Zu wenig Zeit, zu wenig Janko
Marcel Koller will das Spiel seines Teams möglichst unverändert lassen, weil zu wenig Zeit nicht mehr zulässt. Gegen Kasachstan hätten mehr Spielzüge über die Flügel und der grundlos unterschätzte Marc Janko aber gut getan. von Gerald Gossmann Eigentlic
Marcel Koller will das Spiel seines Teams möglichst unverändert lassen, weil zu wenig Zeit nicht mehr zulässt. Gegen Kasachstan hätten mehr Spielzüge über die Flügel und der grundlos unterschätzte Marc Janko aber gut getan.
von Gerald Gossmann
Eigentlich könnte man ja zufrieden sein. Österreichs Team trägt eine Handschrift. Vergleicht man das 0:0 der Österreicher in Kasachstan mit dem 2:0 Heimsieg unter Constantini ist der Unterschied offensichtlich. Österreichs Team kann Druck aufbauen, den Gegner zu Ballverlusten zwingen, man spielt ein erfrischendes Pressing und verteidigt bei Bedarf auch hoch. Das neue Gesicht des ÖFB-Teams gibt es seit es Koller als Teamchef gibt. Davor war ja bekanntlich Steinzeit. Gegen Gegner die mitspielen geht Kollers Plan auch gut. Gegen Gegner wie Rumänien oder Kasachstan eher nicht. Das weiß man. Trotzdem ging Koller gegen defensive Kasachen ins Spiel wie gegen offensive Deutsche. Das mag zwar nicht grundfalsch sein, richtig war es auch nicht.
Die österreichische Mannschaft konnte zwar Druck aufbauen, das Spiel durch die Mitte war aber nicht die richtige Wahl. So mühte sich Österreich wie ein müder Abklatsch iberischer Zauberer über den Platz ohne aber tatsächlich dorthin vorzustoßen, wo Zählbares zu holen gewesen wäre. Das Kombinationsspiel brachte zwar enormen Ballbesitz. Das Endergebnis entstand aber vor allem durch viele Ballverluste rund um den Sechzehner und die fehlende Reaktionsfähigkeit des Teamchefs auf ein nicht probates Mittel.
Und genau hier kommt der derzeit verschmähte Marc Janko ins Spiel. Marcel Koller muss sich den Vorwurf gefallen lassen, nicht nach den Stärken und Schwächen des Gegners aufgestellt zu haben. „Wir wollen auf uns schauen", sagt Koller gerne und macht das eigene Spiel für den aufmerksamen Gegner dadurch ausrechenbarer. Was Koller noch gerne sagt: „Beim Nationalteam hat man nicht die Möglichkeit ein zweites System dazu zu nehmen, weil die Zeit mit dem Team zu kurz ist." Daher ging Koller auch in Kasachstan mit dem gleichen System und derselben Aufstellung ins Spiel wie gegen die Deutschen. Mehr Spiel über die Flügel statt über das Zentrum und ein Marc Janko in der Mitte hätten dem Spiel der Österreicher aber gut getan.
Janko ist in Österreich in letzter Zeit aber aus doppelter Sicht zum No-go geworden. Erstens ist Janko ein Mittelstürmer. Ein Stoßstürmer. Ein Toni Polster im Jahr 2012. Meint die Öffentlichkeit jedenfalls und liegt damit falsch. Janko hat sowohl in seiner Salzburger Zeit als auch bei Twente in Holland bewiesen, dass er mehr ist als ein technisch limitierter Brecher, der sich nicht am Spiel beteiligt. Janko hat Antizipier Fähigkeit und technische Versiertheit, die ihn von den Großteils bereits in der Mottenkiste verschwunden Brechern alter Prägung unterscheidet. Janko selbst meint dazu: „Ich bin nicht nur der, der vorne steht und auf Flankenbälle wartet. Ich kann auch andere Systeme." Wahrscheinlich hätte es gegen Kasachstan sogar gereicht nur auf Flankenbälle zu warten. Sie wären das probatere Mittel gewesen. Und Janko der probatere Angreifer als Harnik der Konterstürmer. Nur gilt Janko seit seinem Wechsel in die Türkei und den fehlenden Einsatzzeiten als Auslaufmodell. Verstärkt auch dadurch, dass von Spanien bis Deutschland der Fußball immer öfter ohne klassischen Mittelstürmer stattfindet. Marc Janko passieren ähnliche Verschmähungen aber schon seit jeher.
Auch Hickersberger dachte als Teamchef auf Janko verzichten zu müssen. Noch dazu bei der Heimeuropameisterschaft. Hickersberger nahm Kienast mit – nach einer Bauchentscheidung oder einem Gespräch mit dessen Verwandtschaft, die zu Hickersbergers Freundeskreis zählt. Man weiß das nicht so genau. Janko wurde jedenfalls nicht nominiert, weil Hickersberger mit einem Defensivkonzept ins Turnier gehen wollte und Stürmer nicht oberste Priorität hatten. Erst während des Turniers entschied er sich für eine offensivere Spielvariante über die Flügel. Korkmaz, Harnik & Co. droschen Flanke um Flanke in die Strafräume der Gegner, die aber niemand verwertete. Katharina Krutisch vom ORF machte Hickersberger während einer PK auf seine vermeintliche Fehlentscheidung aufmerksam. Hickersberger bekannte sich darauf schuldig. „Aber", antwortete er in seiner urtümlichen Art, „es ist zu spät." Die Saison darauf wurde Janko Torschützenkönig. Seit Jankos unglücklichem Wechsel in die Türkei ist sein Standing weiter abgesackt.
Auch Marcel Koller hat anscheinend Bedenken, eine Variante auf Marc Janko zuzuschneidern. Aber schon seine Einwechslung nach über einer Stunde in Kasachstan zeigte, dass Janko mit seiner Antizipierfähigkeit für den Ball und Spielsituationen in und um den Strafraum Raum für seine Mitspieler schaffen kann und die wohl richtige Wahl gewesen wäre. Nicht für die Regel der Qualifikationsspiele, aber für die Ausnahme gegen ein massiertes kasachisches Defensivkonzept.
Kollers Masterplan muss variabler werden
Koller wollte aber nichts verändern, weil die Spieler zu viel Neues in kurzer Zeit nicht verdauen hätten können. Denkt er jedenfalls. Koller forcierte in seiner bisherigen Amtszeit vor allem Grundautomatismen, die auch ohne Wenn und Aber funktionieren. Das Problem dabei: der Gegner wird nur am Rande in die Spielvorbereitung eingebaut. Österreichs Spieler wissen zwar jetzt – und das ist auch der große Unterschied zur Ära Constantini – wie sie sich bei Ballbesitz, bei Ballverlust und anderen Situationen kollektiv zu verhalten haben. Wie man sich gegen einen defensiven Gegner Räume erspielt wird aber weiterhin vor allem dem Zufall überlassen. Natürlich erhöht sich durch konsequentes Pressing und viele Ballgewinne im Mittelfeld auch die Zahl der Bälle, die in die Nähe des Sechzehners gespielt werden – für einen defensiven Gegner wie die Kasachen braucht es aber einen detaillierteren Plan für das Offensivspiel um Räume zu gewinnen, für dessen Erarbeitung der Teamchef aber zu wenig Zeit sieht. Für ein zweites System oder eine stärker an den Gegner angepasste Variante sowieso.
Koller wird aber in Zukunft nicht darum herumkommen das Spiel des österreichischen Teams variabler anzulegen und variantenreicher zu gestalten. Jedenfalls dann nicht, wenn er mit der österreichischen Tradition brechen will, dass eine Qualifikation nicht schon zu Ende sein soll bevor sie begonnen hat.
g.gossmann@90minuten.at
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