Bjelica erklärt die Spielerkritik zum System
Nenad Bjelica hat mit der Austria, die im letzten Jahr noch Meister wurde, wenig Erfolg. Die Schuld sucht er bei seinen Spielern. Obwohl er das eigentlich nie tun wollte, hat er die Spielerkritik zum System erhoben. Von Gerald Gossmann
„Ich habe kein Verständnis mehr für die Leistung. Wenn ich hier nächste Woche noch Trainer bin, wird es radikale Entscheidungen geben. Drei, vier Spieler werden fliegen, man wird eine andere Austria-Elf sehen. Ich werde willige Leute bringen." Nenad Bjelica wirkte nach dem Wiener Derby entschlossen. Kein hochroter Kopf, kein überhastetes Schimpfen. Bjelica wirkte, als wählte er seine Worte mit Bedacht. Geklungen hat das Ganze dann aber so: „Wenn ich die Möglichkeit bekomme, werden Köpfe rollen. Bevor mein Kopf rollt, rollen drei andere. Die Spieler sollten sich warm anziehen", sprach Bjelica beinahe emotionslos in das Mikrofon. Andere hätten diese Worte geschrien oder wenigstens dazu mit den Händen gefuchtelt. Aber Bjelica saß ruhig auf seinem Sessel, die Stimme klar, als hätte er eine Nacht über das Spiel geschlafen. Geklungen hat das Ganze freilich trotzdem wie ein Rundumschlag oder eine legendäre Trapattoni-Wutrede, nur ohne Emotion. Bjelica drohte seinen Spielern ein Köpferollen an. Begründung: Weil sie nicht willig sind. Damit wollte er die Spieler aufrütteln sagt er heute und unterschreibt dazu jedes Wort.
< blockquote> Bjelicas Widerspruch Bjelica sagte damals noch etwas: „Wenn die Mannschaft einmal nicht funktioniert, muss sich zuallererst der Trainer hinterfragen, nicht die Spieler. Nach einem Spiel analysiere ich mich selbst, gehe dabei in mich, überlege, was schlecht und was gut war. Erst danach setze ich mich mit der Leistung jedes einzelnen Spielers auseinander." Dieses Mal muss er nach dem Spiel sehr kurz in sich gegangen sein, um seine eigene Leistung zu analysieren. Bei der Pressekonferenz ging es bereits um die Spieler. „Bevor mein Kopf rollt, rollen drei andere", sagte Bjelica. Und: „Es gibt ein paar Willige. Sie haben vielleicht nicht so viel Qualität, aber zeigen dafür Einsatz." „Erstmals in seiner violetten Ära stellt sich der Kroate nicht schützend vor die Mannschaft, sondern greift sie direkt an", schrieb das Internetportal laola1.at. Dabei hat Bjelica dies bereits öfters getan. Ein kurzer Auszug aus Bjelicas Erklärungen nach Spielende: 12. Runde, 1:1 bei der SV Ried: „Uns fehlen natürlich die Tore von Hosiner, von Jun, von Grünwald, von Gorgon. Das sind Spieler, die in der letzten Saison über 30 Tore geschossen haben, über 35 Assists gehabt haben, wir haben diese Leute jetzt nicht und deswegen leidet ein bisschen unser Spiel." Sprich: Die Spieler treffen nicht. Schuldige: die Spieler. Aktuelle Runde, 0:1 gegen Rapid: „Es kann jeden treffen. Wenn ich die Möglichkeit bekomme, werden Köpfe rollen. Bevor meiner Kopf rollt, rollen drei andere. Die Spieler sollten sich warm anziehen." Schuldige: Die Spieler. < blockquote> Bjelica greift seine Mannschaft seit Saisonbeginn an. Manchmal zwischen den Zeilen. Jetzt gerade eben sehr offensichtlich. Er hat es sozusagen zu seinem System erhoben. Von Anfang an. Bjelica will seine Mannschaft aufrütteln, indem er ein wenig Angst schürt. Philipp Hosiner hätte vor kurzem noch in die Deutsche Bundesliga wechseln können, jetzt muss er um seinen Verbleib bei der Austria zittern. So wie er, sollen alle anderen auch zittern. Sozusagen zur Leistungssteigerung. Eine ähnliche Taktik Bjelicas funktionierte schon einmal in dieser Saison. Nach dem 0:0 gegen Rapid in der vierten Runde stellte Bjelica seiner Mannschaft die Rute ins Fenster. „Solange ich hier Trainer bin, wird es Disziplin und Konzentration beim Training geben. Wer das nicht befolgt, wird nicht mehr mittrainieren", sagte Bjelica. Sein Aufrütteln schien wirklich zu funktionieren. Die Austria qualifizierte sich danach für die Gruppenphase der Champions League und panierte Wr. Neustadt 5:0 und den WAC auswärts 4:1. Danach war wieder alles beim Alten. Bjelica: „Wenn diese Schocktherapie keine Früchte trägt, dann haben wir ein Problem." Dabei wurde die Austria im letzten Jahr überlegen österreichischer Meister. Zwar ohne Doppelbelastung durch die Champions League, aber doch mit einer Spielphilosophie versehen, die Kontinuität auch in schwierigen Phasen schneller ermöglichte. Die Spieler dabei waren nahezu dieselben. Es scheint zunehmend schwer nachvollziehbar, warum Spieler, die Stögers und Schmids Vorgaben letzte Saison noch anstandslos umsetzten, plötzlich widerspenstig und lauffaul geworden sein sollen. Nenad Bjelica hat gestern keine emotionale Wutrede gehalten. Er hat bloß sein System adaptiert und erneut den Versuch gestartet, mit seinem Aufrütteln der Spieler, den Erfolg zurückzuholen. Das könnte sogar ein zweites Mal kurzfristig funktionieren. Langfristig könnte Bjelicas Plan aber zum Problem für die Austria werden.
Dabei hätte alles ganz anders kommen sollen. Als der Kroate sein Traineramt bei der Austria antrat, war die Austria gerade österreichischer Fußballmeister geworden. Vor Salzburg. Red Bull Salzburg wohlgemerkt. Man hatte dem Team mit den Dosen-Millionen die Schneid abgekauft. Mit Kontinuität und vielen, vielen Punkten. Bjelica sagte damals, er wolle nicht viel verändern. Das war irgendwie logisch. Denn was will man an einem erfolgreichen Team verändern. Eine Veränderung implizierte Misserfolg, weil der Status Quo eigentlich das Bestmögliche widerspiegelte.
4. Runde; 0:0 gegen Rapid: "Jeder einzelne muss hinterfragen, ob das alles ist, was er im Training und im Spiel gibt. Oder ob nicht noch zehn Prozent mehr drinnen sind. Von jedem einzelnen ist Selbstkritik gefragt...Solange ich hier Trainer bin, wird es Disziplin und Konzentration beim Training geben. Wer das nicht befolgt, wird nicht mehr mittrainieren."
Cup-Aus gegen Kalsdorf: „Ich schäme mich für mein Team, das war null. Kalsdorf hat verdient gewonnen, denn sie haben auch in Unterzahl weitergekämpft. Dabei habe ich meine Spieler ausdrücklich gewarnt." Sprich: Die Spieler haben nicht gekämpft und Bjelicas Warnungen nicht befolgt. Schuldige: Die Spieler.
Trotzdem hofft er jetzt mit dieser Strategie erneut auf Erfolg. Beim heutigen Vormittagstraining meinte Bjelica: "Wenn diese Schocktherapie keine Früchte trägt, dann haben wir ein Problem." Was eines deutlich zeigt: Dem Kroaten scheinen offensichtlich die Problemlösungen auszugehen. Also versucht er es erneut mit Druck. Seinen Spruch von vor Saisonbeginn scheint er längst vergessen zu haben. Kritik sucht er schnell bei den Spielern, selten bei sich selbst. Und das, wie es scheint, durchaus mit Kalkül. Inhaltliche Rückendeckung bekommt er dabei von Austria-Vorstand Markus Kraetschmer, der gestern nach dem Match die eigenen Spieler harsch kritisierte.