Die Gretchenfrage: Wollen oder können die Herren Vastic und Schöttel kein Spiel gestalten?

Schlechte Ausbildung, kein Wissen, keine Visionen. Immer mehr Indizien sprechen dafür, dass viele Bundesligatrainer nicht nur vorsichtig agieren wollen, sondern gar nicht anders können. von Gerald Gossmann.


Das Derby erfüllte die Erwartungen. Unansehbarer Fußball und im Anschluss Argumente zum zerpflücken. Das war vorhersehbar. Die Spiele beider Wiener Großklubs unterscheiden sich nicht mehr wirklich. „Keiner will ein Derby verlieren, deswegen waren die letzten beiden Derbys nicht so gut“, sagt Peter Schöttel. „Für beide Teams und Trainer geht es um sehr viel, wir müssen unsere Mannschaften in den Euroapcup führen. Das wird von uns verlangt.“

 

Anderswo läuft das aber nicht anders. Forderungen gehören schließlich zum Tagesgeschäft. Von Lucien Favre verlangte man den fast aussichtslosen Kampf gegen den Abstieg. Von Jürgen Klopp die Auferstehung Dortmunds. Lucien Favre machte aus einem Absteiger einen CL-Kandidaten, Jürgen Klopp aus einem bankrotten Mittelständler einen zweifachen Meister. Auch Jürgen Klopp wollte das meisterschaftsentscheidende Spiel gegen ein individuell klar besseres Bayern München nicht verlieren. Trotzdem gab es ein gutes Spiel, trotzdem Pressing, trotzdem ein druckvolles Spiel. Gestern wurde Peter Schöttel auf ServusTV auch darauf angesprochen. Rapid habe doch, auf Österreich heruntergebrochen, ähnliche Voraussetzungen wie Dortmund. Schöttel erzählte etwas vom „Mysterium Dortmund“, von zuviel Abstand zum deutschen Meister um seine Spielweise auch beurteilen zu können. Es dürfte halt alles gerade zusammenpassen, ein Lauf entstanden sein – die Analyse war damit fertig.

 

Unerwünscht. Vergleiche mit deutschen Trainern.

ivica_vasticVergleiche mit der deutschen Liga sehen österreichische Coaches ohnehin nicht gerne. Vorausgesetzt es werden Arbeitsweisen der Trainer verglichen. Denn warum können eine Austria oder Rapid nicht so ein beeindruckendes Pressing wie Dortmund, M´Gladbach & Co. praktizieren, warum nicht so schnell umschalten oder nach Ballgewinn mit Automatismen in der Vorwärtsbewegung zum Torerfolg kommen? Man könne die Voraussetzungen nicht vergleichen, heißt es dann. Beim Vergleich der Spieler macht man halt eine Ausnahme. „Wir haben in Österreich eben keinen Robben oder Ribery, die mit individuellen Aktionen ein Match entscheiden können“, erklärt Vastic nach dem 0:0 im Derby und vergleicht dabei ungeniert das Unvergleichbare.

 

Es war das geschätzte fünfhunderttausendste Mal in der österreichischen Fußballhistorie, dass die Spieler nach einer desaströsen Darbietung die Krot zu fressen hatten. Auch nach dem Derby am Sonntag. Nicht erwähnt bleibt, dass gerade bei fehlender individueller Klasse, den Automatismen, den eintrainierten Spielzügen, der Akribie im taktischen Bereich, eine noch größere Bedeutung zukommt. Trainer jammern in Dauerrotation über die fehlende Klasse ihrer Spieler, auch wenn durch die Spiele offensichtlich wird, dass die Spieler oft Gefangene der starren Spielsysteme ihrer Trainer sind. „Die Austria baut ihr Spiel nur über die Seiten und mit langen Bällen aus der Innenverteidigung auf - das Zentrum ist tabu, es wird überflogen. Was wie schiere Unfähigkeit (der Spieler, Anm.) aussieht, ist Vorschrift. Um hinten nix reinzulassen. Vorne vertraut man auf den Zufall“, beschreibt Martin Blumenau die Vorgehensweise punktgenau.

 

Peter Schöttel erklärt bereits die gesamte Saison über, dass er keinen blassen Schimmer habe, warum seine Mannschaft in der Offensive nichts zustande bringt. Vastic dito.

 

Eindimensionale Trainerausbildung

Die Gründe dafür liegen zum Teil in einer hochgepriesenen aber eindimensionalen Trainerausbildung. Peter Stöger erklärte kürzlich im Interview mit 90minuten.at: „In der Ausbildung wurde sehr stur eine gewisse Systemtaktik vermittelt. Wenn ich von Taktik spreche, war das 4-4-2-System einzementiert.“ Kein Wunder also, dass Bundesligisten seit Jahren eindimensional und ohne großen Handlungsspielraum agieren. Die Bundesliga-Trainer haben es weder in ihrer Ausbildung gelernt, wie man defensive Mannschaften knackt oder variantenreich coacht, noch machen sie Anstalten daran etwas zu ändern. Während in Österreich das biederste Einmaleins des Fußballs diskutiert wird (Räume zustellen etc.), will man international das Spiel gestalten. Immer variantenreicher und präziser vorbereitet. In Österreich versteht man aber immer noch nicht, dass Offensivfußball und Erfolg kein Widerspruch sein muss. Auch, wenn der Widerspruch in Österreich in der Praxis natürlich besteht. Während in Deutschland Offensive und Defensive gleichermaßen funktionieren müssen, schaffen viele österreichische Trainer nur eines von beiden. Wenn überhaupt.

 

Schöttels Mannschaft holte zuletzt Siege gegen Kapfenberg und die Admira. Die Printmedien berichteten von einer Konsolidierung Rapids, auch wenn allen klar hätte sein müssen, dass die Siege gegen offensiv orientierte Teams nicht das wahre Problem Rapids beheben konnten. Nämlich das Ausspielen eines defensiven Gegners.

 

Fehlt es den Trainern am Wissen? „Das kann schon sein. Das ist auch nicht leicht.“

„Die Spitzenmannschaften glauben oft, dass sie das Risiko nicht gehen müssen, weil sie denken, dass sie kein Tor bekommen und schon irgendwie eines schießen werden.“ Die Aussage stammt von Peter Stöger, einem Bundesligatrainer, einem Insider. Der muss es ja wissen, welche Philosophie seine Kollegen verfolgen. Und er legt im Interview mit 90minuten.at nach. Frage: „Ist es wirklich nur die mangelnde Risikobereitschaft, oder liegt es auch am mangelnden Wissen der Trainer, wie man eine defensiv orientierte Mannschaft ausspielen kann? Stöger: „Das kann schon sein. Das ist auch nicht leicht. Man braucht Qualität in der Mannschaft und eine gewisse Entschlossenheit.“ Der Nachsatz will seine Kollegen verteidigen. Die ersten beiden kurzen Sätze zählen.

 

Basel-Legionär Dragovic sollte im Interview mit sport10.at die Unterschiede zwischen seinem jetzigen Klub und der Austria erläutern. Dragovic: „…wenn man unsere Spielanlage bei Basel sieht, dann merkt man, was sich der Trainer denkt, wie wir den Gegner am besten ausspielen können.“ Nachsatz: „Da sind wir in Österreich sicher etwas hinten nach.“
Stöger ist Bundesligatrainer, Dragovic spielte jahrelang in der Bundesliga. Die müssen wissen, wovon sie sprechen. Und beide bestätigen das ohnehin Offensichtliche.

 

Vastic und Schöttel bleibt also nur weiterhin das Loben ihrer Abwehrreihen übrig. Auch wenn das, bei fehlendem Angriffswillen und ausbleibendem Pressing der meisten Gegner, keine Extraerwähnung wert sein dürfte. Was passiert, wenn eine Mannschaft, entgegen der Erwartungen des Rapid-Trainers, nach vorne spielt, zeigte das Spiel von Rapid in Innsbruck, wo man schnell 0:2 hinten lag und danach irgendwas von „Schock“ jammerte.

 

Schöttel und Vastic können Ausreden auch erfinden, weil sie von den Printmedien unkommentiert abgedruckt und nicht hinterfragt werden. Schöttel sagt: „Wenn wir am Ende international spielen, war es eine gute Saison.“ Wahrscheinlich wird das medial von Krone & Co. auch so transportiert. Egal ob es stimmt oder nicht.

 

Schöttel und Vastic werden vor Spielen weiterhin betonen, dass ihre Mannschaften nicht verpflichtend gewinnen müssten und daher vorsichtig agieren dürfen. Langsam wäre es aber interessant, ob sie können, wenn sie müssen. Oder ob ein biederer, defensiver Gegner auf unabsehbare Zeit das Ende der Fahnenstange darstellt.

g.gossmann@90minuten.at

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