Sportjournalismus 2.0 – Wie weit darf Kritik gehen?

Internetportale definieren die Rolle der Sportberichterstattung in Österreich neu. Dabei taucht eine Grundsatzfrage auf: Wie weit darf man die Mächtigen, die Strippenzieher und die Vorgänge im und um den österreichischen Fußball eigentlich kritisieren, oh

logo_qualitaetsjournalismusInternetportale definieren die Rolle der Sportberichterstattung in Österreich neu. Dabei taucht eine Grundsatzfrage auf: Wie weit darf man die Mächtigen, die Strippenzieher und die Vorgänge im und um den österreichischen Fußball eigentlich kritisieren, ohne in den Verdacht des Bashings zu geraten?

von Gerald Gossmann

 

Fußballportale im Internet gewinnen an Bedeutung. Das liegt vor allem daran, weil sie die Rolle, die eigentlich die Sportressorts der großen Tageszeitungen erfüllen sollten, ausfüllen. Es wird kritisch hinterfragt, nachgehakt, es werden Widersprüche aufgezeigt und den Mächtigen des österreichischen Fußballs auf die Finger geschaut, bei Bedarf auch geklopft. Das ist neu in der österreichischen Sportberichterstattung und unterscheidet sich vom bisherigen Zugang, der sich hauptsächlich um die Schmackhaftmachung des Produkts Fußball drehte. Was aber nicht wirklich Aufgabe der Journalisten ist und ihren wirklichen Auftrag damit ad Absudrum führt.

 

Nachdem aber Fußballberichterstattung in Österreich über Jahrzehnte genau mit dieser Art von PR-Mischmasch in Verbindung gebracht wird, ist sich ein Teil der Leserschaft nicht mehr bewusst, welchem Grundauftrag Journalisten (auch im Sportressort) eigentlich nachzugehen haben.

 

Dass die ÖFB-Trainerausbildung ehemalige Kickergrößen bevorzugt und somit eine manipulierte Trainergeneration heranzüchtet, wurde an dieser Stelle aufgedeckt. Die Rolle des Herbert Prohaska rund um die Teamchefbestellung von Marcel Koller ebenso. Während die großen Tageszeitungen Gustomacher auf Derby, Länderspiele, Bundesligastarts etc. publizieren, aber auf kritischen Journalismus beinahe vollständig verzichten, entwickelt sich der Sportjournalismus im Internet zu einer seriösen Ausformung seiner Gattung.

 

Der Fußballfan ermüdet bei anhaltender Kritik zusehends schneller

Der Sportjournalismus hat aber gegenüber den Politik- und Wirtschaftsressorts den Nachteil, dass der Leser kritische Sportberichterstattung nicht mehr gewohnt ist. Während Wirtschaftsredakteure unentwegt Machenschaften aufdecken und ein Kontrollorgan der Mächtigen darstellen, ermüdet der Fußballkonsument bei anhaltender Kritik an einem Zustand zusehends schneller. Nach dem Motto: Kritik gut und schön, aber jetzt muss auch einmal Schluss sein. Immer wieder wird anhaltende kritische Berichterstattung beim Publikum als unfaire Hetzjagd wahrgenommen. Aber ist sie das?

 

Der „Spiegel“ schrieb dazu kürzlich in Anlehnung an die Debatte um die Wulff-Berichterstattung: „Das Publikum ist kein zulässiger Indikator für die Qualität und Angemessenheit einer Berichterstattung. Das liegt nicht nur daran, dass ein Teil natürlich parteiisch ist und es ablehnt, wenn eine bestimmte Person mit kritischen Fragen konfrontiert wird. Auch die Ermüdung des Publikums kann kein Argument dagegen sein, einer Sache auf den Grund zu gehen. Im Gegenteil: es zeichnet guten Journalismus aus, weiter zu recherchieren, auch wenn die Aufmerksamkeitsspanne der Schaulustigen längst überschritten ist.“ Das gilt auch für den Bereich des Sportjournalismus.

 

Wo hört Kritik auf, wo beginnt Bashing?

Herbert Prohaska und Didi Constantini hatten auf Internetportalen durchwegs schlechte Presse, die aber auf sachlichen Argumenten gründete. Gerade hier wurde von einem Teil der Leserschaft eine Art Hetzjagd gesehen. Der Vorwurf des Bashings wurde laut. Auch von Medienvertretern. So schrieb etwa der Ballesterer in Anlehnung an diese Kolumne: „Bloßes Prohaska-Bashing macht noch keine funktionierende Taktik.“ Demnach dürfte aber auch keine sich wiederholende Kritik an der Wirtschaftspolitik von EU-Staaten angebracht werden, weil das alleine noch keine positiven Staatshaushalte garantiere. Oder keine Kritik an Karl-Heinz Grasser, weil das alleine den Korruptionssumpf nicht ausrotten wird.

 

Der Vorwurf des Bashings wäre dann angebracht, wenn Journalisten immer wieder dieselben Argumente in den Ring werfen, nur aus anderen Richtungen, leicht adaptiert, aber im Grunde unverändert. Oder wie rund um die Arnautovic-Berichterstattung, als kleinste Verfehlungen und harmlose Anekdoten zu großen Geschichten aufgeblasen wurden. Hier trifft der Vorwurf des Bashings zu. Aber die Suche nach neuen Argumenten, nach neuen Widersprüchen und nach Ungereimtheiten (auch wenn sie immer wieder denselben Kreis an Personen betreffen sollten) ist nicht nur legitim, sie ist auch notwendig. Ob der Leser dabei ermüdet oder nicht ist zweitrangig.

 

Die Krönung von unkritischem Journalismus

Wie weit Eventjournalismus und das PR Mischmasch führen können, zeigte der Deal des ORF mit dem ÖFB vor dem Heimeuropameisterschaft 2008, wo positive Berichterstattung erpackelt wurde, um die Begeisterung im Land zu erhöhen. Was aber schlussendlich die Krönung von unkritischem Journalismus darstellte und im schlimmsten Fall sogar negativ auf den Fußball selbst einwirkt, weil die kritische Instanz als Gegenpol fehlt, die aber für die Weiterentwicklung unabdingbar ist.

 

Ein aktuelles Beispiel:

Wenn also der ÖFB eine langfristige Strategie propagiert, in der die Durchgängigkeit der Spielphilosophie oberste Priorität hat, und der neu installierte U21-Coach genau das Gegenteil zu seinem Arbeitscredo ausruft, ohne einen großen Aufschrei der Medien zu ernten, dann stellt sich nicht die Frage des Bashings, sondern ob österreichische Sportjournalisten ihren Arbeitsauftrag überhaupt begreifen.

   

Linktipps:

Willi Ruttensteiner: Der Messias, the “lame duck” oder der böse Hänsel? (90minuten.at)

Werner Gregoritsch: Jugendwahn, zu optimistisch und zu human (90minuten.at)

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