Voting gegen Weissenböck – warum Spieler ihren Trainer abschießen
Etablierte Spieler können einen Trainer abschießen, das zeigt das Beispiel von Thomas Weissenböck bei Blau-Weiss Linz. Das Länderspezifikum dabei: Während Spieler im Ausland vorwiegend gegen konzeptlose Trainer revoltieren, geht es hier jenen mit zu viel
Etablierte Spieler können einen Trainer abschießen, das zeigt das Beispiel von Thomas Weissenböck bei Blau-Weiss Linz. Das Länderspezifikum dabei: Während Spieler im Ausland vorwiegend gegen konzeptlose Trainer revoltieren, geht es hier jenen mit zu viel Konzept an den Kragen. Eine 90minuten.at Spurensuche im Umfeld des Erstligisten.
von Gerald Gossmann
Es kommt nicht oft vor, dass ein Trainer nach Abstimmung seiner Spieler entlassen wird. Und noch seltener passiert, dass der Vorgang so einer Abstimmung offiziell verlautbart wird. Passiert ist es trotzdem. Zwar nur in der zweithöchsten Spielklasse und somit fast unkommentiert von der landesweiten Journaille, aber passiert ist passiert. Das Ganze klingt jedenfalls grotesk. Denn wie sieht so etwas in der Praxis aus? Alle Spieler kommen zusammen und votieren dann für oder gegen den Trainer, wobei das Ergebnis am Ende rechtskräftigen Charakter hat? Ein bisserl direkte Demokratie im Fußball? Im Falle von Blau-Weiss Linz war es so, das bestätigt der Präsident ganz offiziell. Was soll man machen, wenn zwischen Trainer und Spielern keine Harmonie mehr herrschte, sagt der Präsident, als wäre es das Natürlichste der Welt, dass ein Verein einfach die Spieler entscheiden lässt, als wären sie eine Art Saalpublikum bei „Die große Chance“.
Gut, man könnte sagen, was im großen Frankreich möglich war, soll auch im kleinen Österreich so sein. Denn wer erinnert sich nicht an die Ära des Raymond Domenech als französischer Teamchef zurück. Noch bevor seine Spieler bei der Weltmeisterschaft 2010 zum großen Streik gegen ihn aufriefen, soll Thierry Henry vor einem Qualifikationsspiel gegen Rumänien folgende Worte gewählt haben: „Coach wir langweilen uns während ihres Trainings! Ich habe noch nie so etwas erlebt: Wir wissen nicht, wie wir spielen sollen, wo wir hinlaufen sollen auf dem Feld, wie wir uns organisieren sollen! Wir wissen nicht was wir tun sollen! Wir haben keinen Stil, keine Richtlinien, keine Identität.“ Später montierten die Spieler ihren Coach einfach ab, weil er ihnen nichts beibringen konnte, anscheinend kein Konzept, keinen Plan in der Tasche hatte.
Unkoventionelle Trainingsmethoden, unkonventionelle Ablöse
Aber ist die Begebenheit aus Frankreich vergleichbar mit der Situation in Linz? Welche Gründe hatte die Ablöse von Weissenböck? Aus dem Blau-Weiss Umfeld hört man, dass vor allem die älteren Spieler, die arrivierten und etablierten Kicker den ungeliebten Trainer loswerden wollten. Nicht aber weil er zu wenig Konzept hatte, sondern zu viel. Nach dem Motto erfolgte auch der Abschuss: Wer zu viel Neues und Unkonventionelles versuchen will und damit den bequemen Trainingsalltag durcheinanderwirbelt, darf ruhig auch auf unkonventionelle Art abgesägt werden. Die Vorgangsweise gestandener Kicker ist nicht neu. Wer jahrelang mit wenig Taktik, aber viel Eigenverantwortung bedient wurde, denkt irgendwann, dass der Abwehrchef mit seiner Selbstorganisation für das Spiel einer Mannschaft mehr Bedeutung hätte als der Trainer und sein ganzer Systemkram.
Wer schon einmal Meister wurde, der denkt, dass er die Erfolgsformel kennt. "Und war die Erfolgsformel ein defensives 4-4-2 samt Kontertaktik, dann hatten diese Spieler ein Problem damit, wenn der Trainer plötzlich der Meinung ist, dass man auch weiter vorne die Bälle erkämpfen kann, mit Pressing spielt und mehr läuft", erfuhr 90minuten.at aus dem Umfeld der Mannschaft. Vorwiegend seien es nämlich etablierte Spieler, die so reagieren. Deshalb greift der moderne Trainer auch zusehends auf jüngere Spieler zurück, weil sie neben Sparpotential für den Verein und Schnelligkeit auch noch eine gute Ausbildung, Taktikaffinität und Hunger auf Neues mitbringen. Das betonen Trainer von Gludovatz bis Weissenböck. Selbst BW-Präsident Schellmann erklärt, dass ein älterer Spieler schon seine Probleme damit habe, wenn er 15 Jahre dabei ist und ihm dann ein Trainer sagt, dass nun alles anders gemacht werde. Vor allem, wenn der Trainer nicht Herzog, Polster oder Kühbauer heißt, sondern Weissenböck.
Weissenböcks Karriereeckpfeiler: viel Erfahrung im Nachwuchsbereich, kurz Interimstrainer bei Ried in der Bundesliga, zweimal nicht in den Lehrgang zur höchsten Trainerlizenz aufgenommen, gilt als moderner, detailverliebter Fußballverrückter. Spielerkarriere: Landes- und Regionalliga für den SV Grieskirchen. Es ist kein Geheimnis, dass das vielen Fußballern nicht gerade Respekt einflößt.
Revolte der arrivierten Kicker gegen ihre eigene Ablöse
Probleme mit arrivierten Spielern hat demnach nicht nur Weissenböck. Als Peter Hyballa zu Sturm kam, waren es mit Haas und Szabics vor allem ältere Semester, die gegen den jungen Trainer und seine Methoden revoltierten. Die Mehrheit an Spielern, die gegen Weissenböck stimmte, resultierte also auch aus der Mehrheit an älteren Spielern im Kader von BW Linz, der den zweithöchsten Altersschnitt nach Austria Lustenau aufweist.
Die Gründe für das im Alter entdeckte Revoluzertum der Spieler gegen ihren Trainer liegen aber nicht nur an der Abneigung gegen Neues. Weissenböck hätte am liebsten schon im Sommer einige ältere Semester abgegeben und durch junge, hungrige Spieler ersetzt, um sein System, das auch von Laufarbeit lebt, spielen zu können. Einige Namen ohne Zukunft im Verein wurden intern genannt, davon wiederum dürften die Spieler Wind bekommen haben. Das Voting gegen den Trainer war also eine Art Retourkutsche der Spieler, um ihre eigene Position zu festigen.
Spieler forderten mehr Spass
Was man Weissenböck vereinsintern noch vorwirft: er sei zu streng und stur bei der Durchsetzung seines Konzeptes gewesen. Was niemand verneint ist seine fachliche Qualität. „Da ist er top, ein moderner Trainer“, erklärt Präsident Schellmann im Gespräch mit 90minuten.at. Die Spieler hätten halt den Wunsch nach mehr Spass und Freude im Training gehabt. Das konnte man nachvollziehen, daher zog man die Reißleine in Sachen Trainer. Die Mannschaft habe danach befreiter gespielt, weil sie bereits wusste, dass der Trainer gehen muss, erklärte Präsident Schellmann nach dem Sieg in Hartberg letzten Freitag. Also alles richtig gemacht?
Natürlich nicht. Die zweithöchste österreichische Spielklasse und ihre Vereine wurden zu Saisonstart dafür gelobt, dass eine neue Trainergeneration ans Werk gelassen wird. Weissenböck war einer der Vorreiter. „Man muss als kleiner Verein am Limit arbeiten um konkurrenzfähig zu sein. Das ist nicht für jeden angenehm“, betont Weissenböck gegenüber 90minuten.at. Nun ist er der erste Beweis dafür, dass ein moderner Trainer alleine nicht ausreicht, um Veränderungen einzuleiten. So lange es Vereinsverantwortliche gibt, die arrivierten Spielern mit ihren Forderungen nach weniger Moderne und mehr Spass beim Training (und somit der Forderung nach mehr Bequemlichkeit im Herbst der Karriere) Raum geben, so lange wird die zweithöchste Spielklasse nicht zum Sprungbrett für eine neue österreichische Trainergeneration, sondern trägt zu deren Demontage bei.
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