'Na und. Wer kreiert schon Chancen?' - Eine Fußballliga ohne Fußballspiele
Österreichs Fußballliga muss vorwiegend ohne Tore und Angriffsszenen auskommen. Die Bundesliga-Trainer reden sich auf Pech, Unvermögen und ihre Spieler aus. Dabei verkennen sie die Realität. von Gerald Gossmann Das Spiel geht im Frühjahr bereits sechs
Österreichs Fußballliga muss vorwiegend ohne Tore und Angriffsszenen auskommen. Die Bundesliga-Trainer reden sich auf Pech, Unvermögen und ihre Spieler aus. Dabei verkennen sie die Realität.
von Gerald Gossmann
Das Spiel geht im Frühjahr bereits sechs Runden lang. Peter Schöttel erklärt Spiel um Spiel warum Rapid in der Offensive nicht überzeugen kann. „Heute war es in etlichen Situationen nur Pech, während der Gegner Glück hatte“, erzählt Schöttel nach dem 1:1 gegen Mattersburg. Eine Aussage, die sich mit jenen der letzten Wochen fast gänzlich deckt. Einmal ist es Pech, ein anderes Mal sind es die bösen Fans, die für zu wenig Rückhalt sorgen, dann wieder die wenig fähigen Spieler, die den Ball trotz Großchancen nicht im Tor unterbringen. Blöd nur, dass sich das kontinuierlich auftretende Pech langsam schwer argumentieren lässt, bei nur sechs Siegen in 13 Heimspielen.
„Ich schaue neidisch auf Salzburg wenn ich sehe, wie die das Spiel heute gewonnen haben. Dass wir solche Spiele nicht gewinnen können tut uns weh“, sagt Schöttel und verkennt dabei das Problem komplett. Gefordert sind langfristig keine erwurstelten Siege sondern ein zukunftsfähiges Spielsystem.
Rapid hat im Frühjahr in sechs Spielen drei Treffer erzielt. In der Regel wird Schöttels Mannschaft aus Standard-Situationen gefährlich. Wenn überhaupt . Es gibt kein konsequentes Pressing, keine Automatismen in der Offensive, keine Kreativität nach vorne – im Grunde gibt es kein Fußballspiel. Damit sind Rapid und sein Trainer aber nicht alleine. Wr. Neustadt und Sturm Graz haben in sechs Frühjahrsspielen gar nur einmal ins gegnerische Tor getroffen. Salzburg mit sechs und Austria Wien mit fünf Treffern zählen da schon zu den Torkaisern. Jedenfalls wenn es nicht Mattersburg und die Admira gäbe, die sieben und neunmal trafen.
Eines zeigt sich im Frühjahr noch deutlicher als im Herbst. Wenn die Kleinen hinten dicht machen stehen die Großen an. Das 0:0 wird zum Resultat der Saison. Und das obwohl das Problem kein allzu neues ist.
Alle Trainer wollen auf Konter spielen. Das Resultat ist eine Pattstellung.
Mittlerweile wollen in Österreich alle Trainer auf Konter spielen, weil ihr fachliches Wissen nichts anderes zulässt. Also ergibt sich in der Liga eine Pattstellung. Die vielen Remis dokumentieren das. Rapid hat nach 25 Runden zwölf Unentschieden am Konto. Das entspricht beinahe der Hälfte aller Spiele. Während die modernen Vertrete r der Trainerzunft darauf schwören, dass heutzutage die meisten Tore nach Ballgewinn im zweiten oder dritten Spiefelddrittel fallen, versucht man in Österreich gar nicht einmal durch konsequentes Pressing dorthin vorzustoßen.
Helmut Kronjäger erklärte kürzlich unmissverständlich: „Es ist das einfachste zwei schnelle Spitzen vorne hinzustellen und auf Konter zu spielen. Alles was da drüber geht ist Entwicklungsarbeit und da muss der Trainer auch lernen. Konter kann man in einer Woche ohne Probleme eintrainieren, weil es das leichteste ist.“ Das Problem ist, dass nahezu alle Trainer der österreichischen Bundesliga beim „Stand Konterfußball“ in ihrer Entwicklung hängen geblieben sind.
Das Argument, dass viele Topvereine wertvolle Spieler ziehen lassen mussten, gilt dabei nicht. Österreichs Liga hat sich als Ausbildungsliga definiert. Die Vereine müssen ihre Konzepte danach ausrichten und nicht jammern, als käme alles ganz unvorbereitet.
Die torarmen Runden im Frühjahr stehen wie ein Beleg dafür, dass die österreichische Liga die Bedeutung einer Spielphilosophie und einer funktionierenden Nachwuchsarbeit noch immer nicht kapiert hat. Der deutsche Taktik-Experte der Internetplattform abseits.at analysiert die Situation auf den Punkt: „Ob fehlende taktische Ausbildung in der Jugend, zu wenig auf das Eintrainieren von spieltaktischen Elementen eingeschulte Trainer oder die inexistente Anpassung an die gegnerischen Eigenheiten – die Probleme sind mannigfaltig."
Fragt man Stöger nach der schlechten Offensive, gibt er den Ball an die Spieler weiter
Die Probleme scheinen offensichtlich und trotzdem will man daran nicht wirklich etwas ändern. Peter Stögers Wr. Neustadt hat im Frühjahr einen Treffer erzielt, aus einem Eigentor. Trotzdem freut sich Stöger Woche für Woche über die gute Abwehrleistung. Fragt man ihn nach der schlechten Performance der Offensive, gibt er den Ball volley an seine Spieler weiter: „Wir haben eigentlich verhältnismäßig viele Offensivspieler am Feld, aber diese müssen noch härter für ihre Möglichkeiten arbeiten und mehr Engagement zeigen.“ Selbstkritik an gruppentaktischen Maßnahmen? Fehlanzeige. Der Spieler soll mehr kämpfen und laufen.
Es verstört zunehmend, dass Vastic, Schöttel & Co. Runde für Runde über gut stehende Abwehrreihen jammern ohne ein Gegenmittel zu erarbeiten. "Es war sehr schwierig, viele Chancen herauszuspielen. Wir haben schon vor dem Spiel gewusst, dass Wiener Neustadt sehr kompakt in der Defensive steht. Deshalb war es schwer, ein Mittel zu finden, sie zu knacken“, erzählt Vastic nach dem 0:0 gegen Wr. Neustadt ganz ungeniert, um danach noch nachzulegen: „Den Unmut mancher Fans kann ich nicht verstehen. Man muss realistisch bleiben, was man erwarten kann. Wir bleiben auf unserem Weg.“
Vastic, Schöttel & Co. schieben die Schuld an unglückliche Spielverläufe, kompakte Abwehrreihen, unfähige Spieler und missmutige Fans ab. Auch wenn Taktikanalysen regelmäßig die größere Dimension der Problematik offensichtlich machen. Die Spiele bleiben destruktiv und torarm. Steht der eine abwartend, bleibt man es auch. Angsthasenfußball scheint en vogue. Ohne Aussicht auf Besserung, ohne Aussicht auf taktischen Anschluss an europäische Normen.
Unverständliche Verständnislosigkeit
Viel mehr werden die destruktiven Spielsysteme noch verteidigt. „Na und. Wer in der Liga kreiert schon Chancen“, meint Schöttel nach dem Remis gegen Mattersburg patzig. Aber was will uns Schöttel damit sagen? Wenn die anderen sich nicht um Weiterentwicklung scheren, braucht das sein Team auch nicht?
Es scheint, als könnten die klingenden Jungtrainernamen ihre Mannschaften taktisch nicht weiter bringen. Helmut Kronjäger erklärte das vor kurzem so: „Die Bundesliga muss bei uns als Probier- und Lernfeld für die Traineranwärter herhalten. Bei uns lernen die neuen Trainer am lebenden Objekt und für die Mannschaften ist das eigentlich verlorene Zeit.“
Vastic und Schöttel können trotz der Eindimensionalität ihrer Spielsysteme kein Verständnis für den Unmut der Fans und schon gar nicht für vereinzelte Kritik der Medien aufbringen. Dabei erscheint gerade ihre Verständnislosigkeit zunehmend unverständlich.
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