Wie beschwerlich war der Reform-Weg Ruttensteiners?
Wer Willi Ruttensteiner befragt kriegt Antworten. Wer nachfragt kriegt die Wahrheit. Ruttensteiner scheiterte mit seiner Strukturreform jahrelang an Fortschrittsverweigerern und falscher Bescheidenheit. Eine Skizze, die zeigt wie beschwerlich der Weg Rutt
Wer Willi Ruttensteiner befragt kriegt Antworten. Wer nachfragt kriegt die Wahrheit. Ruttensteiner scheiterte mit seiner Strukturreform jahrelang an Fortschrittsverweigerern und falscher Bescheidenheit. Eine Skizze, die zeigt wie beschwerlich der Weg Ruttensteiners war, den ÖFB in die Neuzeit zu führen.
von Gerald Gossmann
Besuch beim neuen starken Mann des ÖFB – bei Willi Ruttensteiner. Sein Büro befindet sich gleich neben dem des Teamchefs. „Er ist so fleißig der Herr Koller und immer da“, lobt eine ÖFB-Bedienstete am Gang. Auch Ruttensteiner gilt als wenig arbeitsscheu. Die Wege der Kommunikation dürften in Zukunft kurz sein zwischen Teamchef und Sportdirektor.
Ruttensteiner hat eine Strukturreform, im schwerfälligen ÖFB, endlich durchgebracht. Der klügste Kopf des Verbandes hat Recht bekommen. Das ist in Österreich keine Selbstverständlichkeit. Jahrelang wurde anderen Köpfen vertraut und Krankls und Constantinis nach Belieben bestellt. Generaldirektor Ludwig sagt noch heute ungeniert, dass er damals für Krankl als Teamchef war, weil er Feuer und Motivation garantierte. Krankl und Prohaska waren es auch, die Ruttensteiner am schärfsten kritisierten.
„Es tut weh, wenn man Wertschätzung für seine Arbeit nicht erfährt“, sagt Ruttensteiner. „Wenn man gescheite Dinge macht, sollte man auch Respekt gezollt bekommen.“ Stattdessen gab es Querschüsse der Altinternationalen, die eine Beschneidung der Autorität Kollers mokierten, wenn Ruttensteiner sportlich mitredet. In Wahrheit waren es aber bloß erste Versuche einen Keil zwischen Ruttensteiner und Koller zu treiben, was er auch selbst im Gespräch so sieht.
Ruttensteiner hat dem ÖFB einen modernen Anzug verpasst. Wir wollen von ihm wissen, warum das nicht schon früher möglich war? „Es war nicht möglich“, sagt Ruttensteiner. Weil die Zeit nicht reif war, er keine Kompetenzen für das A-Team hatte und anscheinend auch intern nicht die Lobby, um gehört zu werden. „Ich war bei Teamchefbestellungen nie involviert“, sagt Ruttensteiner. Präsident, Generaldirektor und Präsidium haben die wichtigsten Entscheidungen übernommen.
Teilweise Zusammenarbeit mit Hickersberger, keine Philosophie bei Krankl
Wenn Ruttensteiner über ehemalige Teamchefs seiner Ära spricht, streicht er nur Pepi Hickersberger regelmäßig positiv hervor. Mit Hickersberger habe man in einigen Punkten Durchgängigkeit erzielen können. Bei Krankl habe er keine Philosophie erkennen können. Constantini lobt er für seine Aufbauarbeit, auch wenn ihm nur David Alaba (den Constantini früh debütieren ließ) als positiver Aspekt einer ganzen Teamchefära auf Anhieb einfällt. „Ich respektiere das wahnsinnig“, sagt er und führt sich kurz darauf selbst ad absurdum. Über die Bestellung Kollers sagt er: „Für mich war die Wahl ausgezeichnet. Vor allem, die damit verbundene Gewissheit, dass mit dieser Wahl hochqualitative Arbeit einsetzt. Die Leute in Österreich erkennen bereits eine Veränderung der Arbeit. Diese Akribie und die Einstellung, wirklich viel leisten zu wollen.“
Passt irgendwie nicht zusammen. Wenn mit Koller hochqualitative Arbeit einsetzt, muss es unter Constantini ja anders gewesen sein.
Das ist aber auch das große Problem Ruttensteiners. Wer sein eigenes Licht ständig unter den Scheffel stellt, wird am Ende weniger Lob ernten. Jedenfalls weniger Lob als die Krankls der Szene, die es verstehen sich in der Öffentlichkeit publikumswirksam in Szene zu setzen. Ruttensteiner betont, dass der Präsident des ÖFB für die Strukturreform verantwortlich ist, weil er sie absegnete. Nur in einem Nebensatz und auf Nachfrage erklärt er, dass er es war, der eine Analyse der Nationalmannschaft erarbeitete, sie dem Präsidenten vorlegte und ihn so überzeugte. Auch der Name Koller dürfte von Ruttensteiner ins Spiel gebracht worden sein, auch wenn er das nicht klar zugeben will. Er betont alleine, dass die letzte Entscheidung beim Präsidenten lag und zeigt sich damit Obrigkeitstreu. Wie viel Überzeugungsarbeit er dabei leisten musste, über Jahre hinweg, erwähnt er wieder nur nebenbei und auf mehrfaches nachfragen. Er erzählt, wie er vor 10 Jahren bei Arsenal London unter Arsene Wenger hospitierte und mit einem Rucksack an Modernisierungsvorschlägen für den ÖFB zurückkehrte. „Ich bin aber stark belächelt, schlecht gemacht und ein bisschen verspottet worden.“ Warum aber, wollen wir von Ruttensteiner wissen, konnte er seine Vision den Entscheidungsträgern nicht verklickern, nicht früher eine schriftliche Version dem Präsidenten nahe legen?
"Bei der EM 2008 wurde auf höchstem Niveau gearbeitet."
Weil er sich unter Hickersberger auf dem richtigen Weg wähnte, sagt Ruttensteiner. Hickersberger habe ihn mehr eingebunden und auch Dinge mitentwickeln lassen. Freilich erst nach der Pogatetz-Kritik, die Hickersberger in die Schusslinie brachte. „In einigen Bereichen haben wir Durchgängigkeit durchaus erzielt. Ich dachte, jetzt sind wir auf dem richtigen Weg. Bei der EM 2008 wurde auf höchstem Niveau gearbeitet.“
Ich hake nach und spreche Ruttensteiner auf die wenig durchgängige Spielphilosophie während seiner Amtszeit an. Hickersberger begann im ersten EM-Spiel gegen Kroatien mit sieben defensiv ausgerichteten Spielern. Nach zehn Minuten stellte er, nachdem klar war, dass das Konzept in den Untergang führen würde, auf Offensive um. „Das heißt: Hickersberger wollte grundsätzlich mit einer ganz anderen Ausrichtung in das Turnier gehen als es ihrer Philosophie entspricht.“
Ruttensteiner stockt kurz, nickt dabei und sagt kurz und knapp: „Ja, da haben Sie Recht.“
Er streitet nicht ab, dass er sich getäuscht hat, indem er sich auf richtigen Wegen wähnte, die aber im Nachhinein als falsch erscheinen.
„Ich habe mich darüber oft geärgert“, sagt er, „auch jetzt bei der U-20 WM.“
Egal. Schwamm drüber. Willi Ruttensteiner hat es auch mit Diplomatie und Loyalität gegenüber seinen Obrigkeiten geschafft, den ÖFB neu zu strukturieren. Auch wenn ihn Modernisierungsverweigerer und seine falsche Bescheidenheit fast daran scheitern ließen. Auch wenn er falsche Wege oft als richtig darstellt – sein Weg der Diplomatie könnte ihm, wenn man die Schwerfälligkeit des ÖFB berücksichtigt, im Endeffekt Recht geben.