Das oberste Verbot: Kritisiert euren Trainer nicht

Österreichische Trainer kritisieren regelmäßig die Fähigkeiten ihrer Spieler. Umgekehrt wäre das nicht vorstellbar. Die Austria dient als jüngstes Beispiel. von Gerald Gossmann   Es war ein leiser, subtiler Versuch. Und ein Kluger. Im Bewusstsein, dass zu

logo_qualitaetsjournalismus_300x234Österreichische Trainer kritisieren regelmäßig die Fähigkeiten ihrer Spieler. Umgekehrt wäre das nicht vorstellbar. Die Austria dient als jüngstes Beispiel.

von Gerald Gossmann

 

Es war ein leiser, subtiler Versuch. Und ein Kluger. Im Bewusstsein, dass zu laute und direkte Kritik Konsequenzen nach sich ziehen würde, versuchten Michael Liendl und Georg Margreitter ihren Unmut nach dem Spiel in Kapfenberg in Worte zu gießen. Während Trainer Vastic die Diktiergeräte der Journalisten mit seiner mittlerweile sehr verzerrt wirkenden Wahrnehmung bespulte – über Schiedsrichterentscheidungen, fehlende Qualität seiner Spieler und kritisierende Kritiker jammerte – sprach Michael Liendl: „Es ist zu wenig Bewegung drinnen. Wir spielen ständig hohe Bälle und hoffen, dass vorne ein glücklicher Abpraller passiert. So werden wir kein Spiel gewinnen.“

 

Eine Analyse, die es auf den Punkt trifft und die Vastic Spiel um Spiel von sich weg schieben möchte. Was ihm auch gelingt. Während Medienvertreter unbewusst oder bewusst die „Causa Linz“ zum alleinigen Thema hochstilisieren, hält sich Vastic an Oberflächliches. Liendls Aussage ist als Hilferuf zu verstehen, weil er sich als Gefangener eines Systems sieht, das die Qualitäten der Spieler nicht zur Entfaltung bringt. Noch schlimmer. Es lässt sie defizitär wirken – in allen Bereichen. Warum sich auf der Straße als Hundskicker beschimpfen lassen? Als Rumpelfüßler, Antikicker oder Radlfahrer? Die angeordneten hohen Bälle, das Nicht-Konzept für die Offensive – all das nimmt Woche für Woche fast die gesamte Austria-Belegschaft auf dem Feld aus dem Spiel. Liendl wollte dem etwas entgegen stellen und sagen – diplomatisch verpackt. Hinter die Sätze Liendls geblickt, versteckt sich ein Hauch von Trainerkritik: Wer sonst, außer Vastic, sollte für die ständig hohen Bälle und die Zufallstaktik im vorderen Felddrittel verantwortlich sein? Auch Georg Margreitter suchte Worte für die Chancenlosigkeit: „Es ist einfach unglaublich, dass wir als Tabellendritter zum Letzten fahren und hier nicht den Funken einer Chance haben.“ Klingt alles nach Hilferuf.

 

thomas_parits_gepa_300x223_269x200Die Taktik der Austria-Führung, um nach dem Spiel die Wogen zu glätten, gestaltet sich exemplarisch für die Vorgehensweise unzähliger österreichischer Fußballklubs in Krisenzeiten. Es scheint zum österreichischen Patentrezept mutiert: Den Status quo schön reden (hier, hier oder hier), die Taktik-Komponente herunterspielen, die Spieler in die Pflicht nehmen.

 

Alles bereits erlebt. Zum Beispiel als Emanuel Pogatetz die Planlosigkeit und das fehlende System unter Teamchef Hickersberger ansprach, weil er seinen Marktwert beschädigt sah, als Gefangener eines Spielsystems, das ihn nicht zur Entfaltung kommen ließ. Kurz darauf wurde ihm in Zusammenspiel zwischen ÖFB und Medien ein Rundumschlag angedichtet. Dabei hatte er nur betont, dass er gefälligst taktische Vorgaben bekommen möchte. Um nicht aufs Feld zu laufen, „wie ein Schüler, der für eine Schularbeit nichts gelernt hat.“ Ähnliches kam auch von Paul Scharner. Beide wurden suspendiert. Wegen konstruktiver Kritik.

 

Während Schöttel, Vastic & Co. Woche für Woche die Qualität ihrer Spieler bemängeln dürfen, um ihre Miseren zu rechtfertigen, wäre das umgekehrt kaum denkbar. Dabei sind gerade viele österreichische Bundesligatrainer international nicht vermarktbar und stehen damit rein statistisch weit hinter den Exportzahlen der Bundesligakicker.

 

Keine Problemlösung sondern die mediale Zurechtrückung steht im Vordergrund

Sitzen Journalisten off records mit den Trainern der Bundesliga zusammen, erklären sie ihnen, ganz im Geheimen, warum es nicht läuft. Der eine Spieler sei abgehoben, der andere im Kopf nicht so weit, der dritte scheitere an beidem. Die Meinung der Journalisten bildet sich zwischen dem Glauben an die Ausreden der Trainer und dem Stolz wieder einmal Insiderinfos aus erster Hand erfahren zu haben. Dabei würde ein Blick aus der Vogelperspektive reichen, um auch die Trainer in die Pflicht zu nehmen.

 

Öffentliche Äußerungen zu taktischen Schwächen der Trainer gibt es von Spielern deshalb so gut wie nie. Erstens will man sich nicht ins eigene Fleisch schneiden, weil man darüber Bescheid weiß, am kürzeren Ast zu sitzen. Zweitens ist man sich als junger Spieler in der österreichischen Liga der anderen Trainingsmethoden oft nicht bewusst. Aleksandar Dragovic, Veli Kavlak oder Yasin Pehlivan sprachen erst nach ihren Auslandstransfers von fehlenden Taktikeinheiten und konzeptlosem Fußball der das Offensivspiel lähmt.

 

Auch die Austria ist nach dem Frühjahr, das sie in die fußballerische und taktische Steinzeit rückversetzt hat, nicht um konstruktive Schadensbekämpfung bemüht, sondern alleine um die mediale Zurechtrückung einer von den Spielern Liendl und Margreitter halbwegs begradigten Wirklichkeit. Und so klingt Georg Margreitter in einem Beitrag auf der eigenen Homepage am Tag danach schon ganz anders: „Ruhe bewahren ist gerade in dieser schwierigen Lage entscheidend“, sagt er fast gehirngewaschen. Danach wird Margreitter noch dazu instrumentalisiert, die Defensivtaktik seines jetzigen Coaches zu verteidigen, indem er einen Vergleich zu seinem Ex-Klub LASK ziehen soll: „Dort haben wir immer wieder auf Alles oder Nichts gespielt, sehr viele Tore kassiert und ebenfalls ordentlich einstecken müssen.“

 

Die Kritik der Vereinsführung an den Aussagen von Margreitter und Liendl dürfte intern abgewickelt worden sein. Der Beitrag, in dem die Austria-Öffentlichkeitsarbeiter ihren eigenen Kicker interviewen, soll jetzt korrigierend wirken.

 

Auch wenn man, durch die zunehmende Realitätsverweigerung, der Lösung der wahren und mittlerweile großen Problemen nicht näher gekommen ist.

 

g.gossmann@90minuten.at 

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