Wenn Deutsche Österreicher analysieren

Deutsche Medienvertreter zeigen sich derzeit verwirrt. Während ihr eigener Teamchef  professionell und detailliert über Fußballphilosophien und taktische Ausrichtungen referiert, hört man von Didi Constantini weiterhin nur Seltsames. Respektlos, mit einem

logo_qualitaetsjournalismusDeutsche Medienvertreter zeigen sich derzeit verwirrt. Während ihr eigener Teamchef  professionell und detailliert über Fußballphilosophien und taktische Ausrichtungen referiert, hört man von Didi Constantini weiterhin nur Seltsames. Respektlos, mit einem Schuss Wahnsinn und ohne Erwartungsdruck soll Österreich auftreten. Das ist Marschroute, Taktik und System zugleich. Deutsche Medienleute sind ob solcher Ausrichtungsphantasien irritiert.

 

Deutsche arbeiten nicht nur im Fußball professionell und vorbildlich, auch in der Medienlandschaft. Während in Österreich hin- und herdiskutiert wird, schafften es deutsche Medien innerhalb weniger Tage die Problemzonen des österreichischen Teams zu benennen.

 

Einen Tag vor dem Nachbarschaftsduell widmen deutsche Zeitungen dem österreichischen Team große Analysen. Der "Spiegel" erkennt die geringe Erwartungshaltung: "Deutschland ist eine absolute Weltklassemannschaft", sagt Dietmar Constantini. "Und wir sind Österreich", fügt er hinzu. Der Spiegel-Autor ist irritiert: Das erweckt den Eindruck, als trete am Abend ein Bezirksligist gegen den Deutschen Meister an.

 

Die Deutschen können die geringe Erwartungshaltung nicht ganz verstehen. Immer wieder fallen die Namen Pogatetz, Alaba, Fuchs, Janko, Scharner, Ivanschitz, Arnautovic, Hoffer, Harnik…“ihr habt doch tolle Spieler“. Das sieht auch Jogi Löw so: "Österreich hat die beste Nationalmannschaft seit vielen, vielen Jahren. Sie haben sehr viele Spieler, die sich ihr Geld im Ausland verdienen. Dort sind sie nicht irgendwelche Mitläufer, sondern echte Führungsspieler."

 

Constantini ist vor dem Spiel auch in deutschen Medien ein gefragter Interviewpartner. Es hat sich herumgesprochen, dass in Österreich ein Mann als Teamchef arbeitet, der Taktik für überbewertet hält. Das finden die deutschen Medienvertreter kurios, deswegen wollen sie mit Constantini sprechen.

 

Constantini sagt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ): „Derzeit ist das Umfeld in einem kleinen Land mit einer kleinen Liga nicht geschaffen für Großtaten im Fußball.“

 

Der Redakteur der FAZ spricht klar an: Slowenien oder der WM-Achtelfinalteilnehmer Slowakei haben noch schlechtere Ausgangsbedingungen als Österreich.

 

Constantini: Das ist richtig. Aber von den Slowenen spielt keiner mehr im eigenen Land. Bei uns herrscht da noch Nachholbedarf.

 

Es wird klar nachgehakt: Derzeit spielen 15 Österreicher in deutschen Profiligen. Ist das nicht genug Qualität für Österreich?

 

Constantini: Eine wichtige Rolle bei einem guten Klub in einer Top-Liga spielen aber nur Pogatetz in Hannover oder Fuchs in Mainz. Sonst sind es noch Scharner in England und Janko in Holland. Aber das reicht nicht, es müsste wieder eine österreichische Vereinsmannschaft in der Champions League mitspielen. Das hat seit Jahren keiner mehr geschafft. Also kannst du auch keinen Krankl oder Prohaska oder Polster erzeugen.

 

Deutsche Zeitungen erkennen nach ein paar Tagen Recherche Strukturprobleme beim ÖFB, sprechen den Teamchef bei der Pressekonferenz auf seine Planlosigkeit an („Sie denken Taktik ist überbewertet?“), verstehen nicht, dass man den Grund der Misere an fehlendem Spielermaterial festmacht. Verstehen nicht, dass Taktik überbewertet sein soll. Verstehen nicht die Aussagen des Teamchefs, wonach ein österreichischer Vertreter in der Champions Leaque alles besser machen würde, wo doch ohnehin fast die gesamte Nationalmannschaft im Ausland spielt.

 

Die Deutschen sind durch Jogi Löw mit Analysen der Extraklasse verwöhnt. In Österreich hören sie derzeit Manfred Zsak folgendes sagen: „Wir haben auch taktische Sachen trainiert.“ Jede Nachfrage könnte ihm hier bereits zum Verhängnis werden, viele österreichische Medien nehmen Rücksicht, Deutsche kennen keine Rücksichtnahme. Warum auch. Man ist wieder irritiert.

 

Deutsche Medien analysieren derzeit unseren Fußball punktgenau. In Österreich hören sich Analysen weiterhin so an: „Ich hoffe, dass der berühmte Knoten bald einmal platzen wird. Vielleicht muss man Spiele irgendwo auch einmal mit Glück gewinnen. Dann kommt man in diese gewisse Euphorie rein. Wenn du einfach immer wieder in regelmäßigen Abständen einen Dämpfer bekommst, ist es nicht so einfach, sich in einen Rausch zu spielen.“
Die Aussage stammt nicht von Teamchef Constantini, sondern von seinem Kapitän Marc Janko. Analyseunfähigkeit dürfte also ansteckend sein. Der Österreicher scheint dafür besonders empfänglich.

 

Es ist wohltuend, dass deutsche Medien in den Tagen vor dem Nachbarschaftsduelle klar ersichtliche Probleme des ÖFB-Teams beim Namen nennen und sie knallhart ansprechen.

 

In Österreich zitieren Zeitungen (mit Ausnahme der Sportredaktion des Kurier) den Teamchef in seiner Planlosigkeit ohne ihm zu widersprechen. Die Zeitung „Österreich“ fragt den Teamchef, ob er denn gegen Deutschland Hollywood (also sehr offensiv) spielen möge. Constantini: Hollywood? Haben die dort eine Fußballmannschaft.“ Der Österreich-Redakteur findet den Witz lustig. „Das zeigt, dass die Stimmung beim Team top ist“, fügt er an.

 

Der Vergleich mit Deutschland schmerzt in diesen Tagen nicht nur in sportlicher Hinsicht. Nach dem Länderspiel gegen den Nachbarn ist Österreich nicht nur einen Schritt weiter auf dem Weg der "Kontinuität" (Zitat: ÖFB-Präsident Leo Windtner), sprich der Niederlagenserie, sondern auch wieder weit entfernt von einer Instanz, wie der deutschen Medienlandschaft,  die den österreichischen Fußball sachlich, kritisch und professionell hinterfragen kann.

                                                                                            Gerald Gossmann

.