Fußballpräsident – ein Bubentraum der Hobbyisten
Viele österreichische Fußballfunktionäre sehen in ihrer Funktion Hobby oder Interessenvertretung. Die Folgen lähmen den heimischen Kick. Ein aktuelles Beispiel untermauert den Zustand. von Gerald Gossmann Manfred Rottensteiner, im Hauptberuf Geschäfts
Viele österreichische Fußballfunktionäre sehen in ihrer Funktion Hobby oder Interessenvertretung. Die Folgen lähmen den heimischen Kick. Ein aktuelles Beispiel untermauert den Zustand.
von Gerald Gossmann
Manfred Rottensteiner, im Hauptberuf Geschäftsführer verschiedener Magna-Betriebe, hat zwei Hobbys. Er ist Bürgermeister seiner Heimatgemeinde. Und er ist Präsident des Bundesligisten Wr. Neustadt. Die Bezeichnung „Hobby“ hat er selbst gewählt (Wr. Neustadt-Präsident Rottensteiner: 'Die Frage nach dem Konzept war nicht die Richtige'). Fußballpräsident ist für ihn so eine Art Bubentraum, den sich ansonsten vorwiegend Milliardäre wie Frank Stronach erfüllen. Jetzt eben auch Rottensteiner. Wobei sein Hobby nach Saisonende so richtig spannend wurde, was dem Reiz der Sache durchaus dienlich ist. Peter Stöger wechselte zur Austria und Rottensteiner durfte Fußballmanager spielen. Ganz real, nicht auf der Play Station. Er habe „kurz analysiert“ und „die Trainerentscheidung zur Chefsache“ erklärt, verrät er. Dann hat er Frenkie Schinkels angerufen. Auch wegen der Sponsoren, die gerne einen Sympathieträger am Trainerbankerl sehen. Und wer, wenn nicht Frenkie Schinkels ist sympathisch. Gerade nach Dancing Stars, das ihm breitenwirksame Popularität vom Kleinkind bis zur Großmutter bescherte.
Schinkels ist derzeit der Innbegriff eines Werbeträgers. Aber Schinkels mag nicht mehr Trainer sein, das sei mit zu viel Mühe verbunden, erzählt er gerne auf Nachfrage und das hat er auch Rottensteiner so erzählt. Außerdem soll er im ORF so etwas wie der neue, unverbrauchte Assinger werden. Also wird Schinkels sein Geld bald nicht mehr als Trainer verdienen müssen. Keine „rückwärts getanzte Polonaise“ mehr für ahnungslose Sponsoren, die im VIP-Klub bei Laune gehalten werden müssen, aus Dankbarkeit für ihren Einsatz im Vorfeld für mehr Sympathie – also konkret für mehr Schinkels. Dass das Fernsehen ein dankbareres Pflaster für Schmäh ohne fachliche Substanz ist, hat mittlerweile von Prohaska abwärts ein Haufen an Ex-Kickern bemerkt, die zum Teil nach vorwiegend erfolgloser Trainerkarriere zwangsbedingt nach einem anderen Beschäftigungsfeld suchen mussten. Krankl, Polster, Schinkels & Co. eignen sich durchaus für komödiantisch angehauchte Sendungsformate, auch als Werbegesicht. In Verbindung mit Fußballvereinen sollte aber der Werbewert eines Trainers keine vordergründige Bedeutung spielen. Jedenfalls dann nicht, wenn der österreichische Kick nicht weiterhin zur Satire verkommen will.
Werbewert anstatt fachlicher Kompetenz als entscheidendes Kriterium
Rottensteiner hat das noch nicht bemerkt. Also hat er nach Frenkie Schinkels Heimo Pfeifenbergers Nummer gewählt. Der ist auch sympathisch und beliebt – noch aus Austria Salzburgs Glanzzeiten. Also breitenwirksam. Das gefällt den Sponsoren. Pfeifenberger und Rottensteiner haben kurz telefonisch geplaudert, ehe der Präsident sein „Bauchgefühl“ zur Entscheidung heranzog. Auch die Bezeichnung „Bauchgefühl“ hat Rottensteiner selbst gewählt. Ob auch die Frage nach einem etwaigen Konzept gestellt wurde? Nach einem Plan, wie Pfeifenberger die Neustädter in der Liga halten will? „Im Prinzip war die Frage nach einem Konzept zu diesem Zeitpunkt sicher nicht die Richtige“, sagt Rottensteiner. Das Anforderungsprofil bestand ohnehin ausschließlich aus Jugend und Dynamik. Was immer das auch heißen mag. Dass eine Trainersuche auch professionell ablaufen kann, hat Matthias Sammer vor wenigen Tagen in Wien erklärt (Matthias Sammer: ‚Ohne Plan ist alles nichts').
Die Vorgangsweise Rottensteiners ist kein Einzelfall. Das Hobbytum hat System in Österreich. Und nicht immer steht der sportliche Wert eines Trainers im Zentrum der Trainerfindung. Rudolf Edlinger suchte nach Peter Pacult in erster Linie eine grün-weiße Ikone. Thomas Parits nach Ivica Vastic in erster Linie einen öffentlichkeitswirksamen Diplomaten. Davor suchte jahrelang der Milliardär Frank Stronach die Trainer aus. Wie auf einem Brettspiel. Das Gleiche passiert gerade bei Salzburg und Didi Mateschitz. Im Vordergrund steht selten der sportliche und fachliche Wert eines Trainers. Es geht um Werbewert, Öffentlichkeitswirksamkeit und Sympathiepunkte beim Publikum, nicht um sportliche Weiterentwicklung. Das kommt daher, weil auch Sponsoren bei Trainerbestellungen mitreden. Direkt, wie im Falle der Vastic-Bestellung gemutmaßt wurde. Oder indirekt wie bei Wr. Neustadt, wo Geldgeber ein sympathisches Erscheinungsbild des Vereins fordern und der Präsident die Forderung mit einem bekannten Gesicht erfüllt.
Auf der einen Seite stehen also die Hobbyisten, die sich einen Bubentraum erfüllen und die Figuren am Feld lenken wie andere am Schachbrett, was Österreich bereits einen Teamchef der Marke Krankl bescherte, als der Milliardär Stronach seinen Willen durchsetzte, und damit dem Team Jahre der vernünftigen Entwicklung kostete. Auf der anderen Seite stehen die hauptberuflichen Funktionäre, die vor allem ihren Beratern oder Sponsoren im Wort liegen und somit den Markt auf Sympathie- und Werbeträger beschränken. Daher auch die Flut an Ex-Kickern mit bekanntem Gesicht á la Pfeifenberger, Schinkels, Vastic, Krankl, Lindenberger & Co. auf heimischen Trainerbänken. Dabei wäre die Vergangenheit als Ex-Kicker gar nicht zu verurteilen. Das Marktmonopol, das sie aber ohne viel Leistung in die Bundesliga befördert, lässt jeglichen Fleiß, jede Leistungsbereitschaft und Weiterentwicklung im Keim ersticken. Die Mischung aus Funktionärs-Hobbytum und Sponsorenhörigkeit trägt Schuld daran, dass sich der österreichische Fußball in Endlosschleife als Skurrilitäten-Kabinett verkauft.
Realität im Gewand der fiktiven Satire
Wenn LASK-Boss Reichel mit Karl Daxbacher in einem Burger King-Restaurant verhandelt. In Oed. Dann riecht das nach einer Szene aus einem Quentin Tarantino-Movie. Auch, wenn Wr. Neustadt-Präsident Rottensteiner von seinem Hobby, dem Präsidenten-Dasein, schwadroniert und seine Ahnung von Fußball damit bestätigen will, dass er mit seinen kickenden Söhnen die Fußballplätze landauf landab bereiste.
Wer sein Anforderungsprofil für einen Trainer vordergründig mit Jugendlichkeit und Sympathie befüllt und kurz darauf bei Schinkels und Pfeifenberger vorstellig wird, in einem kurzen Gespräch sein Bauchgefühl entscheiden lässt und sein eigenes Amt als Hobby bezeichnet, der dürfte sich ausschließlich in der Fiktion eines zynischen Glosse-Schreibers wiederfinden, nie aber in der Realität.
g.gossmann@90minuten.at
.