Im Vorgestern das Morgen entscheiden – Ein Stimmberechtigter der Teamchefbestellung im Gespräch
Hans Gartner ist Bürgermeister und Fußballverbands-präsident in Niederösterreich. Er sieht Österreich auf Augenhöhe mit Aserbaidschan, hält die Bedeutung des Teamchefs für überschaubar und glaubt nicht, dass mehr Strategie auch mehr Erfolg bringen muss. H
Hans Gartner ist Bürgermeister und Fußballverbands-präsident in Niederösterreich. Er sieht Österreich auf Augenhöhe mit Aserbaidschan, hält die Bedeutung des Teamchefs für überschaubar und glaubt nicht, dass mehr Strategie auch mehr Erfolg bringen muss. Hans Gartner wird mitbestimmen, wer zukünftig österreichischer Teamchef wird.
Ein Interview zwischen Widersprüchen, kritischem Nachhaken und Planlosigkeit.
von Gerald Gossmann
90minuten.at: In der NÖN sagen Sie, unsere Kragenweite sei Aserbaidschan und Kasachstan. Warum?
Hans Gartner: Wir fliegen dort ein paar Stunden hin und spielen dort auf Kunstrasen. Das sind ja spezielle Bedingungen. Das ist eine Herausforderung, wo man sehen kann ob unsere Mannschaft Charakter zeigt. Das war damit gemeint.
Weil ein Vergleich der Kader würde ja andere Aufschlüsse geben. In Aserbaidschan spielt beinahe die gesamte Mannschaft in der heimischen Liga, bei uns spielt sie zum größten Teil in Weltligen.
Ja. Man darf aber nicht nur die Rangliste sehen, sondern das Umfeld auch. Die Rahmenbedingungen dort sind das Problem. Vereinzelt haben wir sicher die besseren Spieler.
Wir könnten uns darauf einigen, dass Österreich das eindeutig bessere Spielermaterial hat, oder?
Ja, aber die haben sicher auch gute Fußballer.
Belgien und die Türkei hätten vergleichbare Kader. Wir waren chancenlos. Warum?
So chancenlos waren wir ja nicht. Man muss auch die Ausgangssituation bedenken, in welchem Topf wir waren, dadurch hatten wir schon entsprechende Gegner mit Deutschland, Türkei und Belgien. Da hat man dann nicht die großen Chancen. Dort spielen die Spieler halt auch bei ihren Vereinen, bei uns nicht.
Janko, Harnik, Fuchs, Pogatetz, Arnautovic, Ivanschitz, Stranzl und Scharner sind Stammspieler und Leistungsträger. Alaba auf dem Weg dorthin. Auch dahinter wird der Pool an Spielern nicht kleiner. Ihre Aussage stimmt nicht ganz.
Ja, aber dann nimmt der Teamchef wieder die Hälfte davon nicht. Das ist Sache des Teamchefs, da dürfen sie nicht mich fragen. Wenn der Teamchef viele Spieler nicht aufstellt, bin ja nicht ich zuständig.
Sieben der neun aufgezählten Stammspieler und Leistungsträger waren aber zuletzt dabei.
(Hans Gartner schnauft durch, gibt aber keine Antwort)
Sind die zahlreichen Verbannungen auch ein Grund warum der Vertrag des Teamchefs nicht verlängert wurde?
So sehe ich das nicht. Wir haben gesagt wir ziehen nach den beiden Spielen gegen Aserbaidschan und Kasachstan Bilanz. Und dann wird mit dem Teamchef gesprochen. Ich war jetzt überrascht, über den Wunsch des Teamchefs die Entscheidung sofort zu treffen. Dann haben wir gesehen, dass wir keine Mehrheit für irgendetwas zusammenbringen. Aber eine Entscheidung zu seinen Gunsten war nicht möglich und ihn hinzuhalten wäre nicht fair gewesen.
Wären Sie für eine Verlängerung mit Teamchef Constantini gewesen?
Es hilft ja nichts mehr jetzt. Die Entscheidung wurde getroffen und es passt. Wir haben sehr lange herumdiskutiert was man tut. Es war nicht die populärste sondern die korrekteste Entscheidung.
Augenscheinlich in der Qualifikation war, dass die Legionäre bei ihren Klubs sehr gute Leistungen erbringen, im Team aber nicht. Woran liegt das?
Das Problem ist sicher, dass man im Nationalteam wenig Zeit hat eine Mannschaft zu formen. Die Spieler kommen an, dann kurieren sie ihre Verletzungen und Wehwehen aus, dann ist schon Abschlusstraining und Freitag ist Spiel. Er hat nicht viele Möglichkeiten für die Mannschaft viel zu machen. Das ist der Unterschied zum Vereinsfußball.
Das heißt: Auch der neue Teamchef wird demnach nicht viel bewegen können?
Der Teamchef schießt ja sowieso keine Tore. Der kann nur versuchen eine Mannschaft zu formen.
Internationale und nationale Experten meinen, dass Österreich trotz sehr gutem Spielermaterial sehr planlos agiert. International erfolgreiche Trainer planen aber jeden Laufweg. Teamchef Constantini hielt das für überbewertet. Ist das ein Grund für den ausbleibenden Erfolg?
Jeden Laufweg einzustudieren braucht auch viel Training. Wenn man ein Instrument lernt und nur einmal im Quartal damit spielt, dann wird man es nicht können.
Aber die Vorraussetzung gilt ja für jeden Teamchef einer europäischen Nation. Keiner hat mehr Zeit für die Vorbereitung.
Ja, das ist schon klar. Aber die haben halt Spieler die schon weiter sind. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass sich die Spieler in den letzten Jahren sehr positiv entwickeln. Aber sie sind noch nicht auf dem Stand, wo sie Weltklassefußballer sind. Aber der Alaba kann sicherlich einer werden. Man darf die Spieler nicht überfordern. Was will man in Deutschland? Dort kann es doch nicht um das K.O. des Teamchefs gehen.
Ein Sieg in Deutschland war auch nicht die Forderung. Ein Messen auf Augenhöhe um den 2. Platz mit der Türkei und Belgien scheint aufgrund des guten Spielermaterials aber schon möglich.
Aber wie erklärt man sich, dass die gleichen Spieler in Belgien 4:4 spielen und daheim dann verlieren. Ich glaube nicht, dass der Teamchef gesagt hat, dass sie daheim den Deppen runterreißen sollen.
Warum spielen immer mehr österreichische Spieler im Ausland, nach österreichischen Trainern kräht aber weiter kein Hahn?
Die Spieler gehen zu früh ins Ausland, auch wenn sie noch gar nicht fertig sind. Aber das lässt sich gar nicht verhindern, weil die Spielervermittler schon dahinter sind. Die Bezahlung ist halt im Ausland besser. Warum keine Vereinstrainer dort sind? Wir hatten schon einige, aber keine dreißig oder vierzig. Der Pacult ist halt dort, aber nur in der zweiten oder dritten Division. Wahrscheinlich werden im Ausland unsere Leute nicht geschätzt.
Sie haben betont, dass eine ausländische Teamcheflösung zu teuer wäre. Der nächste Teamchef soll also wieder Österreicher sein?
Wir können ja keinen nehmen, dem wir 400.000 Euro im Monat zahlen können. Das ist unmöglich. Man muss eine Lösung finden, dass wir den besten Mann kriegen, den wir uns leisten können.
Welchen Trainertyp würden Sie bevorzugen?
Den, der die nächste Qualifikation schafft.
Und welche Fähigkeiten benötigt derjenige dazu?
Da gibt es viele Anforderungen. Das wichtigste ist, dass er bei den einzelnen Spielern die größtmöglichen Stärken herausholt und dementsprechend das Team formt. Das ist eh klar.
Das ist aber ein sehr grundsätzlich gehaltenes Anforderungsprofil. Der alte Teamchef lehnte Taktik und Verwissenschaftlichung ab. Wird das eine Anforderung sein, dahingehend zu arbeiten?
Wenn man gewinnt fragt keiner, ob man wissenschaftlich gearbeitet hat oder nicht. Die Praktiker bei uns sagen halt, dass das zu wissenschaftlich ist. Die anderen wollen mehr Wissenschaft. Entscheidend ist aber ob man am Platz gewinnt oder nicht.
Wie ist der Grundtenor bei den Landespräsidenten der Fußballverbände. Ist man eher für Praktiker oder Theoretiker?
Wir haben noch nicht abgestimmt. Aber ich glaube, dass wir im Nachwuchs für Österreich nicht so schlecht unterwegs sind und dann im Übergang zum Profibereich einen Durchhänger haben. Ich weiß nicht womit das zu tun hat. Vielleicht mit dem Bundesheer oder mit anderen Sachen. Es ist dann ein Leistungsknick, dass sich die Spieler nicht wirklich weiterentwickeln. Vielleicht weil sie zu früh hineingestoßen werden oder zu spät.
Aber die Weiterentwicklung der Spieler ist ja nicht das Problem. Man hat fertige Spieler zur Verfügung.
Aber schauen sie einmal wie viele Spieler die anderen Länder haben. Die greifen ja nicht auf zehn sondern auf hundert Spieler zurück.
Es fällt auf, dass Trainer mit Konzept gegenüber den Praktikern in den Vordergrund treten. Tuchel, Klopp und Slomka holen mit Underdogs sehr viel heraus.
Ja klar, die Bauchtrainer werden weniger. Früher war das anders, aber heute sind unheimlich viele Leute um einen Trainer herum. Physiotherapeuten, Motivation, Psychologen. Was da alles herumrennt ist schon sensationell. Auch welche Daten da ermittelt werden. Da kann kein Spieler mehr sagen, dass er unter- oder überfordert ist, weil man alles weiß.
Muss der ÖFB nicht danach streben, einen Trainer zu holen, der mit der Datenflut auch etwas anzufangen weiß?
Das wäre wünschenswert. Ja. Aber wichtig ist in erster Linie, dass er aus der Mannschaft etwas macht. Nur taktisch zu arbeiten genügt ja nicht.
Dortmunds Meistertrainer sagt, dass heute nicht mehr automatisch die besseren elf Einzelspieler gewinnen müssen. „Taktische Maßnahmen machen es möglich individuell bessere Gegner auf das eigene Niveau herunterzuholen und sie auf diesem Niveau zu besiegen.“ Was sagen Sie dazu?
Das ist ja nicht wie beim Schachspielen, sondern ich kann nur 90 Minuten lang Einfluss nehmen. Wenn die taktische Maßnahme nicht greift, was mache ich dann? Weil auf der anderen Seite sitzen ja auch Trainer, die taktische Maßnahmen im Kopf haben.
Der burgenländische Fußballpräsident sagt, es sei egal ob der Teamchef Maier oder Huber heißt. Sehen Sie das auch so?
Das sehe ich nicht so. Es muss alles zusammenpassen. Der neue Teamchef muss ins Konzept der Entwicklung passen.
Was muss der neue Teamchef also mitbringen, damit er in das Konzept der Entwicklung passt?
Die Frage haben Sie mir schon einmal gestellt und ich habe sie nicht beantwortet.
Interview: Gerald Gossmann
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