kurz aber erfolgreich in Österreich trainierten. Und: Von den sieben ausländischen Trainern der Besten-Rangliste werkten fünf für Red Bull Salzburg, wo der Einfluss eines internationalen Konzerns höher ist, als persönliche Befindlichkeiten und Machtspielchen eitler Funktionäre und beleidigter Langzeit-Mitarbeiter. Salzburg holte seit dem Einstieg von Red Bull mit Kurt Jara nur einen österreichischen Trainer. Auch Sturm Graz setzt seit zwanzig Jahren ununterbrochen auf Know-How aus dem Ausland. Die Amtszeiten von Osim und Foda haben in Graz Eindruck hinterlassen. Die Wiener Austria setzt dagegen seit Jahren, Rapid seit Jahrzehnten auf Einheimisches.
„Hy baba" – die Presse revanchiert sich
Zurück zur aktuellen Lage: Peter Hyballa wird gerade von der Presse kollektiv mit den Schlagworten „Hy – baba" verabschiedet. Das ist eine höhnische Anspielung auf seine Rede zu seiner Bestellung: „Kurzes Hy, langes balla." Peter Hyballa hat es sich nicht nur vereinsintern verscherzt. Auch mit Medienvertretern konnte der Deutsche zunehmend weniger. Nicht umsonst konnten Vereinsfunktionäre und die steirische Klatschpresse so harmonisch eine Kampagne gegen den unharmonischen Hyballa hochziehen.
Österreichs Fußball präsentiert sich damit auch in einem zunehmend professionalisierten und verwissenschaftlichten Fußballzeitalter als von persönlichen Befindlichkeiten getriebenes Freunderlwirtschaftskonstrukt, das den Werdegang Einzelner über den Fortschritt des großen Ganzen stellt. Warum ein Haufen ambitionierter ausländischer Trainer in den letzten Jahren scheiterte hat viele Gründe. Einen gemeinsamen Nenner scheinen die Geschichten aber oft zu haben.
g.gossmann@90minuten.at