Ivanschitz – Ein Nicht–Hoffnungsträger gibt Hoffnung

Andreas Ivanschitz polarisiert seit jeher. Die einen sind für, die anderen gegen ihn. In Zukunft könnte sich das ändern. von Gerald Gossmann Er war Coverboy, Schwiegersohn der Nation, Hoffnungsträger eines ganzen Fußballlandes. Andreas Ivanschitz – mit 1

logo_qualitaetsjournalismusAndreas Ivanschitz polarisiert seit jeher. Die einen sind für, die anderen gegen ihn. In Zukunft könnte sich das ändern.

von Gerald Gossmann

Er war Coverboy, Schwiegersohn der Nation, Hoffnungsträger eines ganzen Fußballlandes. Andreas Ivanschitz – mit 16 Rapid-Spieler, mit 19 von Teamchef Hans Krankl zum jüngsten Kapitän der ÖFB-Geschichte erkoren. Ivanschitz – ein Name als Hoffnung auf eine bessere Fußballzukunft. Ein neuer Prohaska. Oder wenigstens ein Herzog. Ein ganzes Land gierte danach.

Ivanschitz auf Magazintitelblättern, Ivanschitz als Testimonial für Computerspiele, Ivanschitz als Gesicht für eine neue österreichische Generation. Das Problem dabei: Die Generation bestand aus ihm alleine. Viel Last auf den schmalen Schultern eines 19-jährigen. Neben Ivanschitz tummelten sich ein stecken gebliebener Michael Wagner, ein spätpubertärer Roman Wallner, ein Roland Kollmann oder ein Gernot Plassenegger. Wenig Glanz – Ivanschitz war die Lichtgestalt. Eine Lichtgestalt, die das österreichische Fußballland erlösen sollte.

Der Wechsel zu Red Bull Salzburg hinterließ erste Schrammen am Image des Hoffnungsträgers. Für die Grün-Weiße Anhängerschar wurde Ivanschitz zum Hassobjekt. Durchschnittliche Leistungen in der Nationalmannschaft ließen die Hoffnungen, die in ihn gesetzt wurden, in Frustration übergehen.

Ivanschitz reagierte beleidigt darauf. Auch als sein Wechsel nach Athen, von Medien und Fans, kritisch beäugt wurde.

 

Nicht mehr Hoffnungsträger, sondern gefangen in einer Selbstfindungskrise

Ein Hoffnungsträger in Athen? Wo doch Barcelona oder Mailand erwartet wurden. Ivanschitz beschwerte sich über geringe Wertschätzung. Sein Panathinaikos-Trainer beklagte seine gering ausgeprägte Selbstkritikfähigkeit. Ivanschitz reagierte wieder beleidigt.

Sein Image wandelte sich vom durchschlagskräftigen Hoffnungsträger zur verhätschelten, opportunistischen Mimose.

Auch im Nationalteam konnte Ivanschitz die Erwartungen, die in ihn gesetzt wurden, nicht erfüllen. Niederlage um Niederlage wurde vom Hoffnungsträger, der für Siege sorgen sollte, verteidigt. Schöngefärbt.

Seinem Mentor und Trainervater Hickersberger hielt er sogar die Stange als Emanuel Pogatetz und Paul Scharner zum Verbalangriff ausholten. „Wir gehen ohne taktische Vorgaben ins Spiel. Wie Schüler, die für eine Schularbeit nichts gelernt haben.“ Hickersberger verbannte Scharner und Pogatetz, Ivanschitz forderte gar eine Entschuldigung ein, um als Kapitän Autorität zu zeigen.

Hickersberger verlor weiter Spiel um Spiel. Ivanschitz färbte weiter schön. Wohl auch, weil Pogatetz und Scharner in der Premier Leaque ordentliche Matchvorbereitungen bereits kannten, Ivanschitz noch nicht. Er versuchte krampfhaft seiner Führungsrolle gerecht zu werden, mit der er nie zu Recht kam. Immer diplomatisch, immer Kapitän, immer der Mann zum Anhalten. Aber nicht Ivanschitz. Medien und Fans legten ihm seine Art zu Kommunizieren zunehmend als Provokation aus. Ivanschitz vergaß auf die Mannschaft, nahm seine Rolle, in die er gedrängt wurde, zu ernst. Er war nicht mehr Hoffnungsträger, sondern gefangen in seiner Selbstfindungskrise. Hin und hergerissen zwischen dem Fußballer und der Führungsperson Ivanschitz.

 

Ivanschitz, die Schlüsselfigur der Ära Constantini

Nach seinem Wechsel zu Mainz05 in die Deutsche Bundesliga ging es sportlich wieder aufwärts. Ivanschitz wurde zum Topscorer, war im Blickfeld von Medien und Fans.

Teamchef Constantini verzichtete trotzdem auf ihn und machte Ivanschitz nachträglich zur Schlüsselfigur seiner Ära. Die Demontage des Andreas Ivanschitz durch Teamchef Constantini war Fluch und Segen zugleich. Fluch für Constantini, Segen für Ivanschitz. Die Imagewerte von Ivanschitz kletterten nach jeder seiner Ausbootungen nach oben. Immer steiler. Ivanschitz spielte zwei Jahre keine Minute im Team und ging doch als großer Sieger der Ära Constantini hervor.

Seit drei Spielen ist Ivanschitz wieder Nationalspieler, weniger Hoffnungsträger, was ihm auch gut tut. Gegen die Ukraine standen mit Fuchs, Pogatetz, Prödl, Alaba, Baumgartlinger, Harnik, Arnautovic und Janko nur Legionäre, Stammspieler und Leistungsträger auf dem Platz. Ivanschitz ist jetzt einer von vielen. Die Last, ein Land aus der Krise zu führen, liegt nicht mehr alleine auf seinen Schultern. Was positiven Einfluss auf seine Leistungen haben könnte.

Ivanschitz glänzt heute in der Deutschen Bundesliga, unter einem taktisch versierten Trainer, zuletzt mit einem Treffer und einem Assist beim Sieg gegen Bayern München.

Ivanschitz ist in der großen Fußballwelt angekommen. Ein Haufen anderer österreichischer Kicker auch. Gut für Ivanschitz, der von seiner Last, Fußball-Österreich von seiner chronischen Erfolglosigkeit zu erlösen, endgültig entbunden ist. Gut für die Hoffnungen eines ganzen Landes, das sich auf einen Haufen an Hoffnungsträgern konzentrieren kann.

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